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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Septuagesimae, 24.01.2016

Sportlich Glauben
Predigt zu 1. Korinther 9:24-27, verfasst von Ulrike Weber

 


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen! Amen.

Liebe Gemeinde,
der Predigttext für den heutigen Sonntag entführt uns in die Welt des Sports. Hören Sie, was Paulus uns dazu sagt:

Wisst ihr nicht, daß die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, daß ihr ihn erlangt. Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen. Ich aber laufe nicht wie aufs Ungewisse; ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt, sondern ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde.

Wer Griechenland bereist und an historischen Stätten interessiert ist, besucht Philippi, Korinth und Athen. Überall kann man kleinere und größere Arenen finden, in denen es um Wettbewerbe im musischen oder sportlichen Bereich ging. Sie gehören zum kulturellen, hellenistischen Erbe und zur Geschichte Griechenlands. Wer sich für den Sport interessiert, findet in Olympia auf der Peloponnes das wohl älteste Stadion der Welt. Olympia war im 8. Jahrhundert vor Christus Standort der ersten Olympischen Spiele der Antike. Die Spiele waren eng mit Religion und Kult verbunden und fanden zu Ehren des Gottes Zeus statt. Das Stadion fasste bis zu 45.000 Besucher; es war ein Ereignis, das man nicht verpassen durfte. Fanden zu Beginn nur Laufwettkämpfe statt, entwickelte sich schon bald der klassische Fünfkampf: Weitsprung, Lauf, Diskus- und Speerwurf und Ringkampf.

Paulus, der aus jüdischer und hellenistischer Tradition kam, saß, was den Sport angeht, etwas zwischen den Stühlen. Das Alte Testament kannte keine sportlichen Übungen, kein Körperkult und Athletik als Selbstzweck. In jüdischen Kreisen wurde so eine Praxis als Götzenkult abgelehnt. Gleichzeitig lernte er durch seine hellenistische Umwelt die Begeisterung für Wettkämpfe und den sportlichen Ehrgeiz kennen.
Für den Brief an die Korinther, in denen er deutliche Worte findet, brauchte er darüber hinaus noch ein Bild, einen Vergleich, um seine Botschaft zu verstärken. Und so nimmt er eine Szene aus dem Sport, weil er davon ausgeht, dass das den Korinthern bestens bekannt ist.

Manchmal kippt ein Bild auch – für uns heute sind sportliche Bilder und Vorstellungen anders belegt als damals. Aus einem schlichten Kranz aus Ölbaum-zweigen als Siegeskrone, ist heute ein millionenschweres Geschäft geworden. Ging es damals um eine harmonische Ausbildung aller Körperkräfte, stehen heute messbare Rekordleistungen im Mittelpunkt. Der Einzelne kämpfte nicht für sich, sondern für den Ruhm seiner Polis. Der heutige Wettkampf ist persönliche Leistung und Errungenschaft.
Wenn wir uns unseren Assoziationen überlassen, wenn wir heute über Sport reden, dann kommen uns noch ganz andere Dinge vor Augen: harter Wettbewerb, Leistungssport bis zum körperlichen Ruin, Sportindustrie für Ausstattung und Bekleidung, Doping, Gewinner-Treppchen und Verlierertränen, Fairness, Risiko-Sport.

Wir haben in unserer Sprache vielfach die Welt des Sports mitaufgenommen: Wir müssen uns durchboxen, wir kämpfen uns vorwärts, wir nehmen eine Hürde nach der anderen, wir schlagen uns durch, wir hauen mit der Faust auf den Tisch, wir stehen in den Startlöchern, manches Problem muss ausgefochten werden usw. Die körperbetonte Sportlersprache zeigt, was in unserem Verborgenen der Seele abläuft: Die Härte und die Mühen des Lebens.

Paulus scheint offensichtlich nicht sportlich gewesen zu sein. Er scheint sich auch nicht so sehr für Sport interessiert zu haben. Aber er brauchte dieses Bild, diese Beschreibung, um den Korinthern etwas deutlich zu machen. Und wir merken bis heute, dass er dieses Sport-Beispiel etwas unbeholfen benutzt und sich die Bilder nicht auf allen Ebenen eins zu eins übertragen lassen.

Trotzdem wird die Gemeinde in Korinth genau gewusst haben, was Paulus meint. Und wenn wir den ganzen Brief mit in diese Überlegungen hinein nehmen, bekommen auch wir eine Vorstellung davon, was ihm mit seiner Gemeinde am Herzen lag.
Die Korinther Gemeinde war von ihm selber gegründet worden. Sie hatte den Glauben angenommen, sich entwickelt und war gewachsen. Die Gaben des Heiligen Geistes hatten sich entfaltet, und sie rühmten sich ihres Glaubens und ihrer Heilsgewissheit – sie fühlten sich auf der sicheren Seite.
Nun sind Paulus Dinge zu Ohren gekommen, die nicht in eine christliche Gemeinde gehören. Und darum schreibt er diesen Brief. Pädagogisch klug lobt er sie zuerst und beschreibt den wunderbaren Weg, den er mit ihnen bisher gegangen ist. Dann aber kommen seine Ermahnungen, die wir bis heute auch uns sagen lassen müssen.

