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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

4. Sonntag im Advent, 20.12.2015

Freude, Güte und Gottvertrauen
Predigt zu Philipper 4:4-7, verfasst von Matthias Wolfes

 

Freuet euch in dem HERRN allewege! Und abermals sage ich: Freuet euch! Eure Lindigkeit (Nachgiebigkeit; Lutherbibel 1984: Güte) lasset kund sein allen Menschen! Der HERR ist nahe! Sorget nicht! Sondern in allen Dingen lasset eure Bitten im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden. Und der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christo Jesu!“ (Jubiläumsbibel 1912)

Liebe Gemeinde,

der Glaube schwebt nicht einfach so auf den Wolken dahin. Er ist eine sehr konkrete Einstellung, eine Haltung und Beschaffenheit der Seele. Um sie geht es in den Worten des heutigen Textes. Diese Einstellung wird in dreifacher Hinsicht beschrieben: Sie ist eine Haltung der Freude; sie zeichnet sich durch Güte aus; der Glaubende sorgt sich nicht.

Oft könnte man aus dem Wenigen, das uns die Predigtabschnitte zu bedenken geben, eine ganze Weltanschauungslehre und Daseinsauffassung des christlichen Glaubens herauslesen. So verhält es sich auch mit dem Stück aus dem Philipperbrief. Man täte den vier Versen damit keine Gewalt an, denn tatsächlich geben sie eine klare und hinreichende Beschreibung der christlichen Grundhaltung. Freude, Güte und Gottvertrauen – ich wüßte nicht, womit man besser und umfassender antworten könnte als mit diesen drei Motiven, wenn jemand fragt, was denn nun Leben und Sinn des glaubenden Christen bestimmen.

I.

Freuet euch in dem HERRN allewege!“

Nicht gemeint ist, daß der Christ mit immerwährender guter Laune durch die Welt läuft. Er nimmt alles wahr, was dem Guten entgegensteht. Er lebt ja in derselben Welt wie alle anderen auch. Auch er ist dem Widrigen ausgesetzt. Sein Leben bleibt nicht unangetastet.

Was vielmehr gemeint ist, das ist: Seine Grundhaltung ist anders. Er weiß sich getragen, gehalten, geborgen. Das Negative, das Zerstörerische, das einem widerfährt, das Menschen einander antun, das einen aber auch aus dem bloßen Geschehen heraus treffen kann, dieses Dunkle des Daseins muß zurückbleiben gegenüber dem Halt des Glaubens. Der Glaubende weiß sich im Innersten stark. Es ist eine Stärke seines Wesens. Und unsere Hoffnung ist, daß selbst in Momenten der äußersten Infragestellung, wenn uns so großes Leid getroffen hat, daß wir darunter zu zerbrechen drohen, daß auch dann noch diese Stärke des Glaubens uns trägt und schützt. Das Bittere wird nicht ausgeblendet; ein Verlust ist ein Verlust auch für uns. Und dennoch hoffen wir, daß wir dann die Worte „Der HERR ist nahe!“ nicht vergessen.

Es handelt sich bei der Freude des Glaubens um eine substantielle Freude. Diese Freude reicht bis in den Grund unseres Daseins. Sie äußert sich nicht so sehr in der Mimik des Alltags. Sie kommt eher in einer ruhigen Sicherheit des Auftretens zum Ausdruck. Sie äußert sich in der Gegründetheit des ganzen Daseins. Denn der glaubende Mensch lebt nicht einfach so vor sich hin, sondern er geht seinen Weg aus der Gewißheit, daß Gott ihm nahe ist.

II.

Eure Güte lasset kund sein allen Menschen!“

Auch hier droht das Mißverständnis, man solle den Menschen andemonstrieren, wie es sich mit einem verhält. Generell demonstriert der Glaube ja nichts. Er muß keinen Wahrheitsbeweis erbringen. Er tritt nicht auf als dies oder das, sondern er ist da als er selbst. Das Wirken des Glaubens ist schlicht. Und so verhält es sich auch im Blick auf die Haltung den anderen gegenüber.

