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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Trinitatis, 22.05.2016

Lasst uns die lebendige Liebe Gottes lobenn
Predigt zu Römer 11:33-36, verfasst von Peter Schuchardt

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Heute loben wir unseren Gott. Wir loben miteinander den lebendigen, großen, unergründlichen Gott. Er hat die Welt, den Kosmos, die Sternensysteme und Planeten erschaffen. Wir loben den Gott, der sich klein macht in Jesus Christus, der die tiefsten Tiefen und Abgründe des Lebens durchleidet, um uns zu zeigen: Selbst dann bin ich an eurer Seite. Wir loben Gott, der jedem von uns nahe ist in seinem Geist, in dem Gottesatem, der die Welt durchweht und ihr Leben verleiht. Diesen Gott loben wir heute am Fest Trinitatis. Dreieinigkeit heißt das übersetzt, oder auch Dreifaltigkeit. Denn Gott, so sagt es uns die Bibel, zeigt sich uns als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Unser Gott zeigt sich so als der lebendige, der alle Zeiten und Welten umspannt und zugleich uns, jedem einzelnen von uns, ganz nahe ist. Und bei all dem bleibt er der unbegreifliche, unerforschliche, große Gott. Den loben wir mit unseren Liedern, mit unseren Gebeten, mit diesem ganzen Gottesdienst, mit Glockenklang und Orgeltönen und unseren Stimmen.

Doch nicht alle können in das Lob Gottes so einstimmen. Gott loben, das klingt für sie wie Worte aus einer fremden Sprache, die sie überhaupt nicht verstehen. Gott ist ihnen fremd geworden, ein Wort, mit dem sie nichts mehr anfangen können. Wer von euch in den letzten Jahren und Monaten die Zeitung aufmerksam gelesen hat, wird das kennen. In Schleswig-Holstein haben wir zurzeit die Diskussion über den Gottesbezug in unserer Landesverfassung, und da kommt viel Unverständnis, viel Häme und Ablehnung zum Vorschein. Doch da werden oftmals nur Vorurteilen und Klischees gegen Kirche aneinandergereiht. Etwas ganz anders sind die Menschen, die sich nach Gott, nach seiner Liebe und Nähe sehnen. Aber sie meinen, von ihr ausgeschlossen zu sein. Krankheit und Schicksalsschläge, eigene Schuld und Versagen haben sie von Gott getrennt, so fühlen sie es. Sie beten, sie lesen in der Bibel, sie suchen das Gespräch mit anderen, und doch bleibt ihre Sehnsucht unerfüllt. Gott ist für sie in weite Ferne gerückt. Er ist der unbegreifliche, ferne, große Gott, der sich vor den Menschen verbirgt. Es mag sein, mancher von euch, liebe Schwestern und Brüder, hat schon solche Zeiten durchlitten, Zeiten, in denen Gott euch fern und unverständlich war. Das gibt es, in vielen Menschenleben. Und doch: Die Sehnsucht nach Gottes Nähe, nach seiner Liebe, die bleibt. Und es bleibt der sehnliche Wunsch, in Gott geborgen zu sein.

 

Wie ist denn Gott nun? Ist er groß und mächtig – oder ist er unser Bruder, der mit uns durch das Leben geht? Ist sein Wesen klar und einsehbar –oder sind seine Wege für uns nicht zu ergründen? Ist er uns nah –oder ist er uns fern und fremd?

 

Es ist so: Unser Gott ist immer alles zugleich. Er ist der nahe und der ferne Gott zugleich. Er ist an unserer Seite, wie Christus an unserer Seite ist. Er macht sich selbst klein und ist zugleich der große, erhabene Herr, der über allen Welten thront. Er kommt als der Lebensatem, als der Geist in unser Leben und bleibt doch unverfügbar und frei. Wir Menschen leiden oft darunter. So gerne hätten wir Gott immer an unserer Seite, wenn es uns danach verlangt. So gerne würden wir ständig von Gottes Geist umweht, wenn wir ihn rufen. So gerne würden wir doch seine liebende Vaterhand spüren und uns von ihr führen lassen. Doch das alles ist ein Gott, den wir uns ausdenken. Es ist ein Gott, über den wir bestimmen, der nach unserem Willen kommt und uns gefälligst in Ruhe lässt, wenn wir ihn gerade nicht brauchen. Von so einem Gott aber erzählt die Bibel nicht. So ist es übrigens auch mit dem Gott der Atheisten und Kirchenkritiker. Der Gott, über den sie schimpfen und den sie ablehnen, ist doch nicht der Gott, von dem die Bibel erzählt und der im Mittelpunkt unserer Predigten steht. Das ist ein Popanzgott, den jeder nur ablehnen kann. Das gilt auch für diejenigen, die Gott in allem sehen wollen. So ein Denken nennt man Pantheismus. Das ist nicht das Denken der Bibel. Denn zum einen macht es Gott für mich verfügbar. Wenn Gott in allem ist, wenn alles Gott ist, dann kann ich ihn ja einpacken und mit nach Hause nehmen. Und es nimmt zum anderen Gott seine Größe und Herrlichkeit.

