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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Heiliges Christfest II, 26.12.2007

Predigt zu Matthäus 10:32, verfasst von Erik Dybdal Møller

Man mag sich fragen, warum ausgerechnet über diesen Text gepredigt werden soll? Er hat ja nichts mit Weihnachten zu tun, eher ganz im Gegenteil. Wir haben in den vergangenen Tagen von Frieden auf Erden und von Wohlgefallen bei den Menschen gehört. Wir haben von Hoffnung und Liebe gehört. Und heute sollen wir nun von einer fast unzumutbaren Form von Intoleranz hören. Fast hätte ich das Wort Fanatismus gebraucht. Und die Weihnachtsstimmung ist auf einmal dahin. Wir haben einen Text vor uns, der garantiert von manchen Menschen als Beispiel benutzt wird, dass das Christentum genau so furchtbar ist wie der islamische Fundamentalismus. Man höre nur dies: "Ihr sollt nicht meinen , dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde, sondern das Schwert." Und das ist wirklich hart und ernst, und ganz und gar nicht mit dem Jesus vereinbar, den wir zu kennen glauben. Mit dem guten, barmherzigen und auf jede Weise friedfertigen Christus.

            Streit zwischen Vater und Sohn, zwischen Mutter und Tochter, zwischen Schwiegereltern und Schwiegersöhnen und -töchtern. Ist es wirklich das, womit Jesus gekommen ist? Er hätte auch sagen können "zwischen Eheleuten". Unter allen Umständen verspricht das nichts Gutes; aber wenn wir einen Augenblick nachdenken, ist es überhaupt nicht so weit weg von der Wirklichkeit. Denn wir kennen das, wovon er spricht. Es ist nur nicht so angenehm, daran erinnert zu werden. Wir kennen die Wirklichkeit nur zu gut, ob wir nun Jesus kennen oder nicht.Wir können die Wirklichkeit in aller Ruhe zur Kenntnis nehmen. Sie ist so ganz und gar nicht reines friedliches Idyll oder tiefe und durchgreifende Nächstenliebe. Sie besteht ebenso sehr in Machtkämpfen, in Geldgier, Selbstbehauptung und Brutalität. Und das passt ja auch gut zu Jesu eigenem Leben. Was hat man diesem Friedensfürsten anderes geboten als Armut und Spott? Sollte er nun plötzlich anfangen, davon zu reden, dass seine Anhänger von jetzt an sich in einem Idealzustand mit Engelsgesang und Freiheit von allen Sorgen befänden? So reden die Anführer in gewissen Glaubensgemeinschaften und gewissen religiösen Bewegungen. Wenn man erst einmal die Technik gelernt hat, sei es eine besondere Abart von Meditation oder sei es, dass man bestimmte Körperbewegungen ausführt, oder etwas in der Richtung, - wenn das erst einmal erreicht ist, dann kommt das Glück, die überirdische Seligkeit, für den Jünger. Dass andere Verkündiger der Religiosität der neuen Zeit obendrein noch materiellen Fortschritt zu versprechen wagen, ist bloß noch ein weiteres Lockmittel. Hier hat das Christentum nichts dieser Art versprochen. Es ist auf seine Weise nur eine Konkursmasse, die man übernimmt. Zwar gibt es vielerorts christliche Kirchen, die behaupten, dass es sich leicht machen lasse, auch materielle Herrlichkeit zu erlangen, wenn nur hinreichend Glaube da sei, wie es auch so vieles andere gibt, das verspricht und verspricht; aber das geschieht immer unter gewissen Bedingungen.

            Der Evangelientext von heute ist fast nicht zu gebrauchen, wenn wir ihn absolut buchstäblich nehmen wollen, denn dann wäre es völlig sinnlos gewesen, dass wir gestern und vorgestern von Frieden gesungen haben. Aber nun müssen wir auch bedenken, in welchem Zusammenhang dieser Text auftritt. Jesus ist dabei, seine Jünger ins Land hinauszuschicken, damit sie die Botschaft über ihn unters Volk bringen. Und hier, kurz zuvor, spricht er zu ihnen. Es ist nicht nur eine Rede darüber, wie wunderbar es ist, die Botschaft ins Land zu tragen; sondern weitaus mehr eine Warnung, dass sie auf Widerstand stoßen werden. Der Text handelt nicht davon, wie wir jeweils in unserer Familie zu den Eltern und den anderen stehen, sondern, wie die Jünger furchtbare Nöte anrichten könnten unter Menschen, die sich wirklich zu Herzen nähmen, was sie hörten.

            Meine Worte haben Folgen, sagte Jesus. Sie können furchtbare Folgen haben. Sie können Leute entzweien. Denn hat man sich entschlossen, ihm zu folgen, dann gibt es keinen Weg zurück, auch nicht, wenn die Familie Druck macht, um einen davon abzubringen. So hat Jesus das Schwert anstelle des Friedens gebracht. Das ist nicht dasselbe wie seine Anhänger mit Waffen für einen heiligen Krieg auszurüsten. Es bedeutet, dass eine Folge meiner Worte blutig sein kann. So wie das Schicksal des ersten Märtyrers, des Diakons Stepanus, blutig war.

