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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

6. Sonntag nach Trinitatis, 03.07.2016

Das Wasser der Taufe trägt
Predigt zu Römer 6:3-8, verfasst von Thomas Volk

Liebe Gemeinde,

bei diesem Projekt sind alle absolut begeistert gewesen und haben sich gefragt: „Wie ist er wieder nur auf diese geniale Idee gekommen?“

Ich spreche von dem neuesten Kunstwerk des Verpackungskünstlers Christo, das bis heute zu sehen und vor allem zu begehen ist. “The Floating Piers”, „Schwimmende Stege“ hat er es genannt. Seit Mitte Juni ist es am Iseo-See in Norditalien zu bestaunen.

Es handelt sich um 220.000 Kunststoffwürfel, die zusammengefasst worden sind und einen drei Kilometer langen Steg bilden. Auf ihm können Gäste trockenen Fußes zu zwei Inseln laufen.

Das muss ein einmaliges Erlebnis sein. Über das Wasser des Sees gehen. Seine Bewegung unter den Füßen spüren. Jede noch so kleine Welle. Und dann erleben, wie der Untergrund trägt.



Die Bilder in den Medien von den „Schwimmenden Stegen“ sind nicht nur schön anzusehen, sie geben auch das Thema des heutigen Sonntags perfekt wieder.

Der 6. Sonntag nach Trinitatis stellt mit seinen Texten und Liedern die Taufe in den Mittelpunkt. Genauso ist das auch mit der Taufe zu sehen. Sie ist für uns Christen auch ein tragendes Ereignis im buchstäblichen Sinn. Sie trägt uns durch unser ganzes Leben hindurch.



Können Sie sich an Ihre Taufe erinnern?

An das genaue Datum? An die Kirche?

An Ihren Taufspruch? Welche Lieder gesungen worden sind?

Wer alles dabei gewesen ist?



Ich habe es mir seit einigen Jahren angewöhnt, einmal im Jahr in die Kirche zu gehen, in der ich getauft worden bin. Ich setze mich dann in den Chorraum neben den Taufstein und versuche mir vorzustellen, wie das damals bei mir gewesen sein muss. Ich tue das alleine schon deshalb, weil es kein einziges Bild von meiner Taufe gibt. Ich schaue dann den Taufstein an und sage mir: „Da bist du also als ganz am Anfang deines Lebens getauft worden. Hier haben deine Eltern und deine Paten dir das Allerbeste für dein Leben gewünscht. Hier ist dir am Anfang deines Lebensbogens ein Segen zugesprochen worden, der dich immer wieder darin bestärken soll: „Du bist gehalten und getragen. Von Christus. Auf allen Wegen, die du einmal gehen wirst und die heute noch niemand kennt. Auf ihn kannst du dich immer verlassen.“



Schon für den Apostel Paulus ist die Taufe das tragende Ereignis für alles weitere Leben gewesen. Das Schriftwort für den heutigen Sonntag spricht davon. Hören Sie aus dem 6.Kapitel des Römerbriefs die Verse 3-8:

3 Oder wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft?

4 So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln.

5 Denn wenn wir mit ihm verbunden und ihm gleichgeworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein.

6 Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, so dass wir hinfort der Sünde nicht dienen.

7 Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde.

8 Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden.



Bei Paulus tut sich ein ganz anderes Bild auf, als der Blick auf glitzernde orange-gelbe Stege, die im Sonnenlicht besonders schön glänzen. Er spannt den Bogen viel weiter. Viele Gedanken gehen bei ihm ineinander über.

Auf den ersten Blick hat es den Anschein, dass Paulus genau vom Gegenteil dessen spricht, was die „Schwimmenden Stege“ aussagen wollen. Denn für Paulus geht bei der Taufe zuallererst etwas unter. Und zwar der alte Mensch. Er wird regelrecht zu Grabe getragen. Denn die Taufe ist das Fest einer zweiten Geburt.

Dazu sind früher Kinder und Erwachsene bei ihrer Taufe ganz untergetaucht worden. Große Kirchen in Italien und Frankreich hatten dazu ihre eigenen Taufkapellen mit großen Taufbecken. Und mit diesem Untertauchen und Auftauchen sollte deutlich werden. Du bist jetzt ein neuer Mensch.



Paulus formuliert so drastisch, weil er der Meinung ist, dass wir Menschen im Leben immer an etwas Bestimmtes gebunden sind. Für Paulus gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten. Die Bindung an die Sünde und die Bindung an Christus.

Martin Luther hat es später einmal so gesagt: "Der Mensch ist ein Reittier. Er wird von Christus geritten - oder vom Teufel." Ein deutliches Wort.

Was hat dich da bloß geritten“, sagen wir, wenn jemand unüberlegt, leichtsinnig oder gefährlich gehandelt hat.

Das, was den „alten Menschen“ reitet, umschreibt Paulus mit dem Wort „Sünde“.

Dieses Wort ist für mich das „verbrauchteste Wort“ unseres christlichen Glaubens, weil man jahrhundertelang zu sehr an moralischen Verfehlungen festgemacht hat. Paulus meint damit alle möglichen Abhängigkeiten, die uns von außen oder innen uns bestimmen wollen und gleichzeitig verhindern, dass wir mit Gottes Hilfe unseren eigenen Lebensweg entdecken und dann gehen können.

