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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Sonntag im Advent, 16.12.2007

Predigt zu Offenbarung 3:1-6, verfasst von Jan Greso

Die sieben Sendschreiben an die Gemeinden in Kleinasien in dem zweiten und dritten Kapitel der Offenbarung - das ist ein wichtiger Teil des ganzen Buches. Im Rahmen des ganzen Buches müssen wir diesen Abschnitt lesen und verstehen. Der Brief ist „dem Engel der Gemeinde in Sardes" gesandt. Es ist zwar schwer zu entscheiden, wer mit dem „Engel" gemeint ist, ob der Bischof der Gemeinde oder ihr Schutzengel. Aber trotzdem ist es klar, dass der Inhalt des Schreibens eindeutig an die Gemeinde und an den (oder die) Leiter der Gemeinde gerichtet ist.

Am Ende dieses und aller anderen Sendschreiben liest man die Worte: „Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!" Die Mehrzahl „den Gemeinden" ist ein wenig überraschend, aber in Wirklichkeit hat sie einen guten Sinn. Die einzelnen Gemeinden sollen nicht nur das lesen, was ihnen geschrieben ist, sondern können und sollen auch aus den Botschaften lernen, die den anderen Gemeinden gesagt worden sind. Von der allgemeinen Geltung einer speziellen Botschaft sprechen zum Beispiel auch die Worte in dem Brief an die Kolossäer (Kol 4,16): „Und wenn der Brief bei euch gelesen ist, so sorgt dafür, dass er auch in der Gemeinde von Laodizea gelesen wird und dass ihr auch den von Laodizea lest." Daraus folgt auch für uns heute eine wichtige Schlussfolgerung: Die sieben Sendschreiben enthalten auch für uns eine Belehrung, Warnung, Aufruf. Um diese für uns aktuelle Analyse, Belehrung, Warnung, Aufruf geht es uns jetzt.

Von wem kommt diese Botschaft? Von dem, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne. Ohne eine eindeutige Deutung dieser Ausdrücke erreichen zu wollen kann man sagen, dass damit die Hoheitsstellung des Absenders ausgedrückt ist. Damit ist von Anfang an gesagt, dass das, was folgt, der Gemeinde nicht gleichgültig sein darf. Schon diese ersten Worte wollen der Gemeinde - der damaligen in Sardes und der unseren - sagen, dass sie nicht für sich selbst da ist. Von der Gemeinde gilt, was Paulus im Römerbrief (14,7f) geschrieben hat: „Denn unser keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber. Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn." Die Gemeinde könnte zwar sagen: Ist das nicht meine private Angelegenheit, wie ich lebe? Warum sollte ich die kritische Stimme eines Propheten hören? - Genauso haben sich auch die Menschen des Alten Testaments den Propheten gegenüber verhalten. Aber schon durch die Hoheitsstellung des Absenders und durch die gerade zitierten Worte des Apostels sollte diese abweisende Stellung ausgeschlossen sein.

Die Gemeinde in Sardes befindet sich in einer gefährlichen Situation. Die Gefährdung ist besonders schlimm, weil sie nicht von außen, sondern von innen kommt. Äußerlich gesehen ist das Leben der Gemeinde in der besten Ordnung gewesen. „Du hast den Namen, dass du lebst." So dachten wohl die Mitglieder und die Leiter der Gemeinde. So dachten wohl auch die, die die Gemeinde von außen gesehen haben. Vielleicht sprach man in anderen Gemeinden von derjenigen in Sardes als von einer musterhaften Gemeinde. Gewiss sind das die Merkmale gewesen, die wir auch heute als gut sehbare und beeindruckende Erscheinungen betrachten. Ein biblisches Beispiel können wir im Buch Jesaja Kapitel 1,10 ff studieren, wo die Festversammlungen und Ähnliches in einem scharf abwertenden Sinne kritisiert sind. Die Leute, die dort beschrieben sind, hatten gewiss „den Namen, dass sie leben". Den Eindruck zu haben, dass unser Leben sich auf einem hohen Niveau bewegt  - das ist immer verdächtig und gefährlich.

Wenn das wahr wäre, dass die Gemeinde wirklich lebt, dann bliebe es nichts anderes als Gott dafür zu danken und in einem solchem Leben weiter zu wachsen. Aber wenn die Gemeinde zuviel daran denkt, dass sie lebt, und zuviel davon spricht, wird sie gefährlich ähnlich dem Pharisäer, der sich anmaßte, fromm zu sein, und verachtete die andern (Lk 18,9). Die Gemeinde in Sardes ist wirklich in diese schlimme Selbsttäuschung geraten: „Du hast den Namen, dass du lebst, und bist tot." So schrecklich kann eine Selbsttäuschung werden! Die höchste Meinung von sich haben und in Wahrheit tot sein. Eine Gelegenheit zur ehrlichen Selbstprüfung für uns als Einzelne, für uns als Gemeinde. Alle sieben Briefe können uns dabei eine gute Hilfe leisten.

Was ist der Inhalt dessen, dass die Gemeinde, die den Namen hat, dass sie lebt, in Wirklichkeit tot ist? Zwei Sachen können wir unserem Text entnehmen. „Ich habe deine Werke nicht als vollkommen befunden vor meinem Gott." Obwohl die Gemeinde ein schönes Image in der Öffentlichkeit und ein schönes Bild von sich selbst hat, fehlt ihr etwas Wesentliches. Die zu wenig beachtete Sünde besteht im Nichttun dessen, was wir tun sollen. Das betont Jesus in seiner Rede vom letzten Gericht (Mt 25,31-46) und genauso in seiner Abweisung der religiösen Virtuosen (Mt 7,21-23). Im Jakobusbrief (1,26-27) erfahren wir, was ein nichtiger und was ein reiner Gottesdienst ist. „Ein reiner und unbefleckter Gottesdienst vor Gott, dem Vater, ist der: die Waisen und Witwen in ihrer Trübsal besuchen und sich selbst von der Welt unbefleckt halten." Die selbstprüfende Frage für uns als Einzelne und als Gemeinde: Was ist das Wesentliche, das in meinem, das in unserem Leben fehlt - trotz der schönen äusseren Erscheinung?

