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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Sonntag im Advent, 16.12.2007

Predigt zu Lukas 1:67-80, verfasst von Peter Skov-Jakobsen

Es geht wirklich darum, dass wir wagen, die Hoffnung hier in der Welt ein Stück weiter zu tragen!

             Es geht nicht darum, die Wirklichkeit zu verbergen. Es geht nicht darum, sie zum Verblassen zu bringen. Es geht nicht darum, Idyll zu schaffen. Es geht erst recht nicht darum, Konflikte zu leugnen. Die Welt ist der Ort, an dem Gegensätze aufeinanderprallen.

             "Das aufgehende Licht aus der Höhe hat uns besucht, damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens." So sang der alte Zacharias. Er sang von der Hoffnung! Er sang von dem, was Sinn hatte, obgleich die Umstände ihm vielleicht keinen Anlass dazu gaben. Er sang von dem, was die Sehnsucht des Volkes war!

             Was wir Wirklichkeit nennen, das ist so vielerlei. Wenn wir auf das vergangene Jahr zurückblicken, dann wissen wir, dass es manche Schrecken mit sich brachte.

             Wir bekommen täglich Berichte von Kriegsschauplätzen in der Welt. Wir sind ununterbrochen mit der Tatsache konfrontiert, dass der Krieg furchtbare Seiten im Menschen öffnet. Wir erkennen, dass der Hass das Schlimmste in uns ans Licht bringt.

             Wir sind wie gelähmt von der Furcht vor dem Terror, der nur Schrecken verbreitet. Wir bemerken auch die grimmigen Seiten in uns selbst. Wir sind fast täglich erschüttert über Naturkatastrophen nah und fern! Die Welt ist uns mit allen ihren Problemen ganz nahe gerückt.

             Unser Leben spielt sich wirklich ab zwischen dem ganz Nahen, nämlich wie soll ich nur alles noch vor Weihnachten schaffen, und bis hin zu Verhandlungen in der EU, die zu scheitern drohen. Auf der einen Seite türmt sich das politische Leben mit all seinen schweren Entscheidungen und Beschlüssen vor uns auf. Wir erinnern uns gegenseitig daran, dass wir die hervorragendsten Bürger wählen, damit sie uns bei den Entscheidungen vertreten - und wir sind froh, in einer offenen, durchschaubaren und nahen Demokratie zu leben. Auf der andern Seite wagen wir fast nicht, die Zeitung aufzuschlagen, denn eine Parlamentswahl z.B. lehrt uns, dass es nicht immer die edelsten Motive sind, die Menschen zum Handeln bewegen. Manchmal muss man sich nur selbst sagen, dass es keinen Grund gibt, das Dasein ernster zu nehmen, als seine Akteure es tun! Wo Verzweiflung mit einem Lachen vertrieben werden kann, soll man das Lachen wohl kaum unterdrücken. Aber mitten in all dem, was wir Dasein, Welt, Leben nennen, haben wir ein Verlangen danach, dass es eine Hoffnung gibt. Wir verlangen danach, dass wir merken können, dass es hier in der Welt Erwartungen, Sehnsüchte für die Zunkunft gibt.

             Das Dasein bietet uns eine bunte Palette an, die uns oft perplex, vielleicht sogar völlig machtlos dastehen lässt. Wir haben nicht mehr die Kraft, einen Gedanken zu fassen oder einem Wort Nachdruck zu verleihen. Alles scheint sich uns zu verwischen, zu verblassen, einerlei zu sein.

             Machtlosigkeit ist gewiss die größte Versuchung des modernen Menschen. Wir vermögen fast nicht mehr, uns eine Meinung zu bilden oder einen Protest zu formulieren. Wir sitzen nur da und meckern und versuchen, mit Verdrießlichkeit die andern auf unsere schlechte Stimmung aufmerksam zu machen.

             Zuweilen meinen wir wohl, wir seien die ersten, die in einer so komplexen Situation waren. Daran glaube ich aber nicht. In Wirklichkeit sind wir wohl sehr privilegiert. Wir haben Möglichkeiten, die frühere Generationen nicht hatten. Wir können uns zu Wort melden - sie wurden nicht immer gefragt. Zacharias singt von der Zukunft, singt von dem Gott, der sein Volk erlöst hat. Er träumt von der Welt, die kommen wird. Er ist getragen von der Hoffnung - aber die Hoffnung verwandelt sich auch in eine Utopie. Wo sind unsere Zukunftserwartungen, dürfen wir uns in dieser Woche wohl selbst fragen? Wie gern wüssten wir, wohin sich die Welt bewegt. Was ist in einer modernen demokratischen Gesellschaft notwendig? Welche Hoffnungen haben wir, und welche hohen Erwartungen richten uns auf die Zukunft aus?

