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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

6. Sonntag nach Trinitatis, 03.07.2016

Predigt zu Römer 6:3-8.9-11, verfasst von Kira Busch-Wagner

Auf welcher Seite stehst du?

 

„Wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? ….“ Die einen mögen die Verse vielleicht grade auf dem Friedhof schon öfters gehört haben. Anderen sind sie befremdlich: Taufe und Tod – miteinander verbunden?

 

„Widersagst du dem Satan?“ – wer die Frage bei einer Taufe, eher in einem katholischen Gottesdienst als einem evangelischen, schon einmal gehört, miterlebt hat, war vielleicht ob dieses Wortes innerhalb des Ritus, innerhalb der Taufliturgie, irritiert, gar gestört. Da wird ein kleiner oder großer Mensch getauft, man freut sich, ist gut gelaunt, ein Familienfest schließt sich an – und dann redet da jemand vom Teufel?!

Liebe Evangelische, lasst uns das nicht so schnell als etwas ganz Katholisches, ganz Fremdes, sehr Seltsames abtun. Mit einem doch recht populären Tauflied – im Gesangbuch unter der Nr. 200 – singt die ganze evangelische Gemeinde gegebenenfalls:

„Ich hab, o Herr, aus reinem Triebe, dein Eigentum zu sein gewagt. Hingegen sagt ich bis ins Grab des Satans schnöden Werken ab.“

Was hat der Satan, was hat der Teufel mit der Taufe zu tun?

 

Eines der bekanntesten und verbreitetsten Lieder der amerikanischen und dann auch internationalen Gewerkschafts- und Widerstandsbewegungen heißt: „Which side are you on“. Auf welcher Seite stehst du?

Geschrieben hat es 1931 eine Frau, die mit ihren Kindern als Frau eines Minenarbeiters von einer Gruppe gedungener Männer, ausgerüstet sogar mit den Insignien staatlicher Macht, überfallen und terrorisiert wurde. Auf welcher Seite stehst du – eine Frage, die immer neu umtreiben sollte, wenn später das Lied wieder und wieder aufgegriffen wurde von den verschiedenen Protestbewegungen. Auf welcher Seite stehst du?

 

Und im Grunde stellt die Taufe dieselbe Frage:

Auf welcher Seite stehst du? So hat es Paulus gesehen, und so ist es in unsere Liturgien oder Lieder eingewandert mit der Frage nach dem Satan.

Auf welcher Seite stehst du? Auf der Seite des Lebens? Der Rettung? Auf der Seite Jesu? Auf der Seite Gottes? Sagst du Ja zu seinem Bund?

Die Alternative ist Tod, ist Untergang, Sünde, Verderben. Die Alternative ist Ferne von Gott, also Gott-Losigkeit. Ist Gericht ohne Gnade, Anklage ohne Vertretung. In griechischer Sprache eben genau: Satan!

 

Auf welcher Seite stehst du?

Es gibt eine große Urerfahrung der Schrift, wo die Seiten gewechselt werden, und zwar bezeichnenderweise „durchs Wasser hindurch“ – das ist Israels Auszug aus Ägypten. Es ist ein Seitenwechsel vom Tod zum Leben. Von der Sklaverei in die Freiheit. Von der Bedrängnis auf die Spur Gottes.

Beim Weg durch das Wasser scheint der Untergang fast schon besiegelt: das ägpytische Heer folgt Israel auf den Füßen. Doch Gottes Verheißung zum Leben gilt. Sein Volk erreicht das andere Ufer, die andere Seite, erreicht ein Leben mit Gott. Sie gehen zu auf das gelobte, das zugesagte und versprochene Land. An einer Stelle heißt es übrigens, dass auch fremdes Volk, also Heiden, Menschen der Völker, aus Ägypten mitzogen. Sich also einließen auf den jüdischen Gott als Gott des Lebens.

Viele unter Ihnen mögen sich aber erinnern: wie verführerisch doch immer wieder die Seite ihre Kraft entfaltet, die man doch hinter sich gelassen hatte. Etwa wenn das Volk jammert: „Ach, wären wir doch bei den Fleischtöpfen Ägyptens geblieben.“ „Fleischtöpfe“: so verführerisch, so scheinbar lebensfroh, angeblich lebenspendend kann der Tod sich geben, so berückend sind seine Illusionen und lassen vergessen, dass der Befehl des Pharao in Ägypten doch gelautet hatte: Tötet die Neugeborenen.

Auch wenn Israel mit Gottes Hilfe Ägypten verlassen, das Schilfmeer durchquert hat – immer neu stellt sich ihm die Frage: auf welcher Seite stehst du?