            Die ersten Christen, die die harten Worte dieses Tages hörten, wussten auch, dass ein Schicksal wie das des Stephanus auch das ihre würde sein können. Für sie handelten die Worte nicht davon, dass es aufzuspringen und sich zu wappnen galt; sondern davon, dass man in dieser Welt wissen muss, dass das Schicksal eines Menschen böse sein kann. Dass es zu den Bedingungen des hiesigen Daseins gehört, das es Leiden, Tod und Beschränkung gibt. Dass man unter diesen Bedingungen den Bericht des Weihnachtsevangeliums über das Kind in der Krippe und den Gesang der Engel vom Frieden Gottes zu hören hat.

            Der Friede Gottes ist kein Gesang darüber, dass man Ruhe und Frieden hat und geordnete Verhältnisse genießt. Gottes Friede ist fremd in dieser Welt. Denn in dieser Welt sichert man sich nicht auf irgendeine göttliche Weise. Hier sichert man den Frieden, wenn es sich überhaupt machen lässt, ihn zu sichern, durch etwas so Unchristliches wie konstruktives Misstrauen und genaues Nachrechnen. Und vielleicht sogar erst durch furchtbare Kämpfe. Weihnachtsfriede ist Friede in einer Welt des Streits, des Kampfes und des Leidens. Würden wir etwas Anderes sagen, wäre das Christentum nicht mehr als falsche Träumereien.

            Aber wenn wir uns dessen versichert haben, wie phantatisch ist dann der Weihnachtsfriede, und welch schöne Erlegnisse kann er hervorbringen? Mit der Betriebsamkeit der ganzen Welt als Hintergrund ist der weihnachtliche Friede ja schön. Wir können darin den engen Rahmen verlassen, in dem wir sonst stecken. Man denke, dass wir das Lied anstimmen können: "Schön ist die Erde", obwohl wir sehr wohl wissen, dass sie keineswegs für alle gleich schön ist.

            Aber wir bekommen eine Sprache, die sehr viel mehr ausdrücken kann, und dann können wir auch sehr viel mehr sehen. In der großen Hoffnung des Weihnachtsfriedens wird uns ein größeres Schicksal geschenkt, als wir sonst entdecken könnten.

            Ich weiß, man hat es so oft gesagt. Wie in dem Lied, in dem wir singen: "Kampf  ist nötig, soll Leben wachsen". Oder: "Wer kennt den Frieden, der nicht gestritten hätte?" Man hat es so oft gesagt, dass es beinahe schon banal ist. Aber es ist genau das, was Jesus im heutigen Text zu seinen Jüngern sagt: "Alles, was etwas auf sich hat, verlangt Engagement."

            Es sind harte Worte, wenn er sagt, dass derjenige, der sein Kreuz nicht auf sich nimmt und mir folgt, mir nichts wert ist. Das sind doch furchtbar harte Worte. Aber umgekehrt, hätte er gesagt, sein Anliegen sei nicht allzu ernst zu nehmen, dann wäre nur leere Romantik übrig. Und von der haben wir ohnehin schon genug.

            Wollen wir dagegen Jesu Rede über Frieden ernst nehmen, dann kommt es unwillkürlich zu Streit, sowohl in unserem Innern als auch in zahllosen Angelegenheiten außerhalb unserer selbst. Seine Worte handeln nicht von stillstehender Harmonie. Seine Worte wollen bewegen, in Bewegung setzen. Auch das heißt sein Kreuz auf sich nehmen.

            Jeder Mensch ist mehr als bloß der äußere Umkreis des Leibes oder der Lauf der Jahre. Jeder Mensch ist größer als seine Bedingungen und größer als sein Schicksal. Davon handeln die Botschaft von Weihnachten und die Weihnachtslieder. Auf trotzige Weise. Als würden sie sagen: Ja, ja, wir wissen es so gut, es gibt Kampf und Streit usw.usw. Aber das ändert nicht das Geringste am Frieden Gottes. Selbst in den Straßen von Kabul oder im Gazastreifen ist Platz für den Frieden Gottes. Auch in einer gespaltenen Familie, die weder sich selbst noch andere in den Weihnachtstagen hat aushalten können, auch dort findet sich der Friede Gottes ein, so dass man Ruhe im Innern findet, und wäre es nur für einen Augenblick.

            Das Evangelium von heute handelt nicht davon, dass wir jetzt im Ernst in den Kampf ziehen sollen, denn jetzt hätten wir obendrein den Kommandoruf unseres Herrn. Sondern das Evangelium ist eine Friedensbotschaft, auf die wir, wo immer wir sind, hören und die wir verstehen sollen. Die weihnachtliche Botschaft ist für die, die hier in der Finsternis und im Schatten des Todes bauen. Mit den Bedingungen müssen wir uns allezeit auseinandersetzen. Den Frieden Gottes haben wir nur entgegenzunehmen. Amen



Pastor Erik Dybdal Møller
Århus (Dänemark)
E-Mail: edm@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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