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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Invokavit, 25.02.2007

Predigt zu Lukas 22:31-34, verfasst von Heinz Janssen

31 Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen.  32 Ich aber habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.  33 Er aber sprach zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.  34 Er aber sprach: Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, daß du mich kennst.

 

Predigt

 

Liebe Gemeinde!

 

Früh am Morgen, wenn sich der neue Tag ankündigt, kräht der Hahn. So nahe ist die Zeit der Verhaftung Jesu gerückt, so nahe ist für die Jüngerinnen und Jünger Jesu die Zeit der Angst, aber alles ist noch unfassbar.

 

Gerade haben sie sich noch, wie wir aus dem voranstehenden Zusammenhang hören (Lukas 22,24-26), gestritten, wer von ihnen der Größte sei, und Jesus hat alle zurechtgewiesen: Ihr seid die Größten, wenn ihr nicht um jeden Preis groß sein wollt und nicht auf äußere Ehre aus seid; wenn ihr nicht über die Menschen herrscht, sondern ihnen dient; wenn der Ältere nicht mehr als der Jüngere sein will und sich nicht über den Jüngeren erhebt, sondern sich auf dessen Stufe begibt; in solchem Verhalten, welches allein das Wohl des anderen sucht, möchtet ihr einander nacheifern. Dies sind bis heute die eigentlichen Kennzeichen einer christlichen Gemeinde und Kirche - Kirche als diakonische/helfende/dienende Gemeinschaft.

 

In unserem Predigttext wendet sich dann Jesus Simon Petrus zu und macht ihn auf die zerstörerischen Kräfte aufmerksam, welche die guten Bestrebungen niederhalten und durcheinander bringen. Siehst du die Gefahr denn nicht? Die Macht des Bösen ist gegenwärtig. Einer der zwölf Jünger, Judas Iskariot, war ihr bereits verfallen, wie wir am Anfang der Passionsgeschichte erfahren (Lukas 22,3). „Der Satan", Inbegriff dieser bösen Macht, ist auf dem Weg, er hat es auf euch abgesehen; unterschätzt seine Macht nicht, er hat die Kraft, eure Schwäche zu erkennen, und er wird sie heraussieben und für seine Zwecke nutzen, betont Jesus gegenüber dem Jünger Simon Petrus.

 

Der Satan ist in der Bibel auch, wie wir aus der Hiobgeschichte wissen, der Ankläger; als solcher hat er sogar einen Sitz im himmlischen Thronrat und ist von Gott ermächtigt, den Glauben der Menschen zu prüfen, ob dieser wirklich echt und nicht nur frommer Schein ist. So lassen sich Jesu eindringliche Worte („Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen"), auch als Hinweis verstehen, dass den Seinen harte Bewährungsproben nicht erspart bleiben, die sie existenziell bis an die Grenzen ihrer Kräfte fordern werden.

 

Deckt der Satan die Schwächen auf, so sagt auch Jesus Simon Petrus, wo die Schwächen seines Jüngers liegen. Petrus wird schwach in seiner Angst werden, er wird leugnen, dass er Jesus kennt, und darüber vor Scham weinen und verzweifelt sein. Aber - Jesus geht anders mit den Schwächen der Menschen um; er stellt sie nicht bloß, wie es satanische Macht tut, sondern steht den Menschen in ihren Schwächen bei. Jesus benennt auch ihre Stärken und seine eigenen Schwächen. Wenige Verse vor unserem Predigttext sagt Jesus zu seinen Jüngern, auffallend anerkennend und dankbar: „Ihr aber seid's, die ihr ausgeharrt habt bei mir in meinen Anfechtungen"/ „die in meinen Prüfungen mit mir zusammen durchgehalten haben" (Lukas 22,28 Übers. nach Martin Luther, Rev. 1984, und „Bibel in gerechter Sprache", 3.Aufl., 2007).