1. Niemand kann sich auf seiner Seligkeit ausruhen.
Die Gemeinde Jesu Christi ist ein lebendiger Organismus. Sie ist Leben, und Leben ist Bewegung. Jede Gemeinde hat ihre bewegte Geschichte durch den Lauf der Zeiten. Entwicklungen, Veränderungen, Erfahrungen und Engagement kennzeichnen den Lauf der Gemeinde. Es gibt auch unterschiedliche Laufstile in den Gemeinden, das ist auch völlig in Ordnung. Aber Zeiten des Stillstands und der Passivität sind Alarmzeichen und bringen eine Gemeinde um ihre Zukunft.
Auch das Leben als Christ ist Bewegung und gleicht einem Lauf. Es ist fatal zu denken, dass wir mit unserem Christsein alleine schon am Ziel wären, Sieger sind und die Trophäe schon in der Hand halten. Gottes letztes Wort ist noch nicht gesprochen.
Es ist die Spannung zwischen „schon jetzt“ und „noch nicht“, die es auszuhalten gilt. Wir sind schon gerettet, aber der Glaube hat sich zu bewähren.
Das kostet Mühe und Anstrengung. Darum sagt Paulus:

2. Von Nichts kommt nichts
Für den Lauf brauchen wir alle Kraft. Paulus weiß, dass sich Kämpfer bestimmter Dinge enthalten, um für sich die besten Voraussetzungen zu schaffen. Wir wissen alle selber, was uns am Lauf hindert. Was uns jede Konzentration und Energie nimmt und unsere Beweglichkeit einschränkt. Wir wissen, was uns Kraft kostet.
Paulus geht es nicht darum, die Konkurrenz auszuschalten, nicht darum, andere zu übertrumpfen und auszustechen, sondern aufs Ziel zuzulaufen. Der größte Gegner ist dabei meistens nicht der Gegenüber, der Konkurrent, sondern wir selber. Das ist der Kampf, den wir täglich führen. Vielleicht ist dieser innere Kampf sogar das bleibende Merkmal unseres Christseins. Oft wählen wir den bequemeren Weg, weil wir nicht bereit sind, auf gewohnte Dinge zu verzichten, - nicht um Gottes willen und auch nicht um des Nächsten willen. Aber dann verlieren wir das Ziel aus den Augen, schreibt Paulus. Denn …

3. … ohne Ziel – ohne Sinn - oder - Knapp daneben ist auch vorbei
Das Ziel gibt dem Lauf seinen Sinn. Wir laufen nicht ins Blaue hinein, ins Ungewisse, ins „Mal-sehen-was-da-kommt“. Wir laufen auf etwas zu, das sich lohnt, jede Anstrengung, jede Mühe, schreibt Paulus. Und dieses Ziel ist nicht die Selbstbeweihräucherung und Selbstvollendung, ist nicht die Krönung unserer Verdienste.
Der Glaube ist kein selbstgefälliges Leben. Der Glaube zeigt sich im Tun. Dabei geht es nicht um Werkgerechtigkeit, sondern darum, mich in meinem christlichen Alltag mit meinem ganzen Mensch-Sein einzusetzen. Christsein heißt Verantwortung zu übernehmen; den Glauben umzusetzen in selbstlose Taten für das Heil und Wohl der Mitmenschen. Christsein heißt: von der lieblosen Selbstbehauptung zur selbstlosen Liebe zu kommen. Wer die Liebe predigt, kann sich nicht lieblos verhalten. Eine Gemeinde kann nur dann zusammenleben und zusammenhalten, wenn jeder Einzelne auf Streit, Überforderung, elitären Hochmut, lieblosem Richten und Cliquenbildung verzichtet, wenn das Miteinander gekennzeichnet ist durch Gesprächsbereitschaft, Solidarität und Ausgleich. Und immer wieder die Frage: Haben wir noch das richtige Ziel vor Augen?

Die Gemeinde soll Paulus zum Vorbild nehmen. Er will, dass seine Predigt mit seiner Lebensführung einhergeht und er dadurch glaubwürdig ist. „Folgt meinem Beispiel“, schreibt er in den Kapiteln vorher und nachher.

Nikolaus Ludwig von Zinzendorf dichtete 1725 ein Lied und mir scheint, dass er Paulus Worte vor Augen hatte:
„Jesu, geh voran auf der Lebensbahn und wir wollen nicht verweilen, dir getreulich nachzueilen …
… Tu uns nach dem Lauf, deine Türe auf.            EG 391

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 

Eingang zur Arena in Philippi, historische Ausgrabungsstätte; heute in der Nähe der Hafenstadt Kavala.

© U. Weber, Thessaloniki



Pfarrerin Ulrike Weber
56626 Thessaloniki / Sykies Griechenland
E-Mail: pfr.u.weber@googlemail.com

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