Dass Gott dabei sich selbst und zugleich Israel treu bleibt, davon spricht übrigens das Wort über dem Sonntag und der ganzen kommenden Woche. Schließlich ist dessen erster Adressat Israel. Und zu ihm, dem Volk Gottes, spricht der Herr: ich habe dich erlöst, ich habe dich befreit. Du gehörst zu mir.

 

In meiner Lutherbibel sind vor und hinter den biblischen Büchern Landkarten zugegeben. Bei der Karte, die sich auf den ersten großen Teil der Bibel, das sogenannte Alte Testament bezieht, sind zwar Gebiete eingezeichnet, aber keine festen Grenzen. Zum einen natürlich, weil sich die Grenzen durch die Jahrhunderte hindurch immer wieder geändert haben. Zum anderen aber, weil es solche Grenzen, wie wir sie kennen, mit Schlagbaum und Grenzzaun damals nicht gab. Eine Stadt, ein Dorf gehörte zu dem Königreich, dem es Steuern bezahlt. Die Macht hat, wer die Steuern eintreibt. Die Macht hat, wem Tribut gezollt wird. Das kann sich ganz schnell manchmal ändern. Wenn es in biblischen Texten heißt, dass diese oder jene Stämme von einem König abgefallen sind, dann meint das: sie haben diesem König keine Steuern mehr bezahlt und keinen Kriegsdienst mehr geleistet. Sie gaben solches einem anderen König, einem anderen Herrn.

Auf welcher Seite stehst du? Die Taufe fragt uns, welcher Seite wir Tribut zollen, wem wir uns, unsere Taten und Worte schenken, wem wir angehören, angehören wollen. Und es ist immer neu zu entscheiden!

 

Es gibt in den Evangelien eine Geschichte, wo bezeichnenderweise eben der Teufel als Versucher Jesus fragt, ob er ihm nicht Tribut und Ehre geben wolle, ob er nicht ihm trauen und sich darum anvertrauen wolle. Und Jesus wählt das Leben mit Gott. Er wählt ein schwieriges Leben. Er wählt Anfeindung, Fragen, Herausforderung. Jesus wählt ein Leben, das ihn ans Kreuz führt, in den Tod hinein, in den Untergang, in die Niederlage. Und Gott hält an ihm fest. Wie seinem Israel bleibt Gott auch dem Kind, dem Sohn Israels treu, seinem Messias. Ruft ihn neu ins Leben, erhöht ihn zu seiner Rechten.

Das neue Leben des Christus, die Begegnung mit dem Auferstandenen ist es dann auch, was den Paulus verkünden lässt: solches Leben gilt allen Menschen. Die Taufe auf den Christus Jesus - das ist die Botschaft des Völkerapostels - reißt die Getauften mit, fügt sie ein in den Leib Christi. Und damit auch in sein leibliches Leben, sein irdisches, das, das hinausläuft auf den Tod. Für die Getauften gilt dann aber eben die Rettung durch den Untergang hindurch. Gilt neues Leben, Leben mit Gott, ewiges Leben.

Nicht dass uns in unseren Tagen deswegen nicht mehr passieren könnte, nicht dass uns Schicksalsschläge, Krankheit, Elend verschonten. Glaube an Jesus heißt, darauf vertrauen, mit ihm durch den Tod zu neuem Leben zu gelanden.

 

Wir haben begonnen mit einem Blick auf katholischen Gottesdienst. Wenn heute, am sechsten Sonntag nach Trinitatis , wie jedes Jahr an diesem Sonntag das Thema Taufe als Thema von Kirche, von Lebensentfaltung jedes einzelnen Täuflings, aber eben auch der ganzen getauften Gemeinde entfaltet wird, so ist es ein wunderbares ökumenisches Zusammentreffen, dass es in diesem Jahr einen Taufbezug auch in der katholischen Leseordnung gibt. Weil dort der Epistel-, der Brieftext heute gleichfalls von Paulus her (Gal 6, 14-18) erinnert: Dass die Getauften hineingetauft sind in den Leib Christi, Teil haben an ihm, an einem jüdischen Leib, der das Zeichen des Bundes trägt, die Beschneidung. Und dass für Getaufte, woher sie auch kommen, nun gilt: sie sind neue Schöpfung, neue Kreatur, sind hineingenommen in das Leben bei Gott.

Der Bund Gottes, Gemeinschaft mit ihm, mit seinem Volk, mit allen Getauften überall und zu allen Zeiten – wir sind aufs Neue gefragt, dazu „Ja“ zu sagen. Und Konsequenzen zu ziehen. In jeder Gestalt unserer Worte. In jeder Gestalt unseres Tuns.

Auf welcher Seite stehst du?



Pfarrerin Kira Busch-Wagner
Ettlingen
E-Mail: Kira.Busch-Wagner@kbz.ekiba.de

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