Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Reminiscere, 21.02.2016

Predigt zu Römer 5:1-5, verfasst von Winfried Klotz

5,1 Da wir nun a gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir b Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus;   a) Kap 3,24; 3,28; b) Jes 53,5

2 durch ihn haben wir auch a den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird. a) Joh 14,6; Eph 3,12

3 Nicht allein aber das, sondern a wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt,   a) Jak 1,2-3

4 Geduld aber a Bewährung, Bewährung aber Hoffnung,   a) Jak 1,12

5 a Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist.   a) Ps 22,6; 25,3; 25,20; Hebr 6,18-19

Liebe Gemeinde!

„Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus.“

Frieden mit Gott, das ist wie frische Luft an einem Sommermorgen, wie der Rundblick von einem Berggipfel über weites, sonnenbeleuchtetes Land; Frieden mit Gott, ja, ich möchte ihn tief einatmen in meine Seele, mein Leben soll durchdrungen werden von diesem Frieden!

Dabei ist mir klar: Paulus bezeugt hier Gott dankend einen Frieden, der nicht naturgegeben über uns aufstrahlt wie die Sonne an einem schönen Morgen, sondern der nach einem tödlichen Konflikt als Gottes Tat uns geschenkt wird, wenn wir auf Jesus Christus vertrauen. Er bezeugt einen Frieden, der nicht errungen wurde durch die Vernichtung der Gegner, ja noch nicht einmal durch den Sieg über sie; er bezeugt einen Frieden, den Gott in Kraft gesetzt hat durch den Mittler Jesus. „Den hat Gott für den Glauben als Ort der Sühne aufgestellt in seinem Blut“, so etwa sagt Paulus in Römer 3 (V. 25). Das griechische Wort, das ich mit Ort der Sühne wiedergegeben habe, meint den Deckel der Bundeslade, auf den der Hohepriester einmal im Jahr am Versöhnungstag das Blut eines Opfertieres sprengte.

Zeugnis vom Frieden mit Gott legt Paulus ab, der nicht auf der Durchsetzung des Rechtes Gottes gegen seine Feinde beruht, obwohl das genau Gott zusteht. Gott überschreitet sein Recht, indem er die gerecht spricht, als seine Hausgenossen, Kinder annimmt, die der Gemeinschaft mit ihm nicht entsprochen haben, die aber auf Jesus als ihren Mittler vor Gott vertrauen. Der Gemeinschaft mit Gott nicht entsprechen: die Geschichte vom Sündenfall macht exemplarisch klar, wie das geschieht: Gott gibt ein Gebot, der Mensch aber lässt sich zum Misstrauen gegen Gott verführen und übertritt das Gebot. Jesus hat die ausgelöst (Jes 43, 1), die aus Misstrauen oder Überheblichkeit die Gemeinschaft mit Gott verlassen haben. Das nicht mit Geld oder Gut, sondern durch die Hingabe seines Lebens. (Mk 10, 45; 1. Petrus 1, 18f) Frieden mit Gott beruht auf Versöhnung, auf Sühne; genau dieses Wort steht hinter „Versöhnung“. Frieden mit Gott beruht nicht auf einem Friedensschluss zwischen Gleichen in der Art, jeder gibt etwas nach, wir machen einen Kompromiss, sondern auf Gottes Sühneleistung. (2. Kor. 5, 19. 21) Das ist ein Wunder, das ist Gnade! Wie groß ist Gottes Liebe zu uns Menschen!

Jürgen Werth hat in dem Lied „Wie ein Fest nach langer Trauer“ das Wunder der Versöhnung - gedacht ist wohl an die zwischen Menschen - in ansprechenden Bildern beschrieben, durchaus passend auch für dieses von Gott geschenkte Wunder der Versöhnung mit ihm.

„Wie ein Fest nach langer Trauer,
wie ein Feuer in der Nacht.
Ein off'nes Tor in einer Mauer,
für die Sonne auf gemacht.
Wie ein Brief nach langem Schweigen,
wie ein unverhoffter Gruß.
Wie ein Blatt an toten Zweigen
ein-ich-mag-dich-trotzdem-Kuss.

So ist Versöhnung, so muss der wahre Friede sein.
So ist Versöhnung, so ist vergeben und verzeih'n.“ (Lebenslieder Nr. 132, Strophe 1)

Ja, Gott vergibt uns um Jesu willen, deshalb haben wir tiefen Frieden mit ihm. Deshalb leben wir nun in echter Verbindung mit ihm als seine Familie, seine Kinder. Die Tür ist weit geöffnet; wir haben durch Jesus Zugang zu Gott, der uns gnädig ist.

„Durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird.“

Während viele meinen, Zugang zu Gott sei eine Selbstverständlichkeit, ja fast so etwas wie ein Menschenrecht, weil wir Menschen doch irgendwie um Gott wissen, preist Paulus den Zugang zu Gott als durch Jesus geschenkte Gnade, die uns im Glauben an ihn geschenkt wird. Gott muss uns nicht gnädig sein! Er ist es aber für die, die durch Jesus zu ihm kommen. (Joh 10, 9f)

Zugang zu Gott; alle Religionen ringen darum. Paulus weiß, durch Jesus habe ich Zugang zu Gott, seiner Gnade, seinem Frieden, der Hoffnung, die von ihm kommt. Paulus redet mit Gewissheit! Das ist kein Stochern im Nebel, kein „vielleicht“, kein, wenn ich das und das erfüllt, getan, geleistet habe, dann habe ich Zugang zu Gott, Frieden mit ihm, erfahre seine Freundlichkeit und Gnade. Nein: durch Jesus haben wir gewiss Zugang im Glauben zu dieser Gnade. Wer hier strauchelt, versuche nicht, sich zu diesem Vertrauen zu überreden oder zwingen. Der bitte aber darum und gehe den Weg, den Jesus weist. (Joh 7, 17)

Martin Luther hat die Gewissheit des Glaubens so bezeugt: „Glaube ist eine lebendige, verwegene Zuversicht auf Gottes Gnade, so gewiss, dass er tausendmal dafür sterben würde. Und solche Zuversicht und Erkenntnis göttlicher Gnade macht fröhlich, trotzig und lustig gegen Gott und alle Kreaturen, das wirkt der Heilige Geist im Glauben!”

Zugang zu Gott; Paulus redet davon nicht nur mit Gewissheit, sondern sagt sogar: „rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird.“

Sich rühmen, das Wort hat eher einen negativen Klang. Sich rühmen erwächst oft aus dem Stolz auf eigene Leistung, aus dem Vergleich mit anderen, die nicht so gut abgeschnitten haben; mancher rühmt sich seiner Schandtaten, dass er jemand übers Ohr gehauen hat, reingelegt hat. Wer sich rühmt, kann „großkotzig“ sein. Schwingt bei Paulus religiöse Überheblichkeit mit? Warum benutzt Paulus das Wort „rühmen“, wenn er von der Hoffnung auf die versprochene, noch in der Zukunft liegende Herrlichkeit redet, die Gott geben wird?

Paulus Rühmen kommt daher, dass Christen im Gottesdienst Gott Loblieder singen, weil sie von großer Hoffnung erfüllt sind! Das starke Wort „rühmen“ kommt aus dem Lobpreis! Da wird Gott gerühmt, weil er uns seine Gnade schenkt, und uns mit Hoffnung erfüllt; das alles durch Jesus Christus. Im Lobpreis können wir etwas von der Gegenwart dessen erfahren, was uns von Gott versprochen ist. Paulus nennt das Herrlichkeit. Das bleibt sehr unanschaulich. Wir können den Himmel nicht auf die Erde ziehen, wir können den neuen Menschen nicht darstellen. Unser Vorgeschmack auf die Herrlichkeit beruht darin, dass wir im Vertrauen auf Jesus manchmal den Himmel offen sehen (Joh 1, 51) und das nicht nur in schönen Zeiten. (Mt 4, 11; Lk 22, 43)

Das ist doch die überraschende Wendung im Gedankengang unseres Abschnittes, dass Rühmen und Loben der Christen sich nicht nur entzündet am Frühlingswind der Hoffnung auf die versprochene Herrlichkeit, sondern gerade auch in der Bedrängnis, der Trübsal, dem Leid aufbricht. Mit den Kräften am Ende sein, niedergeschlagen, traurig; keinen Weg in die Zukunft sehen, ständig gegen Mauern laufen, im Morast versinken; kein Licht am Ende des Tunnels sehen, jeden Tag neue Dunkelheit und in der Nacht aufreibende Sorgen; krank sein an Seele und Leib, keine Hilfe, sondern Abweisung und Bosheit erfahren, dem Tode ausgeliefert; wer kann sich dessen rühmen, wer kann Gott darüber rühmen und loben??? (vgl. Klagelieder Kap. 3; 2. Kor 4, 8-12; Jes 50, 10; Ps 69, 21; Ps 142,5)

Paulus schreibt: „Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung.“

Wie geht das, sich „der Bedrängnisse rühmen“? Ist Christsein eine Droge, die die Wirklichkeit vernebelt? Haben Christen einen Selbstbestrafungskomplex, so dass sie sich an Qualen freuen? Kommt das daher, dass Jesus gesagt hat, man müsse in seiner Nachfolge sein Kreuz auf sich nehmen? (Mt 8, 34) Und sagt Paulus nicht in Römer 8 (V. 17), dass Kinder Gottes durch Leiden zur Herrlichkeit geführt werden? Sind Bedrängnisse und Leid also etwas Gutes in unserem Leben, dessen wir uns rühmen müssen? Sind Nöte, sind Anfechtungen damit gerechtfertigt, dass sie uns etwas lehren?

