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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Heiliges Christfest I, 25.12.2007

Predigt zu Galater 4:4-7, verfasst von Dieter Koch

Gott sandte seinen Sohn, damit ihr Söhne Gottes seid."(Heinrich Schlier)

Liebe Gemeinde, in diesem knappen Satz fasst sich das ganze Geheimnis der Weihnacht. Dazu ist Christus uns geboren und dazu ist Er, Gottes Sohn, für uns gestorben, damit wir Töchter und Söhne Gottes sein können. Im Krippenkind begegnet uns der Zauber des Neugeborenen. Mit dem Krippenkind tauchen wir ein in die Verheißung des Neubeginns und doch ist dieses Kind zugleich König, ja Heiland der Welt, ist dieses Kind der eine, ewige Sohn Gottes, damit wir Söhne und Töchter Gottes werden, freie Menschen, Bürger einer neuen Welt und Bürgen des wahren Lebens.

Gott sandte seinen Sohn, damit wir Söhne Gottes sind. Paulus braucht keinen weihnachtlichen Glanz. Er redet nicht von Engeln und den Hirten auf dem Felde. Es gibt keinen Stern und keine Jungfrauengeburt. Und doch ist alles da, was Weihnachten zum großen Fest macht. Die Wahrheit unserer Sohnschaft, unserer ewigen Gotteskindschaft ist da - dank dem, der für uns geboren, für uns gestorben ist, dank dem, der für uns den Fluch des Gesetzes getragen hat, damit wir in Freiheit leben können, aus nichts als der einen Freiheit aus Glauben zur Liebe. Das ist evangelische Behauptung, das ist die große Botschaft, die wir heute feiern. Das ist Grund zum Leben und jeder Bewahrheitung mächtig. Mit dem Weihnachtsfest treten wir in den Grund ein, der uns trägt -  das Geschenk Jesu Christi. Mit dem Weihnachtsfest treten unsere Herzen in ihre Wahrheit ein, und singen unsere Lippen das große Freudenlied. Gott ist uns nahe gekommen. „Gott hat sein letztes, sein tiefstes, sein schönstes Wort im fleischgewordenen Wort in die Welt hineingesagt. Und dieses Wort heißt: Ich liebe dich, du Welt und du Mensch."(Karl Rahner).

Spüren wir noch den machtvollen Aufbruch, der mit ihm dem Meister aus Nazareth in die Welt gekommen ist? Sind wir seiner Botschaft, dem Evangelium noch würdig? Wo ist sie geblieben die Freiheit, die Gotteskindschaft? Was ist aus dem Wunder der Auslösung aus den Mächten der Sklaverei geworden, die uns zu freien Menschen machte? Leben wir noch aus der Erkenntnis Jesu, dass wir uns niemandem verdanken als allein dem ewigen Gott, der uns  geadelt hat, der uns  mit Gnade gekrönt hat, der uns  das Wunder des Lebens hat schauen lassen, die Freiheit aus Glauben zur Liebe?

Heute treten wir mit dem Weihnachtsfest neu in diese Wahrheit ein, in das eigentliche Wunder, das Wunder der Freiheit. Paulus formuliert es mit dem Sohnesgedanken. Er spricht die Sprache des antiken Adoptionsrechts. Wer zum Sohn erklärt wird, der tritt in die volle Rechtsbefugnis ein, der gilt als mündig und der Mündigkeit würdig. Er ist nicht länger gehorsam, er ist vollverantwortlich. Er ist nicht länger Sklave oder Unmündiger. Er ist er selbst - dank Gott, der sich für ihn erklärt hat in Jesus Christus, seinem Sohn.

Gott sandte seinen Sohn, damit ihr Söhne Gottes seid. Weil ihr aber Söhne Gottes seid, sandte er auch seines Sohnes Geist."(Heinrich Schlier) Der ewigen über uns aufgerichteten Wahrheit entspricht die aufbrechende Erfahrung dieser Wahrheit. Weil wir immer wieder an das Wunder der Freiheit rühren, weil wir neu und immer neu vom Wunder der Liebe angerührt sind, erhellt das weihnachtliche Wort unser Leben. Wir erweisen Gottes Wahrheit nicht, aber sie erweist sich in unserem Leben. Sie erweist sich im Geschmack des Friedens und sie erweist sich im Schrei -  im Schrei des Lebens, im Schrei des Lebens nach Glück, nach Heimat, nach Bergung. Es ist ein Schrei, der immer neu uns gegen die engen Mauern des uns aufgezwungenen Lebens anschreien lässt, bis sich der Raum öffnet und Weite einkehrt, Jubel, Freude, das Glück, frei zu sein, frei in Gott, frei zur Liebe, die uns trägt, dank ihm, der die Liebe ist. Es ist Gottes Schrei, der seine eigene Erfüllung in sich trägt, denn  im Schrei des Geistes ruft Er in uns: Abba, lieber Vater. Und wo unser Ruf, unser Wort, unser Sinn bricht, da ist er noch immer da - der Schrei des Geistes Gottes: Abba, lieber Vater. In diesem nicht endenden Ruf, der aus der Tiefe unseres Menschseins erklingt, erweist sich Gott. Er ist der eine himmlische Vater, dank dessen wir leben, lieben, vertrauen und uns verschenken dürfen. Er ist der Eine, der uns heraussetzt aus allen irdischen Mächten, der Eine dank dem wir frei sein dürfen, frei im Jubel des Herzens, frei inmitten der Schicksalsfäden, frei inmitten von bleibender Angst, Sorge und Pein des Lebens. Wir sind frei - zu lieben und zu beten, mehr und immer mehr, mehr und immer tiefer, mehr und immer gottbewußter, mehr und immer glücklicher darin, dass es Ihn gibt, Gott, den himmlischen Vater, der uns seinen Sohn gesandt hat, damit wir in ihm Söhne und Töchter Gottes werden. Denn in ihm sind wir schon Söhne Gottes, Menschen, die Königen gleich frei sind, die Bürger einer neuen Welt und Bürgen des Lebens sein dürfen.

