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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Sonntag im Advent, 09.12.2007

Predigt zu Matthäus 25:1-13, verfasst von Hanne Drejer

Wenn man so allmählich in Weihnachtsstimmung kommt und an den Weihnachtsmann zu denken beginnt, mag es wie eine kalte Dusche wirken, wenn man hier am 2. Advent in die Kirche geht und das Evangelium des heutigen Tages hört. Denn hier herrscht bestimmt keine weihnachtliche Stimmung, handelt es sich doch um ein Gleichnis über den Tag des Gerichts.

             Warum sollen wir am zweiten Advent etwas über den Tag des Gerichts hören?

             Weil Advent mehrere Bedeutungen hat. Advent ist eine Abkürzung für das lateinische Adventus Domini, Ankunft des Herrn, also das Kommen Gottes. Und gewöhnlich geht doch der ganze Dezember damit hin, dass wir uns darauf vorbereiten und warten, dass Gott in die Welt kommt am Heiligen Abend im Stall in Bethlehem.

             Aber Advent hat also auch eine andere Bedeutung: die Wiederkunft des Herrn, wenn der Menschensohn am Ende der Welt zum zweiten Mal hierher kommt, um über die Lebenden und die Toten das Urteil zu fällen. Und eben diese zweite Ankunft ist das Thema des heutigen Sonntags. Und diese Wiederkunft veranschaulicht Jesus mit dem Gleichnis von den fünf klugen und den fünf törichten Jungfrauen.

             Es ist eine Geschichte, die uns auf eine orientalische Hochzeit mitnimmt, so wie sie damals gefeiert wurde. Die Hochzeit begann am Abend im Haus der Braut, wo die Gäste bewirtet wurden, während sie auf den Bräutigam warteten, der in seinem eigenen Haus war, wo man über den Preis für die Braut und die Mitgift verhandelte, die Mitgift, die wir auch in unserer Kultur einmal gekannt haben - die Mitgift, die die Versicherung der Braut in der Ehe war, auf die sie also zurückgreifen und von der sie zehren konnte, wenn sie eines Tages allein sein sollte, womöglich mit unversorgten Kindern.

             Und solche Verhanldungen konnten sich natürlich in die Länge ziehen. In der Zwischenzeit warten dann die Brautjungfern auf dem Wege zwischen den beiden Häusern, so dass sie - wenn der Bräutigam endlich kommt -  ihn auf seinem Weg begleiten und ihm leuchten konnten, so dass sie zu Hochzeit und Fest kommen können.

             Dieses Bild gebraucht Jesus für seine Wiederkunft.

             Es ist Nacht, und die Brautjungfern sitzen am Wegesrand und warten und warten! Die Verhandlungen ziehen sich hin, und die jungen Mädchen schlafen schließlich ein.

             Da endlich klingt der Ruf durch die Nacht: der Bräutigam kommt!

             Die Mädchen greifen nach ihren Lampen, machen die Dochte größer, so dass die Lampen richtig leuchten können; aber da stellt sich also heraus, dass einige der Mädchen vergessen haben, sich auf die Wartezeit vorzubereiten, sie haben zusätzliches Öl vergessen. Die fünf klugen Jungfrauen lehnen es ab, ihnen etwas von ihrem Öl zu geben, und so müssen sie zum Kaufmann laufen. Sie kommen nicht rechtzeitig zurück und stehen vor verschlossener Tür und dürfen an dem Fest nicht teilnehmen.

             Ja, sind denn die fünf Mädchen, die hier klug genannt werden, nicht in Wirklichkeit eine Gruppe unsympathischer Egoisten, die ihr Öl nicht mit den fünf vergesslichen teilen wollen und auch nicht das Geringste dafür tun, ihren Schwestern zu Hilfe zu kommen, indem sie z.B. die Zeit etwas aufschieben oder etwa ein Wort darüber fallen lassen, dass wir noch auf jemanden warten, der ein bisschen verspätet ist - so dass die andern noch hinzukommen können? Das wirkt doch egoistisch und lieblos!

