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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

7. Sonntag nach Trinitatis, 10.07.2016

Fürchtet nicht ….
Predigt zu Matthäus 10:24-31(dänische Perikopenordnung), verfasst von Anders Kjærsig

ch erinnere mich daran, dass wir in der Schule einen Aufsatz schreiben sollten mit dem Thema: Freitag, der 13. Ich schrieb über einen unheimlichen Mann, der nachts in mein Schlafzimmer kam, schwarz gekleidet und mit einer Mütze auf dem Kopf und einem Messer in der Hand. Der Aufsatz selbst handelte von dem Augenblick kurzbevor er das Messer hob, kurz bevor alles vorbei war, von all den Gedanken, die einem vierzehnjährigen Jungen durch den Kopf gehen. Ich glaube, dass es damals in war, unheimliche Filme wie Frankestein und Psycho zu sehen.

Aber als der Mann das Messer in die Brust des Jungen jag en wollte, erwachte er und merkte, dass alles nur ein Traum war. Freitag der 13. war nicht gefährlich.

Der Aufsatz schloss mit den Worten: Träume können unheimlich sein, aber glücklicherweise sind es nur Träume, und man erwacht am nächsten Morgen zum Singen der Vögel, bereit den Tag zu beginnen. Furcht ist deshalb nicht die Wirklichkeit, es sind nur Träume, vor denen man Angst haben muss.

Ich zeigte den Aufsatz meinen Eltern, ehe er abgegeben wurde. Mein Vater las ihn und sagte mit einem Augenzwinkern: Ich habe deinen Aufsatz gerne gelesen, habe aber eine kleine Anmerkung. Wir sollen nicht die Träume fürchten, sondern die Wirklichkeit. Sie ist gefährlich, und das gilt auch für einen Jungen wie dich, nicht zuletzt wenn der Lehrer herausfindet, dass du Furcht mit d schreibst. Fürchte deinen Lehrer und Lehrmeister und denke daran, deine Dinge ordentlich zu machen.

So endete das Gespräch mit meinem Vater. Er lobte den Aufsatz, und er wurde am nächsten Tag abgegeben. Das d wurde entfernt und jede Form von Furcht war verschwunden. Der Lehrer bekam seinen Aufsatz, und wir anderen konnten Fußball spielen.

Dieses Wort oder die Worte „Furcht“ und „fürchtet nicht“ durchziehen den Text dieses Sonntags. Im neutestamentlichen Griechisch heißt es phobos und bedeutet, Angst vor etwas zu haben oder es zu fürchten. Aber wohlgemerkt in einem anderen Sinne als dem, was wir mit dem Wort verbinden.

In der modernen Psychologie unterscheidet man zwischen Angst und Furcht. Wo die Furcht sich immer auf einen konkreten Gegenstand bezieht, ist die Angst gegenstandslos. Man kann den Hund des Nachbarn fürchten, weil er beißt, aber wenn man Hunde sieht, die überall beißen, ganz gleich wo man geht, dann hat sich die Furcht in Angst verwandelt. Furcht ist all das, was wir fürchten: Gewalt, Krieg, wirtschaftlicher Bankerott, Einsamkeit, alles, was unser Leben zerstören kann.

Aber in der biblischen Literatur hat Furcht, phobos, eine andere und selbständige Bedeutung. Hier ist es ein Ausdruck für das Verhältnis zwischen Gott und dem Menschen. Es ist nicht so sehr ein Zustand, sondern eine Beziehung. Wir begegnen dem zum ersten Mal im Bericht vom Sündenfall, wo sich Adam zwischen den Bäumen versteckt aus Furcht vor Gott. Er fürchtet Gott und dessen Strafe, weil er ihm ungehorsam war, weil er sich gegen Gott aufgelehnt und sich an seine Stelle gesetzt hat.

Seit dem ist es das Schicksal des Menschen gewesen: Wir können Gott nicht so sehr lieben, wie er uns liebt, er hat uns ja geschaffen, und deshalb ist es nicht unsere Aufgabe, uns selbst zum Herren zu machen. In diesem Sinne ist Gottesfurcht eine gesunde Mischung aus Respekt und Liebe. Und die meisten besitzen sie ganz wie Adam.

Ich las neulich von einem Pastoren, der meinte, dass die Kinder keinen Respekt vor den Erwachsenen hätten. Selbst den Erwachsenen, die sie am meisten schätzten. Der Grund liegt darin, schrieb der Pastor, dass die Liebe, mit der wir anderen Menschen begegnen, nicht das Maß an Furcht enthält, das erforderlich ist, damit wir keine Übergriffe begehen. Man kann andere Menschen grenzenlos lieben – aber nicht respektlos. Das gilt auch für Eltern, Geschwister und Freunde.

Das gilt auch in einer Ehe. Mein Großvater fürchtete immer meine Großmutter. Nicht weil er ihr untreu war oder etwas heimlich getan hatte, von dem sie nichts wusste, sondern weil er sie liebte. Er wusste, dass da eine Grenze war, die man nicht überschreiten sollte, wenn man mit ihr auf gutem Fuß stehen wollte. Und da Großvater Großmutter nicht wehtun wollte, überschritt er nie diese Grenze.

