Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach Weihnachten, 27.12.2015

Predigt zu Matthäus 2:13-23 (dän Perikopenordn.), verfasst von Elof Westergaard

 

Die Erzählung über die Geburt Jesu ist nicht nur eine Geschichte voll Freud und Wonne. Die Hirten mit ihren Tieren und die Weisen mit ihren Geschenken kommen zwar zum neugeborenen Kind, und vieles ist schön und groß bei der Geburt Jesu. Man versteht, warum Maria die Weihnachtsnacht in ihrem Herzen bewegt. ABER Joseph und Maria erwachen bald zu heftigen Bedrohungen: Ein Herrscher trachtet ihrem Kind nach dem Leben. Und die kleine Familie muss fliehen und zu Flüchtlingen im eigenen Land werden. Das frohe Ereignis von Weihnachten wird abgelöst von Flucht und Kindermord.

Auch wenn sie kurz ist, so ist die Erzählung voll von Dramatik, und wenn wir es nicht vorher wussten, so wissen wir es nun: Der Sohn Gottes, der in der Weihnacht in Bethlehem geboren wurde, ist in die Welt geboren, in eine Welt, die der Welt und der Zeit gleicht, in der wir leben. Das ist keine Phantasiewelt, ein Stallidyll mit Heu und Stroh, in der Jesus geboren wird. Er wird hier geboren, in einer Welt mit Gewalt und Bosheit, mit Menschen auf der Flucht.

Die Eltern Jesu flüchten Hals über Kopf mit ihrem neugeborenen Kind nach Ägypten. Ein Engel sagt zu ihnen, dass sie dort wohnen können, bis sie einmal wieder zurückkehren können, wenn es in ihrem eigenen Land wieder mehr friedlich wird.
Aber Ägypten ist kein zufälliger Ort. Ägypten ist zwar ein geographischer Ort und in der Weihnachtsgeschichte ein konkreter und naheliegender Zufluchtsort für die kleine Familie. Aber Ägypten ist in einem biblischen Zusammenhang auch ein starkes Symbol: Es war der Ort, wo die Israeliten einst Sklaven gewesen waren. Moses führte das Volk mit der Hilfe Gottes aus Ägypten, trennte die Wasser und brachte sie trockenen Fußes auf die andere Seite, weg aus Ägypten. Zwar waren die Söhne des Patriarchen Jakob noch früher nach Ägypten gereist, um Proviant in diesem Land voller Kornkammern zu holen, aber eine Flucht nach Ägypten ist und bleibt zugleich eine Reise in ein Land, das an Sklaverei, Leiden und Tod erinnert.

Die Flucht nach Ägypten ist ganz konkret eine Flucht aus akuter Gefahr, ein Kampf ums Überleben, aber die Flucht der kleinen Familie trägt zugleich auf symbolischer Ebene dazu bei zu verdeutlichen, dass der Sohn Gottes wirklich in die Welt gekommen ist. Jesus begibt sich sogar in das Land der Sklaverei, in dem so viele Israeliten einst rackerten und litten. Der Evangelist Matthäus wollte auch damit wohl mit seiner Schilderung indirekt auf den Weg zeigen, den der Sohn Gottes als Erwachsener gehen sollte. Jesus sucht nicht Sicherheit für sich selbst, sondern geht in die Welt, lebt hier bei dem geknechteten Volk, bei den Ausgestoßenen und Verachteten. Er ist wirklich gegenwärtig in unserer von Gewalt und Tod geprägten Welt. Er wird auch selbst eines Tages sterben, hingerichtet an einem Kreuz auf dem Berg Golgatha. Der Aufenthalt in Ägypten betont das Leben Gottes in der Welt. Sind wir in der Finsternis, so ist er dort, und lassen wir uns nieder am Ende der Welt, so ist er auch da.

Die kleine Familie, erzählt der Evangelist, bleibt dann in Ägypten bis zum Tode des Herodes. Dann können sie zurückkehren. Sie ziehen von Ägypten nach Nazareth.
Der Evangelist Matthäus erzählt, dass damit eine alte Prophezeiung in Erfüllung geht. Es verhält sich aber – soweit mir bekannt – so, dass Nazareth bei keinem Propheten im Alten Testament und auch sonst nicht im Alten Testament erwähnt wird.

Nazareth war zur Zeit Jesu nur ein kleiner Ort. Nazareth ist also an und für sich ein ganz willkürlicher Ort. Und das ist gut so. Die Pointe ist wieder dieselbe. Die erste Lebenszeit des Jesuskindes, als ein Säugling mit seinen Eltern auf der Flucht, als Flüchtling in Ägypten und dann als Sohn eines Zimmermannes in dem unbedeutenden Ort Nazareth vertieft und betont das Wunder, das Weihnachten geschah: Gott ist in die Welt gekommen eben hier, wo wir Menschen leben und wohnen, in dieser konkreten und „gewöhnlichen“ Welt. Amen.

 



Bischof Elof Westergaard
DK-6760 Ribe
E-Mail: eve(at)km.dk

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