Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

6. Sonntag nach Trinitatis, 03.07.2016

Taufsonntag
Predigt zu Römer 6:3-9, verfasst von Christiane Borchers

 


Liebe Gemeinde!
Zu Beginn eine Geschichte, eine Geschichte von einer Taufe. Heute ist ein besonderer Tag in der Familie Meyerhoff. Die kleine Maja soll getauft werden. Die Mutter hat das Baby schön angezogen. Maja trägt das Taufkleid, das sie selbst und ihre Mutter bereits zur Taufe getragen haben. Es ist schon so etwas wie eine Familientradition, dass die Mädchen in demselben feinen weißen Kleid getauft werden. Frau Meyerhoff möchte diese Tradition fortführen. Sie hat das Taufkleid sorgfältig aufbewahrt. Heute trägt es ihre kleine Tochter. Liebevoll blickt sie ihr Baby an und lächelt. Sie ist glücklich, glücklich über die Geburt ihrer Tochter, glücklich, dass sie heute getauft wird. Maja liegt ruhig und zufrieden in ihrer Trage. Hoffentlich ist sie auch so ruhig in der Kirche, sorgt Frau Meyerhoff sich. Sie möchte doch etwas von der schönen Taufansprache der Pastorin mitbekommen. Die Gemeinde schätzt es nicht, wenn Kinder im Gottesdienst stören. Zur Not muss ihre Mutter mit Maja und ihrer größeren 4-jährigen Schwester nach der Taufe die Kinder nehmen und, bevor die Pastorin mit der Predigt beginnt, den Gottesdienst verlassen. Das aber nur im Notfall. Die ganze Familie möchte lieber am ganzen Taufgottesdienst dabei sein.  „Richard“, ruft Frau Meyerhoff ihren Mann, „bist du so weit? Kommst du?“ „Ja, ich komme“, antwortet er und schnappt sich die Autoschlüssel. „Es kann losgehen.“ Er nimmt die Trage des schlafenden Babys, Frau Meyerhoff reicht dem älteren Geschwisterkind die Hand. Die Familie besteigt das Auto und fährt zur Kirche. An der Kirche angekommen, warten dort schon die anderen Verwandten, alle gut gekleidet in ihrer Festtagskleidung. Selbst der 15-jährige Peter, der für gute Kleidung überhaupt nichts übrig hat, hat sich heute bereit erklärt, etwas Gepflegteres als seine Alltagsjeans und seine heißgeliebten Turnschuhe anzuziehen. Die Glocken läuten, der Küster geleitet die Taufgesellschaft zu ihren Plätzen ganz vorne.  In der ersten Reihe sitzen die Eltern mit dem Täufling und der vierjährigen Tochter. Die Orgel beginnt zu spielen. Maja hört sie das erste Mal in ihrem Leben. Maja bleibt ganz ruhig, sie schläft still auf dem Schoß der Mutter. Die Pastorin spricht Eingangsworte und ein Gebet, liest aus der Bibel. Jetzt spricht sie die Familie Meyerhoff direkt an: „In diesem Gottesdienst soll ein Kind getauft werden. Die Eltern Sabine und Richard Meyerhoff bringen ihre Tochter Maja vor Gott.“  Die versammelte Gemeinde hört auf die biblischen Worte, nach denen die Taufe eingesetzt ist. Zusätzlich erinnert die Pastorin an Jesu Taufe, wie er von Johannes dem Täufer im Jordan getauft worden ist: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen“, hat Gott zu ihm gesagt. Der Himmel hat sich geöffnet, eine Stimme erklang vom Himmel her. Jesus sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. „Du bist meine liebe Tochter, an dir habe ich Wohlgefallen“, übertrug die Pastorin die Worte, die an Jesus gerichtet waren, auf Maja. „Wie wohl es tut, diese Worte zu hören“, stellt die Mutter fest. Sie sind Balsam für ihre Seele. Gott liebt ihre kleine Tochter, so wie sie sie liebt. Kurz darauf werden sie und ihr Mann aufgefordert, Maja zum Taufbecken zu bringen. Gerne kommen sie der Aufforderung nach. Behutsam nimmt sie das Kind auf den Arm, überreicht es ihrem Mann, der es zum Taufbecken trägt. Zwei Patinnen hat sie für ihre kleine Maja ausgewählt: die Schwägerin und eine Freundin. Frau Meyerhoff nimmt dem Baby das Mützchen ab. Die Schwägerin hält das Kind über das Taufbecken. Wassertropen ergießen sich dreimal über den kleinen Täufling. Das Wasser hat das Kind geweckt. Mit großen Augen blickt Maja die Täuferin an. Geduldig lässt sie das Wasser über sich ergießen, dann jauchzt sie vor Freude und strahlt. Ein Lachen geht durch die Gemeinde. Der Jauchzer des Kindes steckt an. Die Eltern und Paten sind gerührt, die vierjährige Schwester hat die Taufe hautnah am Taufbecken mit verfolgen dürfen und freut sich auch. Nachdem ein Gebet gesprochen wurde, dürfen sich die Familie und die Patinnen wieder setzen. Die Gemeinde singt das Tauflied: „Ich bin getauft auf deinen Namen“, der Gottesdienst wird fortgesetzt. Die kleine Maja, ihre ältere Schwester und die anderen Kinder, die ebenfalls mit zur Taufe gekommen sind, sind so  lieb, dass sie bis zum Schluss dabeibleiben dürfen. Der Segen beendet den Gottesdienst, unter Orgelbegleitung verlässt die versammelte Gemeinde die Kirche. Für die Taufgesellschaft geht die Tauffeier in der Familie mit dem Mittagessen in einem Restaurant weiter, am Nachmittag wird es zu Hause bei Meyerhoffs Kaffee und Kuchen geben.

