Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Trinitatis, 22.05.2016

„Und siehe ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende“.
Predigt zu Matthäus 28:16-20 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Anders Kjærsig

Der Text für diesen Sonntag befindet sich im Kirchenjahr zwischen der zusammenhängenden Erzählung von der Geburt Jesu, seinem Tod und seiner Auferstehung, der Himmelfahrt und der Ausgießung des Heiligen Geistes einerseits – und andererseits dem Beginn der Trinitatiszeit. Eine Zeit, die im Gegensatz zur Periode von Weihnachten, Ostern und Pfingsten Ausdruck für die ruhige und weniger dramatische Periode im Kirchenjahr ist und sich bis zum Advent erstreckt.

Die Erzählung im Matthäusevangelium trägt die Überschrift: Der Missionsbefehl. Der Titel ist gut gewählt, denn der Text handelt ja gerade davon, dass Jesus seinen Jüngern den Auftrag gibt, alle Völker durch Taufe und Lehre zu Christen zu machen.

Aber auch wenn es im Text um Mission und Missionsbefehl geht, ist nicht die Mission an sich das Zentrale, sondern vielmehr die Hoffnung und das Vertrauen, die die Voraussetzung sind, die hinter der Mission steht. Eine Hoffnung und ein Vertrauen, die in den Herzen der Jünger verankert sind und den abschließenden Worten des Evangeliums entspringen:

Und siehe ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende“.

Diese Worte waren es, die den Jüngern Mut und Kraft gaben, sich in eine gefährliche und verrückte Wirklichkeit zu begeben. Mit diesem Satz im Rücken und dem großen Römischen Reich vor sich machten sie sich auf den Weg ohne eine andere Form von Schutz.

Wir wollen diese Worte und diesen Satz näher betrachten, um zu sehen, was er uns sagen will. Was diese Worte eigentlich für uns heute in einer Wirklichkeit bedeuten, die unmittelbar sehr verschieden ist von der Zeit, als sie zum ersten Mal ausgesprochen wurden. Zunächst will ich als Ausgangspunkt und These festhalten, dass die Aktivität, das Tun und das Sein eines jeden Menschen in der Welt letztlich und in einem ganz banalen und grundlegendem Sinne von diesen Worten bestimmt sind:

Und siehe ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende“.

Die Worte drängen sich nämlich in der einen oder anderen Form, mehr oder weniger dunkel auf und vermitteln jedem Menschen das Erleben von Vertrauen und Hoffnung. Das gilt für das tägliche Tun, das allgemein menschliche Dasein überhaupt: Wenn wir Auto fahren, wenn wir essen, wenn wir die Natur genießen, wenn wir gehen, stehen und schlafen. Nichts von dem wäre möglich, wenn wir nicht in einem fundamentalen und grundlegenden Vertrauen darauf gründeten, dass die Welt funktioniert und zusammenhängt.

Ginge man von einem Satz aus wie diesem: „Und siehe, niemand ist mit euch, ihr seid euch selbst überlassen, alles ist relativ, zufällig und gleichgültig“, dann wäre es nicht mehr möglich, ein menschliches und mitmenschliches Leben zu bewahren.

Aber das gilt nicht nur für das alltägliche Tun, es gilt auch und nicht zuletzt für die mehr dramatischen Situationen des Lebens. Zum Beispiel, wenn eine Gruppe von Jüngern missionieren soll, wenn man als Mensch in eine Situation gerät, die einem den Atem verschlagt; wenn die Welt und die Wirklichkeit widerborstig sind und gegen uns arbeiten, wenn wir fürchten, etwas zu verlieren, was wir lieben.

Ginge man aus von einem Satz wie diesem: „Und siehe, alles wird immer schlimmer, traue niemandem und verlasse dich auf nichts, geh kein Risiko ein“, dann würden wir Menschen zu nichts fähig sein, wir würden zusammenbrechen und verfallen.

Aber so ist es nicht. Die Worte haben wir im Hinterkopf, als eine Sicherheitszusage, eine Vertrauenserklärung, die den Menschen stützt auf seinem Weg und in seinem Tun:

Und siehe ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende“.

Wenn diese Worte erklingen, geraten wir in Bewegung und beginnen loszugehen. Geh deshalb hinaus in die Welt mit Freude und Zutrauen, erforsche sie, rede mit anderen, sei traurig, hilf deinem Nachbarn, aber gehe froh und voller Zuversicht:

Und siehe ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende“.

Abschließend eine Meditation über diesen Satz Wort für Wort:

Und siehe

- es beginnt mit dem Auge. Das Auge bestimmt Richtung und Perspektive. Außer Sicht aus dem Sinn, sagt man auf Dänisch. Damit ist gemeint, dass das, was wir sehen, und das, was wir fühlen, sich nicht trennen lässt. Das Augenlicht fängt den Horizont und umschließt die Welt. Aber das Augenlicht erhält auch einen Blick durch die Worte, die unser Augenlicht tragen. Das Augenlicht ist nicht neutral. Wir sehen nur in Bezug auf die Sprache, die wir haben. Der Satz beginnt zwar mit einem „siehe“, aber erst wenn der Satz ausgesprochen ist, erhalten wir wirklich Perspektive und Augenlicht …

ich bin

- ich bin, der ich bin. Das liegt in dem hebräischen Namen Gottes: Jahwe. In diesem Wort ist Fülle und Sein. „Ich bin“, das ist eine ontologische Bestimmung. Hier beginnt alles. Das ist der Boden und Grund der Wirklichkeit. Er entscheidet alles Folgende …

bei euch

- „ich bin“ ist nicht isoliert, um nur für sich selbst zu stehen, auch wenn es für sich selbst stehen kann. „Ich bin“ hängt unlösbar zusammen mit dem, zu dem „ich bin“ sich verhält. Wir sind mit anderen Worten nicht allein und werden es niemals richtig sein. „Ich bin bei euch“, das ist wohl die denkbar stärkste Beziehung. So sagen ein Vater und eine Mutter zu ihren Kindern; so sagen Eheleute zu einander, und so sagt es Gott zu den Menschen. „Ich bin bei euch“ entfaltet sich und schenkt uns Zeit und Raum …

alle Tage

- das ist eine lange Zeit. Hier bewegt sich die Zeit hinein in die Ewigkeit. Die Ewigkeit macht dort weiter, wo die Zeitlichkeit aufhört. Und das hat Folgen für uns hier und jetzt. Wir wissen, wir werden sterben, aber wir wissen nicht wann – aber wir leben, als würden wir nie sterben. In diesem Satz liegt die Ewigkeit und spiegelt sich in unserer Gegenwart und gibt uns Mut und Hoffnung, in einer chaotischen Welt zu leben, die irgendwann zugrunde geht …

bis an der Welt Ende

- wo das erste uns Zeit und Ewigkeit schenkt, gibt uns das letzte Raum und Welt, Kosmos. Wo liegt das Ende der Welt? Wer weiß es, und wer außer Gott ist dort gewesen? Ist das Ende der Welt der Beginn des Reiches Gottes? So wie die Ewigkeit eine Verlängerung der Zeitlichkeit ist? Wir sind mit anderen Worten nicht im Reich Gottes, aber wir sind auch nicht außerhalb des Reiches Gottes. Das liegt in dem „bis an der Welt Ende“ …

Und siehe ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende“.

Amen.



Pastor Anders Kjærsig
DK-5792 Årslev
E-Mail: ankj(at)km.dk

(zurück zum Seitenanfang)