Die Mischung aus Liebe und Furcht, mit der er sie liebte und die erwidert wurde, machte sie in vielen Dingen furchtlos in al den anderen Beziehungen, in denen sie sonst im Leben standen. Sie erhielten dadurch Stärke, dass sie einander liebten und fürchteten in einem in einer gegenseitigen Beziehung.

Sehen wir wieder auf den Text, so wird dort zu den Jüngern gesagt, dass sie nicht die fürchten sollen, die sich dem Bösen verschrieben haben, denn der Böse ist im Grunde ganz ungefährlich. Vielmehr sollen sie Gott fürchten, denn Gott hat alles geschaffen und erhält auch das Leben des einzelnen Menschen. Dafür hat man aber nichts zu fürchten, wenn man Gott fürchtet, denn er ist der erste und der letzte und deshalb selbst für das Böse und den Bösen unantastbar.

Furcht wird also zu fürchtet nicht. Oder besser Gottesfurcht wird zu einem fürchte nicht in der Welt. So wie mit Großvater und Großmutter. Das wird nicht zuletzt durch das Bild von den beiden Tauben unterstrichen, die nicht zur Erde fallen, ohne dass Gott es will und mit ihnen ist, wieviel mehr wird Gott den Menschen beschützen. Er will ihn beschützen und sich seiner annehmen, wie ein Vater sich seiner Kinder annimmt.

Das wird u.a. in der Taufe gesagt: Er ist mit dir am Ausgang und Eingang deines Lebens, er beschützt dich im Leben und im Sterben. Er sorgt für alles, und deshalb hast du nichts zu befürchten und nicht, worüber du dir Sorgen machen müsstest:

 

- Fürchte nicht dich selbst. Habe keine Angst, ob du nun auch gut genug bist. Auch wenn du dir vorstellen könntest, eine andere Person zu sein, so denke daran, dass Gott dich als ein einzigartiges Wesen geschaffen hat und dich mit all deinen Fehlern und Mängeln liebt. Du brauchst weder den Spiegel oder die Waage zu fürchten. So wie Gott dem geringsten Geschöpf das Daseinsrecht gegeben hat, um wieviel mehr liebt er dich, ganz gleich wie du aussiehst und wer und was du bist.

 

- Fürchte nicht das, was du in der Welt siehst. Sie ist gefährlich, die Welt also, aber sie ist das Leben wert. Tod und Unglück und Schmerz sind ein Teil von ihr, aber das soll uns nicht den Lebensmut nehmen, das soll uns nicht daran hindern, uns zu entfalten, denn wir haben ja nichts zu befürchten. Wenn du Angst hat und meinst, dass die Welt dir mehr feindlich ist als du ertragen kannst, dann denke an die Worte an die Jünger.

 

- Fürchte nicht den Tod. Er ist nicht das Letzte. Lebe das Leben, solange du hier bist, atme und schmecke die Luft und lege ganz ruhig den Tod und das, was danach kommt, in die Hände Gottes. Wenn er Leben aus dem Nichts schaffen kann, kann er auch die Toten auferwecken. Lass darum das Licht der Auferstehung in das Leben leuchten, das du lebst, und denke an die Worte bei deiner Taufe, dann brauchst du nichts zu fürchten, auch nicht den Tod.

 

Fürchtet euch nicht! Der Ausdruck enthält in sich einen Trost. Denke nur an die Engel am Weihnachtsabend, die zu den Hirten sagten, die Angst hatten: Fürchtet euch nicht! Siehe ich verkündige euch große Freude. Paul Gerhard nimmt das auf in seinem schönen Lied: Befiehl du deine Wege. Es handelt davon, dass man alle seine Furcht und Sorge auf Gott werfen soll, weil Gott der beste Schutz vor aller Gefahr ist. Und Gefahren gibt es viele in dem Lied von Paul Gerhard:

Fürchte nicht den beißenden Sturm,

fürchte nicht das stürmische Meer,

fürchte nicht Sorgen und Grämen,

fürchte nicht den Schmerz,

fürchte nicht die Mächte der Hölle,

fürchte nicht den Tod.

 

Neben all dem, was man fürchten könnte, aber nicht fürchten soll, steht die allmächtige Liebe Gottes. Sie sprengt und entmachtet das, was wir fürchten. An sie sollen wir glauben und auf sie sollen wir hoffen, sie hält die Splitter zusammen, so dass nicht alles auseinanderfällt. Deshalb fährt das Lied von Paul Gerhard fort, indem es von Gott als dem allmächtigen und beschützenden Vater spricht:

 

Er bindet den Sturm und gebietet den Wogen Einhalt,

er nimmt die Sorgen und Schmerzen auf sich und schenkt dir Freude,

er nimmt dir die Furcht und gibt dir seinen Segen,

er öffnet das Grab und durchbohrt den Tod mit dem ewigen Leben.

 

Oder mit den eigenen Worten Pauls Gerhards und seinem Stil und seiner lyrischen Kraft:

 

Auf, auf, gib deinem Scherze

und Sorgen gute Nacht,

lass fahren, was das Herze

betrübt und traurig macht;

bist du doch nicht Regente,

der alles führen soll,

Gott sitzt im Regimente

und führet alles wohl.

 

Amen.

 

 



Pastor Anders Kjærsig
DK-5792 Årslev
E-Mail: ankj(at)km.dk

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