Im Sendschreiben an die Gemeinde in Sardes wird indirekt noch eine andere Sünde erwähnt. „Aber du hast einige in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben." Das heißt, dass es dort Viele gab, die ihre Kleider besudelt, beschmutzt haben. Da hier keine falschen Lehren genannt sind, können wir vermuten, dass es um die Befleckung in ethischer Hinsicht geht. Auch anderenorts werden die Christen davor gewarnt. So zum Beispiel in den zitierten Worten aus dem Jakobusbrief, dass ein reiner Gottesdienst auch darin besteht, sich selbst von der Welt unbefleckt halten. Konkrete Beispiele der Befleckung finden wir leicht, wenn wir kritisch unsere Umgebung und uns selbst beobachten. Nur zu leicht angewöhnt man sich an verschiedene Arten der Befleckung, zuerst mit ein wenig Gewissensbissen, die dann aber schwächer und schwächer werden, und dann kommt die Zeit, wenn man eine solche befleckende Lebensweise als normal zu betrachten beginnt. Darum ist auch hier der Aufruf sehr aktuell: Werde wach! Die Frage an uns persönlich und an unsere Gemeinde: Habe ich mich nicht, haben wir uns nicht daran angewöhnt, was unethisch, schlimm, sündhaft ist?

Zum Erwachen, zum klaren Erkennen der eigenen Situation wird hier die Gemeinde aufgerufen. Das Erkennen und Anerkennen der Wahrheit ist der erste Schritt zu einem neuen Anfang. Der Gemeinde zu einem neuen Anfang zu verhelfen - das ist das Ziel dieses Schreibens. Ohne die volle Wahrheit von sich selbst zu erkennen, sind die Busse und der neue Anfang nicht möglich. Obwohl von der Gemeinde gesagt ist, dass sie tot ist, gibt es in ihr trotzdem etwas worauf sie bauen kann. Trotz allem Verfall ist in ihr etwas Gutes, Positives geblieben. Das soll die Gemeinde zur Kenntnis nehmen und darauf weiterbauen. Im Leben der Gemeinde gab es Zeiten, in denen ihr geistiges und ethisches Niveau wesentlich höher stand, als es jetzt der Fall ist. Darauf zielen wohl die Worte: „So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast." Am Anfang, als die Gemeinde das Evangelium zum ersten Mal gehört und empfangen hatte, waren ihre „Werke vollkommener", das heißt, dass die Gemeinde ihr ganzes Leben in aller Hinsichten -- der geistigen, der ethischen, der diakonischen und anderen -- viel tatkräftiger durch das Evangelium gestalten ließ. Es kann sein, dass die Gemeinde sich daran erinnert und daraus ihren Stolz schöpft. Aber der Sinn der schönen Vergangenheit hat einen ganz anderen Sinn: Das Schöne, das der Gemeinde in der Vergangenheit geschenkt worden ist, ist verbindlich, die Erinnerungen daran sind verbindlich. Diese Erinnerungen sind dazu da, damit die Gemeinde und alle Einzelnen in ihr daran anknüpfen und dann weiterbauen, weiterbilden können. Alles Schöne und Grosse, das wir in der Geschichte der Gemeinde, der Kirche, und auch in unserer persönlichen Geschichte haben, ist verbindlich für uns. Die Busse heißt: zurück zu dem Schönen, was uns unser Gott schon geschenkt hat..

Aber auch in der Gegenwart gibt es etwas, woran die Gemeinde anknüpfen kann. Das sind „einige in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben". Die sind ein geringer Rest, den der HERR Zebaoth der Gemeinde übrig gelassen hat (vgl. Jes 1,9). Dieser „Rest" ist verantwortlich, für diesen Rest sind die Leiter der Gemeinde verantwortlich, um durch ihn der Gemeinde zum neuen Leben zu verhelfen. Das Gute in der Vergangenheit und das Gute in der Gegenwart - das sind die Keime des neuen Lebens, die auch inmitten des Todes übrig geblieben sind.

Der Herr, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben worden ist, will der Gemeinde helfen, falls sie sich zum Erwachen, zur Busse, zu einer neuen Gestaltung ihres Lebens bewegen lässt. Das ist die große Perspektive, die große Chance, die der Gemeinde und allen Einzelnen in ihr angeboten sind. Das Ziel dieses angebotenen Weges ist herrlich: „Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln."

Und was geschieht dann, wenn sich die Gemeinde dazu nicht bewegen lässt? Die Gemeinde bekommt eine klare Antwort auch auf diese Frage: „Wenn du aber nicht wachen wirst, werde ich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde." Der Herr wird kommen - darin kann ihn keine Macht hindern. Er wird kommen, entweder als Heiland und Freund oder aber als Richter. Das Wort Gottes sagt uns klar, was das Eine und was das Andere für uns bedeutet. Nach diesem Sendschreiben kann niemand sagen, dass er nicht informiert ist, kann niemand sagen, dass ihm die neue Chance nicht gegeben worden ist. Uns allen ist diese Chance gegeben, und auch die nötige Information und Hilfe. Wir haben und wissen alles, was wir zu einer richtigen Entscheidung brauchen. Sich entscheiden - dass muss jede Gemeinde, jeder Einzelne selbst tun. Amen.



Dr. Jan Greso

E-Mail: greso@fevth.uniba.sk

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