Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

6. Sonntag nach Trinitatis, 03.07.2016

„Innig und beweglich verbunden“
Predigt zu Römer 6:3-8, verfasst von Manfred Mielke

Liebe Gemeinde,

Heute bekommen wir Antworten. Es sind starke Antworten, die uns der Apostel Paulus sagt und schreibt. „Frage-und-Antwort“-Gespräche sind ja zumeist recht munter. Oft gehen die Antworten über die Fragen hinaus und regen neue Fragen an. Ich sage mal dazu ein Beispiel: „Hast Du morgen Abend Zeit?“ – „Ja, wenn es nicht regnet!“ – „Bringst Du deinen Kalender mit?“ – „Wenn Du wüsstest, wie voll der ist!“ – „Ja, wann dann?“ So ähnlich verlaufen viele unserer Redewechsel im Alltag. Was aber, wenn die Themen tiefer greifen? Zum Beispiel: Wie werde ich das los, was mich bedrängt? Gibt es im Sterben einen Halt? Darf ich mir im Alltag mehr Ewigkeit wünschen?

 

Solche Fragen beantwortet Paulus in seinem Römerbrief so: Wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln. Denn wenn wir mit ihm verbunden und ihm gleich geworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein. Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, sodass wir hinfort der Sünde nicht dienen. Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde. Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden. (Römer 6, 3-8)

 

Liebe Gemeinde,

mit Christus „verbunden sein“, mit ihm „gleich geworden sein“ – das sind tiefe Ideen. Gleich viermal hören wir bei Paulus das „mit ihm“ als Antwort. Dabei geht es nicht ums Wetter oder um Kalenderdaten, sondern um ein „Mitsterben, Mit-auferstehen, Mit-frei-werden“.

 

Nun möchte ich zu diesem „mit-Christus-verbunden-sein“ ein eher technisches Beispiel zu Rate ziehen. Ich meine ein Thermometer mit einer runden Anzeige. Oben steht die Null, nach links zeigt es in einem blauen Halbkreis bis „minus Fünfzig“, rechts zeigt es in einem roten Halbkreis bis auf 50 Grad Celsius hoch. So ein kreisrundes Zeiger-Thermometer war auf dem Armaturenbrett des ersten Autos meines Bruders. Es war ein klappriger DKW, den er sich kurz nach seiner Volljährigkeit leisten konnte, - ich war gute 10 Jahre alt. Er war stolz und ich war wissbegierig. Wir probierten die Gangschaltung, die Blinker und auch das Radio. Zum aufgeklebten Rund-Thermometer erinnere ich mich an meine Frage: „Wie funktioniert so ein Ding eigentlich?“ Mein Bruder erklärte mir, dass sich in der Mitte eine Spirale verbirgt, die bei Wärme ein wenig aufgeht und bei Kälte sich einrollt. Und zwar, weil sie aus zwei dünnen Bändern zusammengeklebt ist, die sich unterschiedlich ausdehnen. Am Ende der Spirale ragt dann der Zeiger heraus und zeigt auf die Celsiusgrade. Ehrfürchtig lernte ich das Zauberwort für so eine Metallspirale: Es ist ein „Bi-Metall“.

 

Liebe Gemeinde,

ein Bimetall-Thermometer sei mir heute die Veranschaulichung für unsere innere Verbundenheit mit Christus. Biegt er sich, so biege ich mich mit. Streckt er sich, so strecke ich mich mit. Ich mag diese innige Verbundenheit, sommers wie winters, bei Frost und bei Hitze. Christus will sich mit mir aus meiner Glaubens-Kälte entrollen. Christus will sich mit mir zur Glaubens-Sonne ausstrecken. Darf ich angesichts dieses technischen Bildes auch sagen: Christus bildet mit seinen Menschen so eine innere Spirale, die weit nach außen zeigt, in die ganze Welt und in die ganze Weltgeschichte?! Das ist doch eine interessante Verbindung „mit ihm“!