             Nun ist das wie gesagt ein Gleichnis, und ein Gleichnis hat immer ein bestimmtes Ziel. Und wie es ja auch kein gerechter Einwand gegen z.B. eine Gabel ist, dass man mit ihr keine Suppe essen kann, so ist es auch kein gerechter Einwand gegen diese Erzählung, dass sie nicht von Liebe handelt, denn darum geht es in genau diesem Gleichnis nicht. Möchte man etwas über die Nächstenliebe lernen, kann man stattdessen beispielsweise über den barmherzigen Samariter lesen.

             Unser Gleichnis von den zehn Brautjungfern will nicht von Liebe sprechen, sondern vielmehr von Glauben und Erwartung - von Treusein und Wartenkönnen! Und von seinem Glauben kann man also nicht austeilen, wie man es mit Essen und Trinken und anderen lebensnotwendigen Dingen tun kann. Wir können nicht von unserem Glauben aneinander austeilen, denn niemand kann für einen andern Menschen glauben - zu glauben ist etwas ganz und gar Persönliches.

             Wir können miteinander über den Glauben reden - wir können das, woran wir glauben, miteinader in einem Gespräch teilen, und wir können es miteinander teilen hier in der Kirche in der Gemeinschaft, in der wir den Glauben erhalten und in diesem Glauben gestärkt werden. Durch Gottes Wort in Evangelium, Taufe und Abendmahl. Aber wir können einander nicht den Glauben geben. Glaube ist eine ganz persönliche Angelegenheit zwischen Gott und dem Einzelnen.

             Also Advent ist Wartezeit, und zwar in mehr als einem Sinne. Advent ist aber nicht bloß das Warten auf Weihnachten. Advent ist auch, zu hören und zu lernen, dass das Leben "warten können" ist - geduldig tagtäglich seine Pflicht erfüllen, ohne zugleich Ergebnisse zu erwarten.

             Das ist treu zu sein und warten zu können.

             Bis Jesus einst wiederkommt, sollen wir geduldig glauben und warten, ohne Sicherheit - ohne Ergebnisse. Deshalb müssen wir Öl für die Lampen haben, denn niemand weiß, wann der Bräutigam kommt. Und die Wartezeit kann lange währen.

             Und das hat sie wahrlich auch getan - denn die alte Welt besteht ja bekanntlich noch immer! Und wir haben gewöhnlich längst alles über Wiederkunft und den Tag des Gerichts vergessen.

             "Ist das nicht bloß etwas, woran gewisse kirchliche Gemeinschaften glauben, um ihre Mitglieder durch Schrecken dazu zu bewegen, dass sie sich ordentlich benehmen?" - wie einige meiner Konfirmanden einmal fragten!

             Nein - das Ende der Welt und Jesu Wiederkunft und der Tag des Gerichts gehören wirklich zur christlichen Botschaft. Nicht um uns einzuschüchtern, sondern um uns daran zu erinnern, dass wir eine Verantwortung haben, der wir uns nie entziehen können. Denn da ist etwas, was wir niemals auf die Schultern anderer legen können.

             In der ersten Kirche und unter den ersten Christen war es in der Tat so, dass sie kaum darauf warten konnten, dass Jesus wiederkam! Manchmal waren sie geradezu euphorisch in ihrer Erwartung: "diese Welt ist ist dem Untergang nahe - binnen kurzem kommt Jesus wieder - und dann werden sie sehen, alle unsere Feinde - dann werden sie die Wahrheit zu spüren bekommen!"

             Für die ersten Christen konnte es kaum schnell genug gehen. Was einen nicht wundern kann, denn sie hatten es ja nicht besonders leicht - es konnte faktisch lebensgefährlich sein, in der ersten Zeit der Kirche Christ zu sein. Sie trösteten sich also damit, dass Jesus bald wiederkommen würde, ganz einfach um den Mut zu bewahren und um sich gegenseitig darin zu bestätigen, dass sie und nicht alle die abergläubischen Heiden, die sie verfolgten, Recht hatten!

             Aber oft waren sie so voller Erwartung und so sicher, dass die Wiederkunft unmittelbar bevorstand, dass sie völlig vergaßen, sich um ihren Alltag zu kümmern - sei lebten in einer so euphorischen Erwartung, dass sie vergaßen, treu zu sein!