             Ich finde nun, dass der Inhalt der alten Geschichten immer noch lebt: für mich ist der wesentlichste Inhalt, dass Gott ganz nahe zu uns kommt.

             In einer Welt, in der die Macht oft hart gehandhabt wird - in einer Welt, in der Menschen oft ihrer Wut und ihrem Wahnsinn freien Lauf lassen - in einer Welt, in der die Lächerlichkeit nicht selten von sich reden macht - in einer Welt, in der Menschen in die Knie gezwungen werden von Naturkatastrophen und politischen Wahnsinnstätern - in einer Welt, in der Irrtümer leicht vorkommen - in dieser Welt kommt Gott zum Vorschein, ist Gott gegenwärtig, ist Gott auf menschliche Weise zu hören.

             Jesus offenbart sich nicht mit großen politischen Reden. Er hinterlässt keinen Theoriekomplex. Er hinterlässt sich selbst. Er tauchte mitten in den Problemen der Welt auf. Er sprach so, dass es seitdem niemals hat in Vergessenheit geraten können. Mit unserem Verstand und Gefühl sind wir auf der Jagt nach dem, was es wohl gewesen ist, das sich in der Seele der Menschen regte, wenn sie ihn hörten, ihn sahen und seine Gegenwart spürten.

             Seine Macht ist völlig anders als die Macht, nach der wir normalerweise unser Leben einrichten. Nicht einmal andeutungsweise ist etwas von einem Cäsar an ihm.

             Er verteidigte sich nie mit Waffen. Deshalb war es auch ein grotesker Anblick, als sie ihn verhafteten. Sie kamen mit bewaffneten Wachen. Genauso grotesk war es, als sie das Los um seine Habseligkeiten warfen. Da gab es ja nichts, worum man sich hätte streiten können.

             Wenn wir noch immer die Geschichten über ihn anhören, hat das gewiss seinen Grund darin, dass wir ahnen, dass er dem Menschen überallhin folgte. Er war nicht einfach nur Sieger, nicht bloß ein Intellektueller, nicht bloß Künstler. Er offenbarte für uns, dass Gott der Menschheit folgt, wo wir sind. Gott taucht nicht einfach in großen Zusammenhängen oder in gut formulierten Sätzen oder in schön klingender Musik auf.

             Christus taucht als eine Hoffnung mitten im Leben auf. Wie er immer den Menschen sieht, immer weiß, wo ein Mensch ist - genauso lässt er seine Gläubigen wissen, was Mitmenchlichkeit ist. Er lässt uns vom Dasein träumen, aber wir träumen uns nicht aus der Welt hinaus.

             Christus kommt immer zu uns als jemand, der auch uns lehren will, dass es etwas gibt, was wir nicht sehen, etwas, für das wir kein Empfinden haben. Er kommt nicht mit Angst und Verdammnis. Er kommt mit einer Hoffnung, dass die Bilder des Reiches Gottes in der Welt sichtbar sind. Er kommt mit der Hoffnung, dass die Liebe die eigentliche Macht ist.

             Mit seinem eigenen Leben zeigte er, dass die Liebe zerbrechlich, verletzlich ist. Sie macht den Menschen nicht hart und verständnislos, sondern gegenwärtig und empfindend.

             Christus kommt mit einer Utopie von der Welt als dem Ort, der das Reich Gottes widerspiegelt - wo Gott zur Sehnsucht aller wird. Aber so unendlich viele sind mit Utopien gekommen. Wir haben das im 20. Jahrhundert so oft erlebt, und es hat ganz den Anschein, als seien noch einige von der Art für das 21. Jahrhundert und für uns aufgehoben. Aber die Träume von Gerechtigkeit, von der Diktatur des Proletariats, vom Tausendjährigen Reich - die Träume enthielten die Verdammnis vieler Menschen und bedeuteten für viele Menschen das Ende.

             Wenn Jesus träumt und uns überzeugt von der Hoffnung überzeugt, die in die Welt getragen werden wird, dann ist das eine völlig andre Sehnsucht. Es ist die Sehnsucht nach Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit - aber alles ist verbunden mit einer Achtung für den Mitmenschen und die gesamte Schöpfung. Er kommt nicht mit den eingebildeten Träumen von Menschen; er kommt mit Gottes Befreiung, die zu gegenseitiger Achtung unter den Menschen führt, und es wird Hoffnung geschaffen, die uns träumen lässt von Tagen ohne Krieg, von Licht in der Finsternis, vom Schwert, das zum Pflug geschmiedet wird, von dem, was verblasst und zu Liebe wird. Mit diesen Erzählungen müssen wir aufeinander einwirken. Sie färben ab auf unser Leben. Sie erhöhen unsere Gedanken und schaffen Leben - hier mitten in der Welt. Amen



Pastor Peter Skov-Jakobsen
Dänemark
E-Mail: pesj(a)km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmei


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