 

Wir aber loben heute unseren Gott. Wir loben den Gott, der als Vater, Sohn und Heiliger Geist die Welt erschaffen und erlöst hat und sie heute noch erhält. Das, was die Theologen nach langem Lesen in der Bibel und Nachdenken so nennen, drückt zuallererst aus: Gott ist der lebendige Gott, größer und näher bei uns, als wir es uns überhaupt denken können. Unser Gott ist der Herr über die Welt – und gleichzeitig ist er unser Vater, der Vater aller Menschen. Wir können unseren Gott nicht herbeizwingen und nicht einzufangen. Er ist wie der Wind. Sein Sausen hörst du, aber du weißt nicht, wo er hingeht und woher er kommt (Joh 3,8). Dieses wunderbare Bild nimmt Jesus Christus, um seinen Jüngern und uns den Heiligen Geist zu erklären. Doch Gott will ja bei uns sein. Denn er liebt uns. Gott ist uns unverfügbar. Er ist für unser Denken zu groß. Und es gibt so vieles, wo wir Gott und seine Wege nicht verstehen. Doch dieses eine bleibt: wir kennen Gottes Herz. Es ist ein Herz voller Liebe zu uns. Jesus Christus hat uns das offene Herz Gottes gezeigt. Gottes Liebe leuchtet auf in seinen Worten, seinen Gleichnissen, seinen Heilungen. Gottes Liebe sehen wir daran, wie Christus die verlorenen Menschen sucht. Wir spüren sie, wenn wir merken: Christus sucht uns, wenn wir verloren gehen, und er bringt uns zum Leben zurück, wenn er uns gefunden hat. Wir mögen uns darüber aufregen, dass so viele, die wir längst abgeschrieben haben, weiter von Gott nicht aufgegeben sind. Das haben schon die Menschen zur Zeit Jesu getan, immer wieder: „Bei so einem ist er eingekehrt, mit Zöllnern und Sündern sitzt er an einem Tisch“. Doch wir werden hoffentlich dankbar sehen: Selbst mich gibt Gott nicht auf, auch nicht in meiner Überheblichkeit, auch nicht, wenn ich in Angst, Trauer, Eitelkeit und Schuld versunken bin. Gottes Gnade findet keine Grenze, auch nicht an den Wänden unseres harten Herzen und unserer kleinen Vorstellung von Barmherzigkeit. Gott sei Dank ist Gottes Liebe um vieles größer und weiter als wir es so oft meinen. Gottes Liebe findet auch keine Grenze an den Pforten des Todes. Die Mauern des Grabes konnten Jesus nicht festhalten. Er lebt und wirkt durch seinen Geist in unserer Welt und in unserem Leben. Von den ausgedachten Göttern gibt es gerade heute so viele. Sie heißen Geld und Profit, Markt, Wirtschaftlichkeit, Wachstum, eigene Stärke, Schönheit, Jugend, Erfolg – o, es gibt noch mehr!

 

Wir Christen vertrauen aber auf den lebendigen Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus, der mit seinem Geist die Horizonte öffnet, der den Tod hinter sich lässt und uns das Leben schenkt. Wir vertrauen auf seine Liebe, die uns in allem hält und trägt, sogar in aller Schuld, in aller Verzweiflung, Krankheit und allem Lebenschaos. Christus lässt uns in sein Herz blicken, und dort sehen wir genug Liebe, auch für uns. Diesen Gott loben wir heute. Und wir tun das mit Worten des Apostels Paulus, mit denen er schon den ewigreichen Gott preist und ihm dankt:

33Wie unerschöpflich ist Gottes Reichtum! Wie tief ist seine Weisheit, wie unermesslich sein Wissen! Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege!

34 „Hat jemals ein Mensch die Gedanken des Herrn ergründet? Ist je einer sein Berater gewesen?“

35 „Wer hat Gott jemals etwas gegeben, sodass Gott es ihm zurückerstatten müsste?“

36 Gott ist es, von dem alles kommt, durch den alles besteht und in dem alles sein Ziel hat. Ihm gebührt die Ehre für immer und ewig. Amen.(Rö 11, 33-36 Übersetzung NGÜ)

 

Diesen unerschöpflichen, tiefen, unermesslichen Gott, unerforschlich und groß und zugleich mit seiner Liebe näher als alles andere: Das ist unser Gott, den wir preisen und dessen Wort wir vertrauen, heute und an allen Tagen unseres Lebens.

Amen

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen

 



Pastor Peter Schuchardt
Bredstedt
E-Mail: pw-schuchardt@versanet.de

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