 

Wird aber unsere empfindsame Verbindung mit Christus nur auf die Milieus um uns herum zeigen, oder sie auch verändern? Auch dazu gab es eine Erkundung im alten Gebrauchtwagen meines Bruders. Genauer gesagt, bei der des Zigarettenanzünders. Wir fragten uns nämlich, warum dessen Heizspirale nicht das ganze Auto abfackelt, sondern wie von Zauberhand sich wieder abkühlt. Mein großer Bruder erklärte mir als gelernter Elektriker, dass darin ein doppelter Metallstreifen bei Hitze sich so stark biegt, dass er sogar den Heizstrom ausschalten kann. - Das ist es doch, dass wir aufgrund unserer Anhaftung an Christus sogar Gefahren abschalten können!

 

Liebe Gemeinde,

ich behalte von meinem Ausflug in die Alltags-Physik, dass es genau auf diese innere Verbundenheit ankommt beim „Mit-sterben, Mit-auferstehen, Mit-frei-werden“ mit Christus. Doch ich gestehe, dass ich nicht wirklich gerne mit Christus mitgekreuzigt werden möchte. Da bleibe ich auf Abstand. Zwar würde ich mir das gerne sagen lassen: „Du wirst mit mir im Paradies sein!“ – aber selbst dafür würde ich sehr ungerne am Nebenkreuz auf Golgatha mitsterben. Auch möchte ich mir meine Skepsis bewahren, wenn mir das Paradies oder ersatzweise die Hölle wie ein Sonderangebot aufgedrängt wird. Ich mag Klarheit, aber dazu auch klare Wege. Ich mag abschließende Lösungen, aber ohne, dass sie mich lähmen. Sie können biegsam sein, aber innig! Von daher kommt meine Frage: Gibt es im Sterben so einen Halt?

 

Paulus antwortet mit der Taufe. Dazu sage ich: „Jawohl, Herr Paulus, gerne! Sozusagen kopfüber! Gerne auch mit diesem Superergebnis! Mit Christus sich in die Taufe einrollen, und mit ihm wie eine Springfeder ins neue Leben hüpfen! So ein Ostern brauche ich öfters!“ Oder die andere Antwort, die mir Paulus gibt auf meine Frage: „Wie streife ich das ab, was mich bedrängt?“

 

Darf ich vorab ein Gefühl benennen, das mich sehr ärgert? Es ist beim Duschen in einer Badewanne, die einen Plastikvorhang hat. Wenn sich diese kalte Plane an meinen warmgeduschten Rücken festsaugt, kriege ich die kalte Wut. Ich fühle mich hilflos, sie abzuschütteln.

 

Doch wenn die Sünde wie so ein widerlich kalter eiserner Vorhang mir am Rücken klebt, dann, lieber Paulus, dann ahne ich, wie Christi Kreuzestod mich von einem Sklavenverhältnis ablöst. So verstehe ich deine Worte: „Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, sodass wir hinfort der Sünde nicht dienen. Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde. Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden.“ (V. 6ff)

 

Das hilft mir sehr, dass ich von Golgatha wegkomme - befreit von dieser klebrigen hinterhältigen Kaltfront und wie frischgeduscht. Das tut mir gut - und ich glaube auch, der ganzen Welt - dass Christus gerne mit uns alle unsere Biegungen mitmacht. Aber noch lieber, dass er uns von sich ablöst, damit wir uns dort und dem zuneigen, wo es Barmherzigkeit braucht. Dass Christus uns mitnimmt bei seiner Achterbahn durch Hölle und Himmel und dass er uns befreit entlässt in unser eigenes, ewiges Leben – das sind doch gute Antworten auf unsere Fragen! Amen.



Pfarrer Manfred Mielke
51580 Reichshof
E-Mail: Manfred.Mielke@ekir.de

(zurück zum Seitenanfang)