Und doch muss man dazu, um ganz und gar als Sohn Gottes zu leben, um diese ewige Wahrheit tatvoll zu ergreifen, nicht doch an den Anfang zurück? Bedarf es nicht des Zutrauens in den heute und jetzt möglichen Neubeginn? Bedürfen wir nicht der Einkehr in die wohltuende Sicht, dass der heutige Tag nicht einfach nur der erste Tag vom Rest deines Lebens ist, sondern der erste Tag deines neuen Lebens? Beginnt nicht Weihnachten dort, wo wir mit dem Neugeborenen zu Bethlehem den ersten großen, neuen Atemzug tun, indem wir den Atem, den Geist Gottes durch uns strömen lassen, spüren und sagen: Ich bin frei, ich bin geliebt, ich bin Gottes Kind - zum Sohn und Erben des Lebens berufen? Ja ich bin es und vor mir liegt ein neues Leben, egal ob ich nun gerade dem pubertären Wahn entkommen bin oder schon die Unausweichlichkeit des Alters spüre, egal ob ich noch zu wähnen meine, die ganze Welt wartete nur auf mich oder ob ich schon in die Weisheit der Jahre eingekehrt bin, die da lehrt, dass nichts es wert ist, dass es festgehalten werde - solange nur ich mich von Gott gehalten wissen darf.

Angesichts der weihnachtlichen Botschaft, angesichts der Wahrheit unserer Gotteskindschaft verblassen die Ordnungen und Zuordnungen dieser Welt: Hier ist nicht länger Jude noch Grieche, hier ist nicht länger Mann noch Frau, nicht länger Herr oder Sklave, denn ihr seid Einer in Jesus Christus unserem Herrn, sagt Paulus wenige Worte zuvor, und meint damit doch: Ihr seid ganz ihr selbst, und zugleich ganz aufeinander bezogen. Ihr seid frei in Gott und einander in Liebe aufgetan. Ihr seid ihm gleich, der euch sich gleichgemacht hat, ihm, dem ewigen Sohn Gottes, der frei in Gott sich zum Geschenk gemacht hat, der die Liebe wahr gemacht hat, und uns so des Lichtes Kinder werden lässt, der uns das Beten neu geschenkt hat und uns so zu Betern berufen hat. Wenn wir im Geist leben, so lasst uns auch im Geist wandeln, sagt Paulus  später in diesem Brief und meint damit: Laßt uns in Jesu Geist leben, der sich in die Welt verströmte und dessen Geist, Gottes guter Geist aus uns ströme in die Welt - für eine bessere Welt, in der Kinder noch Kinder sein dürfen.

Sohnschaft und Kindschaft gehören einander. Im Sohn tritt uns der freie, mündige Mensch entgegen, im Kind der Zauber des Anfangs und die tiefe, tiefe Abhängigkeit. Der Sohn erinnert sich all der Zuwendung, die er brauchte, um leben zu können, leben zu lernen. Das Kind trägt in sich die noch unbewusste Erinnerung an Gott, den Grund allen Lebens. Der Sohn ist frei und bleibt doch Kind, ja er ist nur frei, wo er das Kind in sich lebendig weiß, wo er  hungrig nach Leben, abhängig von Liebe, neugierig und offen bleibt, bleiben will. Im Kind ruft uns der Zauber des Neubeginns - ein Geheimnis liegt darin, dem man nie entwachsen mag. Und wer es nicht mehr spürt, der ist auch nicht länger Sohn oder Tochter Gottes, sondern eines dieser unnützen, zynischen Exemplare der Gattung Mensch, die erfolgreich sein mögen und machthungrig, an Geld verloren oder einfach nur leer, erschreckend leer, während der Sohn, der noch immer Kind ist, Gotteskind, in einem Zutrauen lebt, das aus Vertrauen schöpft, in seinem Mut zum Dasein aus Quellen lebt, die diese Welt nicht kennt und der Wahrheit Raum gibt, die allein uns aus dem Staub des Schicksals erhebt - die Wahrheit der einen, ewigen Liebe Gottes. Weihnachten heißt: Gott hat sein letztes, sein tiefstes, sein schönstes Wort im fleischgewordenen Wort in die Welt hineingesagt. Und dieses Wort heißt: Ich liebe dich, du Welt und du Mensch. Ja, zündet die Kerzen an! Sie haben mehr recht als alle Finsternis. Denn Gott sandte seinen Sohn, damit ihr Söhne Gottes seid!



Pfarrer Dr. Dieter Koch

E-Mail: dieter-k-koch@web.de

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