Das Handeln des Glaubens ist nicht parteiisch. Es widmet sich nicht prinzipiell bestimmten Menschen nicht. Vielmehr ist es offen. Die Grundhaltung ist entgegenkommend. Dem griechischen Wortlaut nach handelt es sich um „Nachgiebigkeit“; gemeint ist ein gütiges Verhalten. Aus Glauben heraus wird niemand gebraucht, und auch die Kalkulation mit Vorlieben und Abneigungen ist ihm fremd. Gewiß wird zwischen einer solchen Handlungsmaxime des Glaubens und dem tatsächlichen Verhalten des glaubenden Menschen sehr häufig eine Diskrepanz bestehen, darüber täuschen wir uns nicht. Sympathiegesichtspunkte und viele andere Faktoren bestimmen unser Handeln eben auch. Doch der Maßstab, die Forderung als eine Einsicht in das Richtige und Gebotene steht fest.

Nun könnte man hier große Worte machen, und sie sind auch vielfach gemacht worden. Dieser heutige vierte Advent aber ist nicht der Tag dafür. Wir sind eher zurückhaltend gestimmt: Die Adventszeit ist eine Zeit der Besinnung und des Nachdenkens. Da kann man denn das Gewicht eher auf die Herausforderung legen, die darin liegt, wenn wir sagen, die Haltung des Glaubens den anderen gegenüber sei „entgegenkommend“.

Die Herausforderung besteht darin, sich diese Offenheit, dies Entgegenkommen zu bewahren. Das mag in vieler Hinsicht als trivial erscheinen, und in der Tat dürfte es kaum Mühe bereiten, jemanden auch dann konsequent weiter zu grüßen, der mir mit gleichbleibend abweisender Miene begegnet. Doch in anderer Hinsicht ist es keineswegs so. Offenheit, Verständnisbereitschaft, das Bemühen um eine freundliche, ja sogar hilfsbereite Haltung setzt ein Maß an Selbstbewußtsein voraus, das nicht einfach so vom Himmel fällt. Es bedarf des Grundes, und im Falle des Glaubens ist dieser Grund die Gewißheit der Nähe Gottes.

III.

Sorget nicht!“

Das dritte Merkmal der christlichen Haltung ist das Vertrauen. Nicht gemeint ist eine allgemeine Vertrauensseligkeit. Mit einer naiven Verführbarkeit hat der Glaube nichts zu tun. Aber ebenso wenig kommt ihm ein generelles Mißtrauen anderen gegenüber zu. Was die Menschen als solche betrifft, bewahrt der Glaubende sich die Urteilskraft und den gesunden Verstand wie jeder andere auch.

Das Vertrauen des Glaubens geht in eine ganz andere Richtung. Es ist eine Haltung der Lebenssicherheit, der unbedingten Zuversicht in die Sinnhaftigkeit und Geordnetheit der eigenen Existenz. Wer ernsthaft „an Gott glaubt“, für den ist doch die Wirklichkeit des Daseins eine von Gott geordnete Wirklichkeit. Innerhalb ihrer, innerhalb der Ordnung der Dinge, habe auch ich dann den mir zukommenden Platz und bin auch ich der mir eigenen Bestimmung gewiß. Wir sprechen von Gott als dem Schöpfer und Erhalter der Welt. Was bedeutet das aber anderes, als ein letztes, unbedingtes Zutrauen in ihn als den Schöpfer und Erhalter zu setzen?

Das ist keine dogmatische Forderung, sondern eine schlichte Aussage über die Beschaffenheit des Glaubens. In diesem Sinne ist der Glaube selbst das Vertrauen in und zu Gott. Vertrauen und Zuversicht in Gottes Treue – dies ist der wesentliche Gehalt des christlichen Glaubens, und von ihm aus müssen alle anderen Aussagen ausgehen.

Der Glaubende lebt sein Leben bei und mit Gott, in gewisser Weise auch aus ihm, und zwar lebt er es im Heute, nicht in irgendeinem Stübchen seines Gemütes, über das er auch noch verfügt. Er ist in diesem Mit-Gott-sein auch nicht angewiesen auf bestimmte äußere Zurichtungen. Er weiß: Gott hört mir zu, egal, wo ich bin. Die Nähe zu Gott ist bedingt nur durch uns selbst; von Gott aus ist sie unbedingt.

Dies ist der Grund unserer Freude; darauf vertrauen wir; daraus schöpfen wir die Kraft zu einem guten Umgang mit den anderen wie auch mit uns selbst.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christo Jesu!

Amen.

 



Dr. Dr., Pfarrer Matthias Wolfes
10625 Berlin
E-Mail: wolfes@zedat.fu-berlin.de

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