Die Taufe ist neben der Taufe im Gottesdienst eine Familienfeier und ein Freudenfest. Die meisten Getauften entsinnen sich nicht ihrer eigenen Taufe, denn in evangelischen Kirchengemeinden ist die Taufe als Baby oder Kleinkind üblich. Die Eltern, Großeltern und Paten erinnern sich aber an die Taufe ihrer Kinder, Enkel und Patenkinder; erzählen vielleicht später den Täuflingen von der Taufe in der Kirche und der anschließenden Familienfeier. Die Taufe gehört mit zu den freudigen Kasualien. Der Apostel Paulus aber verbindet die Taufe in seinem Römerbrief mit Sünde und Tod.  Bei uns denkt kein Mensch bei der Taufe an Sünde und Tod. Und wenn wir doch von diesem Zusammenhang wissen, so wollen wir dieses Thema zu diesem freudigen Ereignis gewiss nicht ansprechen. In der Taufe wird dem Täufling unverbrüchlich und persönlich die Gnade Gottes zugesagt. Das ist ein Grund zur Freude.

Paulus mutet uns mit diesem Abschnitt über die Taufe in seinem Römerbrief eine schwere Kost zu. Er stellt die Taufe in Zusammenhang mit dem Kreuz, der Sünde und dem Tod. Paulus erinnert daran, dass die Täuflinge, die auf Christus getauft sind, auf Jesu Tod getauft sind. Täuflinge sind zu allererst Sterbende, die, wie Jesus, dem Tod entgegengehen und begraben werden. Der Tod ist aber nicht das Ende, er ist die Wende zum neuen Leben. Der Tod birgt einen Anfang in sich. Getaufte sind mit Jesus verbunden. Sie haben Anteil an seinem Sterben und an seiner Auferstehung. Auf Tod folgt Leben.  Für Paulus ist ein Mensch zunächst ein sündiger Mensch, der den Tod verdient hat. Die Sünde aber muss sterben. Sie hat keine Zukunft. Der „alte“ Mensch, der er vor seiner Taufe war, stirbt. Er kann nicht mehr sündigen, er ist tot. Durch die Taufe auf Christus aber haben Christinnen und Christen das Leben. Sind Getaufte mit Christus gestorben, so werden sie auch mit ihm leben. Das ist Paulus’ fester Glaube.