             Denn es konnte ja einerlei sei, ob man säte oder pflügte, für die Tiere sorgte und Nahrung für den Winter sammelte, wenn die Welt sowieso bald unterging. Aber wie so viele andere kirchliche Gemeinschaften, die seither den Tag des Gerichts vorhergesagt haben, wurden also auch sie enttäuscht. Denn der Herr - ihr Bräutigam - ließ auf sich warten.

             Und das tut er ja noch heute! Oder was?

             Denn heute hat die alte Welt doch fast 2000 Jahre lang bestanden, seitdem diese Worte gesagt worden sind, und deshalb müssen wir sagen: entweder hat Jesus sich völlig geirrt, als er den Untergang der Welt voraussagte - oder aber diese Worte sind auf ganz andere Weise eindringlich!

             Vielleicht spricht Jesus gar nicht vom Tag des Gerichts als einem bombastischen metaphysischen Ereignis, das uns irgendwann einmal in der Zukunft ereilt. Vielleicht will er mit dem Gleichnis von den Brautjungfern, die daran denken sollen, bereit zu sein, sagen, dass der Tag des Gerichts jeder einzelne Tag ist - dass wir jeden einzelnen Tag zur Rechenschaft gezogen sind. Um uns daran zu erinnern, dass unser Verhältnis zum Leben und zum Herrn unseres Lebens, Gott, jeden gelebten Augenblick und jeden Tag entschieden wird. Niemand kann für andre glauben und warten und leben - niemand kann für andere treu sein - dein Leben ist dein Leben! Dein Leben ist eine Gabe und Aufgabe, mit voller Verantwortung für jedes Wort und für jede Tat, die du getan oder die du nicht getan hast. Darum ist jeder Augenblick und jeder einzelne Tag Ernst - und ein Tag des Gerichts - indem wir alle eine große Mitverantwortung dafür tragen, wie dieser Tag sich für die Menschen, mit denen wir zusammen leben, geformt hat.

             Denn es ist doch so, dass unser Leben ununterbrochen gefärbt und geprägt wird von den Menschen, denen wir heute begegneten, von den Menschen, mit denen wir zusammen leben, und alle haben wir Teil daran, den Tag füreinander zu prägen - mit hellen und dunklen Farben.

             Deshalb erinnert uns das Evangelium von heute an all das, was wir nicht von uns weisen und auch nicht andern auferlegen können. Wir können uns nicht der eigentlichen und tiefen Verantwortung entziehen, denn es ist die Aufgabe eines jeden von uns, treu zu sein. Denn das ist etwas, wovor man nicht weglaufen kann. Niemand anders kann leben und glauben und für dein Leben verantwortlich sein als du selbst!

             Und in diesen unseren Alltag spricht Gott sein Wort zu uns, hier, wo wir jeder für sich vor allem um unser Recht kämpfen, um unsere eigene Befriedigung, um die Erfüllung unserer eigenen Bedürfnisse. Aber hier spricht Gott zu uns und nimmt das Leben von uns, in dem wir glauben, wir selbst stünden im Mittelpunkt, und in dem wir alle auf Kosten anderer auf unserem eigenen Recht bestehen. Und zugleich entsteht eine neue Erde und ein neues Leben, das Leben als Gottes gute Gabe und Aufgabe, in dem wir dankbar zum Nutzen und zur Freude voneinander leben werden.

             So kommt Jesus wieder - wenn er Gottes Wort zu uns sagt und unsere eigene Welt untergehen muss.

             So kommt das Reich Gottes zu uns - jedesmal wenn Gottes Wort spricht und meine eigene Welt untergeht - obwohl die alte Welt nach außen hin weiter besteht.

             Und fragst du, wer dann genügend Öl in den Lampen hat und mit zum Fest bei Gott kommen wird, dann ist die Antwort, dass es selbstverständlich nur Fest und Freude gibt, wenn Gott mich in Gnaden annehmen wird. Und dies ist ja auch genau das, woran zu glauben Jesus uns gegeben hat. Das beste Öl in unserer Lampe ist das Vertrauen und der Glaube an die Gnade Gottes.

             Sei also treu und warte geduldig und genieße die schöne Zeit des Wartens, des Advents. Amen



Pastorin Hanne Drejer
Asperup (Dänemark)
E-Mail: hdr(a)km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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