 

Gibt es in unserem Leben Berührungspunkte mit dem, was Petrus erlebte? Sind wir alle miteinander doch so etwas wie die Jüngerschar? Wie gerne möchten auch wir die Größten sein - tun wir es im Dienst für unsere Mitmenschen, so wie Jesus es gelebt und vorgelebt hat, ist es ein gutes Wetteifern. Aber jede Frau und jeder Mann muss sich wie Petrus der Frage stellen, wie sie/er sich verhalten wird, wenn böse Mächte unseren Weg kreuzen, wenn meine Schwächen offen gelegt werden und ich mich aus Scham vor der Welt und vor Gott verstecken möchte. Werde ich mich bewähren, die Bewährungsprobe bestehen? Möchten wir nicht auch wie Petrus Stärke zeigen? „Mit dir, Kyrios, gehe ich überall hin, bin ich bereit, ins Gefängnis, sogar in den Tod zu gehen". Was für ein starkes Bekenntnis. Wir können uns diesen Petrus gut vorstellen, ein durch und durch ehrlicher Mensch, überzeugt von dem, was er sagte, ein begeisterter und begeisternder Anhänger Jesu und Anführer der jungen christlichen Gemeinden, ein leidenschaftlicher Kämpfer; „Fels" bedeutet der Name Petrus, und diesen Namen hatte ihm doch Jesus selbst gegeben.

 

Stark und schwach war Petrus, Jesus wusste um Beides. Auf die Schwäche spricht er ihn mit den Worten an: „Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst". Leugnen/verleugnen hat nichts mit zweifeln zu tun. Bei Petrus meint das Wort so etwas wie Selbstschutz, Petrus hat Angst um sein Leben. Es bezeichnet auch, wie bei uns heute, die Verweigerung zu helfen, Verweigerung, für Gerechtigkeit einzutreten, die Verweigerung, die Wahrheit zu sagen, Schlimmes zu verhüten, und dies alles, obwohl wir es besser wissen. Ich kann auch konkret sagen: Leugnen/verleugnen heißt Wegschauen, wenn Kinder sich prügeln, zulassen, wenn Menschen ihrer Würde beraubt werden, weil sie körperlich gebrechlich sind. Leugnen/verleugnen bedeutet einer Lüge nicht die Wahrheit entgegenzusetzen. Leugnen/verleugnen hat es schließlich mit Feigheit zu tun. Wie oft müsste uns Menschen die Schamröte ins Gesicht steigen.

 

Wir kennen das Scheitern, welches Jesus ankündigt. Wie Petrus fühlen wir uns oft sehr stark, aber die Situationen sind ebensooft schnell und überraschend da, dass wir uns vorher keinen Plan, keine Strategie zurechtlegen können. Wir wollen es uns einfach nicht vorstellen, dass wir versagen könnten. Jesus weiß es. Als frühere Jahreslosung haben wir es in dieser Kirche oft gehört und gesungen: „Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre". Es gibt menschliches Scheitern und dann - aus Versagen, Scham und Tränen darfst du wieder aufstehen. Jesus ist für Petrus vor Gott eingetreten, hat gebetet für ihn, dass er seinen Glauben, sein Gottvertrauen, nicht verliert. Petrus soll erfahren, dass er nicht allein auf dem schweren Weg ist.

 

Wie gut, wenn jemand mit mir geht. Wie oft ist es ein Mensch, den Gott an meine Seite stellt. Wohl mir, wenn ich es erkenne. „Öffne mein Augen, dass sie sehen die Wunder an deinem Gesetz..." (EG 176).

 

Jesus selbst wird zum Fürsprecher damals für Petrus - und hier und heute für jede Frau und jeden Mann, für die Kleinen und die Großen. Petrus, der Fels, der auch ins Wanken geraten kann, wird zur Stärkung für uns; in seiner Menschlichkeit, die letztendlich nicht in der Schwäche stehen blieb, richtet er uns bis heute als seine Geschwister auf, weil er selbst aufgerichtet wurde durch Jesu Zuspruch: „Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre".

 

Amen.

Heinz Janssen
Pfarrer an der Providenz-Kirche in Heidelberg Altstadt/City
E-Mail: providenz@aol.com

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