In den ersten christlichen Gemeinden werden Menschen als Erwachsene getauft. Die Taufe bildet den feierlichen Abschluss des Taufunterrichtes mit dem Bekenntnis zu Jesus Christus als dem Sohn Gottes, dem Retter und Erlöser. Im dritten Abschnitt führt Paulus den rettenden und Leben stiftenden Gedanken fort: Der Tod hat keine Macht mehr. Jesus hat für die Sünden der Menschen bezahlt. Getaufte leben, wie Christus, von Gott her, und stehen nicht mehr unter der Macht der Sünde. Paulus geht es an dieser Stelle nicht in erster Linie um den stellvertretenden Tod Jesu am Kreuz, sondern um ein neues Leben vor Gott. Getaufte haben es nicht nötig, ein von Gott getrenntes Leben zu führen. Befreit von Sünde können sie ihr Leben unter die Gnade des lebendigen Gottes stellen und es danach ausrichten.

Wir wissen, dass Getaufte neu sündigen. Paulus erinnert sie daran, dass sie das nicht brauchen, denn Christus hat Christinnen und Christen von der Sünde befreit. Die Taufe hat Konsequenzen für die Haltung zum Leben und die Lebensführung: Taufe und Menschenverachtung passen nicht zusammen. Taufe beinhaltet eine Erneuerung des Menschen. Das Alte, Belastende, Zerstörerische ist im Wasser der Taufe untergegangen. Das Untertauchen des ganzen Menschen im Wasser - die übliche Taufpraxis in den ersten christlichen Gemeinden -  stellt symbolisch ein Sterben des alten Menschen dar. Mit dem Auftauchen aus dem Wasser beginnt das Leben neu. Der Getaufte ist ein neuer Mensch, geliebt und angenommen bei Gott; berufen, auf ihn hin zu leben. Immer wenn Luther in starke Anfechtung fällt, erinnert er sich an seine Taufe. Das gibt ihm Kraft und Gewissheit, bei Gott angenommen zu sein. Die Taufe überwindet das Böse. In der Taufe wird das Böse ertränkt. Die Trennung zwischen Gott und Mensch ist aufgehoben. Durch die Taufe ist uns das Leben neu geschenkt. Der neue Zustand hat Auswirkung auf unser Denken, Tun und Lassen. Sich der eigenen Taufe zu vergewissern, schenkt Zuversicht und Vertrauen, das neue Leben vor Gott zu führen.

Die Familie Meyerhoff stellt sicher den Freudenaspekt der Taufe in den Vordergrund. Das mit gutem Grund. Denn die Taufe versichert uns der Gnade und Zuwendung Gottes. Kein Leben verläuft ohne Brüche. In keinem Leben gibt es nur Freude und Glück. Je älter wir werden, umso mehr bekommen wir ein Gespür dafür, dass wir nicht aus eigener Kraft leben und uns unser Glück selber verschaffen können. Wir sind angewiesen auf Menschen, die es gut mit uns meinen. Wir brauchen andere, um glücklich zu sein. In der guten Gemeinschaft mit anderen Menschen fühlen wir uns wohl und aufgehoben. Kein Mensch kann für sich alleine leben. Das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann, ist, dass er sich allein fühlt. Menschen, die mit schwierigen Situationen in ihrem Leben fertig werden müssen, beklagen am meisten, dass sie allein mit ihren Problemen dastehen. Die Taufe erinnert uns daran, dass wir nicht allein sein. Gott ist immer für uns da, auch wenn alle anderen Menschen uns verlassen haben. Gott bietet seine Gemeinschaft an und trägt uns, wenn wir den Halt verlieren und die Gefahr droht, verloren zu gehen. Die Taufe ist ein sichtbares Unterpfand, dass Gott uns liebt und uns seine Gemeinschaft nicht versagt. Wir gehören zu Gott und er zu uns. Das ist ein Grund zur Freude. Amen.   

 



Dipl.-Theol. Pfarrerin Christiane Borchers
26721 Emden
E-Mail: christiane.borchers@web.de

Bemerkung:
Liedvorschläge:
EG 200: Ich bin getauft auf deinen Namen
EG 408: Meinem Gott gehört die Welt
EG 123: Jesus Christus herrscht als König



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