Es ist ja auch so bequem und so einfach,

Die Folge: Wer sich so von Menschen und Mächten bestimmen lässt, macht sich abhängig und lebt eigentlich nicht mehr richtig. Er ist eigentlich tot.



Wie man da raus kommt? Dieser Schicksalsgemeinschaft von Sünde und Tod entkommt man nicht anders, als dass man ihr stirbt. In der Taufe. Paulus zeigt an Hand der Taufe, worin der Unterschied zu früher besteht. Mit dem Eintauchen in das Wasser ist das „alte Leben“ zunichte gemacht.

Paulus argumentiert hier rechtsphilosophisch. Wer gestorben ist, ist aller Verbindlichkeit frei (V.7). Mit anderen Worten: Wer gestorben ist, schuldet der Sünde nichts mehr. Der alte Machtbereich, der immer nur auf Verderben und Vergehen ausläuft, herrscht nicht mehr über uns, hat keine Macht mehr.



Das "neue Leben" zeigt sich darin, dass wir der Sünde regelrecht abgestorben sind, weil wir mit Christus untrennbar verbunden sind (V.5). Und diese Bindung trägt.

Natürlich kann man jetzt denken: Wer getauft ist, ist allen Beschwernissen des Lebens entrückt. So wie manche bei den „Schwimmenden Stegen“ geschrieben haben: „Mit Christo über den See wandeln.“ Als ob es im Leben derer, die getauft sind, keine Stolperfallen gibt oder als ob die Wege immer nur leicht und angenehm sind. Aber Paulus ist sich sicher, dass die Taufe trägt.



Wo und wann in Ihrem Leben, haben Sie gespürt, dass diese Verbundenheit mit Christus getragen hat?

Vielleicht als Sie mal in einen OP-Raum hineingeschoben worden sind und gemerkt haben, dass die Worte vom „Wandern im finsteren Tal“ (Psalm 23) keine leeren Worte sind, sondern wirklich beruhigen?

Als die Kinder ausgezogen sind, weit weg und Sie gemerkt haben, dass sich andere Wege aufgetan haben, auf denen man neue Aufgaben gefunden hat, die Sie ausgefüllt haben?

Als sich dieser eine Berufswunsch nicht erfüllt hat und die Welt doch nicht zusammengebrochen ist und Sie aus den eingefallenen Hoffnungen ein neues Lebenshaus bauen konnten?

Oder als Ihnen gesagt worden ist: „Sie müssen ihr Leben lang mit dieser Beeinträchtigung auskommen!“ und Sie erleben konnten, dass das Leben auf ganz andere Weise neue Qualität bekommen hat?

Der Wochenspruch für diese Woche sagt es so: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst“, spricht Gott. „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein“ (Jesaja 43,1).

Wir sind erlöst von Christus, dem tragenden Grund unseres Lebens. Erlöst von so manchem, was uns reitet, was uns gefangen nimmt, was uns allen Lebensmut raubt und was uns hindert, nach links und rechts zu schauen. Denn Christus hat sich mit dir verbunden. In der Taufe. Er hat dich bei deinem Namen gerufen. Mit seiner Hilfe kannst du dich immer wieder neu aufmachen.



Es ist gar nicht so einfach ein ganzes Leben lang als „neuer Mensch“, der wir mit der Taufe sind, zu leben. Vor allem, weil man schnell wieder in die alten Muster hineinfallen kann und gesagt bekommt: “Pass auf!“ „Das kannst du nicht! Das darfst du nicht!“ „Das ist zu gefährlich!“

Die „Schwimmenden Stegen“, haben übrigens links und rechts keine Absicherungen. Wer weiß, ob dieses Projekt in Deutschland überhaupt genehmigt worden wäre?

Wie auch immer, die Bindung an Christus hat auch kein Geländer, sondern besteht nur aus dem tragenden Grund. Will heißen: Unsere Lebenswege sind nicht vorgegeben. Sie entstehen, indem wir sie gehen. Vieles steht auf wackligem Fundament und ist in Bewegung. Und vielleicht fallen wir auch einmal ins Wasser.



Deshalb erinnert uns dieser heutige Taufsonntag auch an unsere Bestimmung - egal wie wenn lange sie zurückliegt - und macht uns Mut: „Komm! Geh deinen Weg. Trau dich, die Einheitspfade zu verlassen. Was für alle gilt, muss für dich nicht gelten.

Oder willst du wirklich so leben, dass du dich abhängig machst von allem möglichen?

Willst du dich ständig bestimmen lassen oder mit Christus, dem Licht der Welt, immer wieder deine eigenen Wege neu ausleuchten?

Willst du deine kostbaren Nachmittage damit vergeuden, die vielen sogenannten Reality-Shows, die doch keine echten sind, dir anzutun.

Willst du deine Meinung daraus ziehen, was andere sagen oder willst du selbst der Sache auf den Grund gehen?

Willst du mitmachen bei dem Gerede über andere oder dir nicht selbst eine Meinung bilden?“



Probiere es immer wieder neu aus! Das Wasser der Taufe trägt. Es trägt dich. Es hat dich bis hierher getragen. Und es trägt dich weiterhin.

Und das Lebensfundament, das Gott in der Taufe gelegt hat, ist tragfähiger als alles Verstehen und Begreifen. Es bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 



Pfarrer Thomas Volk
97340 Marktbreit
E-Mail: thomas.volk@elkb.de

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