Nein, so verstehe ich Paulus nicht! Leid und Not gehört zum „alten“ Zustand dieser Welt und haben keinen Bestand für die kommende Welt Gottes. Aber damit, dass wir zu Christus gehören, sind sie für uns noch nicht Vergangenheit. Wir leben im Aufbruch, wir leben im Übergang, aber noch nicht in Gottes neuer Welt. Durch den Glauben wohnt Christus in uns, aber Bedrängnisse, Leid, Anfechtung rütteln manchmal so an uns, dass wir zerbrechen und scheitern können. Unser Weg in der Spur Jesu führt in einen Kampf, den wir nur bestehen, wenn wir ihm vertrauen und auf ihn hören. Wer Christ ist, um ein schönes, sinnerfülltes Leben zu haben, wird wahrscheinlich nicht lang Christ sein. Wir bleiben als Christen nicht verschont vom alten Zustand dieser Welt, ja wir sehen das alte Wesen immer wieder an uns selbst. Wir kommen in Bedrängnisse, und sei es auch nur, dass wir über unsere eigenen Füße stolpern, an unseren eigenen frommen, idealistischen Zielen scheitern. Wer dann in der Spur von Jesus bleibt, wer geduldig ihm nachgeht und den Kampf nicht meidet, die Not nicht schnell abschüttelt, indem er gottlose Lösungen anstrebt (Mt 7, 21-23), der erfährt: Bedrängnis führt zu Geduld, in der Geduld geschieht ein Durchhalten, wer aber durchhält, dem geht neu das Licht der Hoffnung auf. Deshalb kann Paulus sagen: „Unsere Hoffnung aber wird uns nicht enttäuschen. Denn dass Gott uns liebt, ist uns unumstößlich gewiss. Seine Liebe ist ja in unsere Herzen ausgegossen durch den Heiligen Geist, den er uns geschenkt hat.“ Wer den Weg durchs Leiden gegangen ist, ist fest geworden im Vertrauen auf Gottes Liebe. Sie ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist. Paulus beschreibt eine geistliche Erfahrung; Gott verspricht uns nicht nur in seinem Wort, dass er uns liebt, sondern erfüllt uns manchmal tief mit der Gewissheit seiner Liebe.

Sich der Bedrängnisse rühmen? Wer neu zur Hoffnung durchgedrungen ist im Leid, der lobt Gott und bezeugt in der Gemeinde, dass Gott es gut meint. Der hat einen Blick durch den Horizont getan in die kommende Herrlichkeit Gottes.

Axel Kühner erzählt folgende Geschichte:

Mit Tränen in den Augen zimmert der Missionar den kleinen Sarg für seinen gestorbenen Jungen. Drei kleine Kinder ließen die Missionarsleute in ihrer Heimat. Zu ihrer Freude wurde ihnen vor einem Jahr das vierte Kind hier im Papuadorf in Neuguinea geboren. Wie hatten die Eingeborenen das kleine, weiße Menschenkind bestaunt. Wie hatten sie gelacht, wenn der kleine Junge seine Händchen nach ihnen ausstreckte. Nun lag der kleine Sonnenschein kalt und tot da, und der Vater zimmerte den Sarg. Von ferne standen die Dorfbewohner. Einige wagten sich in die Nähe des Missionars. Einer sagte: „Dein Sohn ist tot, werdet ihr nun fortgehen?” „Nein”, erwiderte der Missionar, „wir bleiben hier.” Nachdenklich schaute der Mann dem Missionar zu. Dann begann er wieder: „Aber ihr werdet auch einmal sterben, was machen dann eure Kinder?” „Da haben wir keine Sorge, die sind in Gottes Hand.” „Missionar”, sagte der Eingeborene, „was seid ihr Jesusleute doch für Menschen. Ihr fürchtet den Tod nicht, und ihr könnt durch den Horizont sehen!” „Ja”, sagte der Missionar, „wir können durch den Horizont sehen!” Und wie er so spricht, fällt ihm ein, dass es in der Papuasprache kein Wort für Hoffnung gibt. Das war ein gutes Wort für Hoffnung. Hoffnung haben heißt durch den Horizont sehen. Dorthin sehen, wo Jesus ist - die Hoffnung für die ganze Welt. (Axel Kühner, Überlebensgeschichten, 202)

Amen

 

 

Nachbemerkung:

Hilfreich zur Vorbereitung der Predigt sind die Predigtmeditation von W. Schrage in: Falkenroth/ Held, „hören und fragen“, Neukirchen-Vluyn, 1979, S. 119ff

und die Predigt von D. Bonhoeffer in „Predigten-Auslegungen-Meditationen“, 1925-1945 Bd. 2, München 1985, S. 97ff.

 



Pfarrer Winfried Klotz
Bad König
E-Mail: wkl-bad.koenig@t-online.de

(zurück zum Seitenanfang)