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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

13. Sonntag nach Trinitatis, 21.08.2016

Es ist Zeit
Predigt zu Matthäus 20:20-28(dänische Perikopenordnung), verfasst von Rasmus Nøjgaard

Es ist Zeit, sich zu entscheiden, ehe es zu spät ist, und es ist vielleicht bald zu spät. Die Mutter von Jakobus und Johannes ahnen, dass es Zeit ist, und sie verstehen, dass Jesu Tod und Auferstehung nahe bevorstehen. Die Jünger haben die wiederholten Voraussagen Jesu gehört, verstehen aber nichts. Sie sind passiv, auch die beiden Söhne schweigen. Allein ihre Mutter macht sich Sorgen, und sie bittet Jesus um das, was jede Mutter für ihre Söhne wünschen muss: Dass sie auferstehen und im Himmelreich den Platz zur Rechten und zur Linken Jesu einnehmen werden.

Die anderen zehn Jünger haben keine Mütter, die für die Auferstehung und die himmlische Würde ihrer Söhne bitten, und sie sind erbost über das Glück der beiden Brüder. Vielleicht fürchten sie, dass sie selbst keinen Platz weder zur Rechten noch zur Linken Jesu bekommen werden. Vielleicht ärgern sie sich über den mütterlichen Ehrgeiz und darüber, dass die beiden Zwillinge ihrer Mutter keinen Einhalt gebieten sondern geradezu bestätigen, dass sie bereit sind, denselben Kelch zu trinken wie Jesus. Wir ahnen den Ehrgeiz unter den Jüngern. Wir spüren, dass der Ehrgeiz sogar von den Familien der zwölf geteilt wird, die den Status der Jünger und ihren Rang unter den Scharen Jesu genossen haben müssen.

Aber wir erkennen auch die Ironie wieder bei Simon Petrus, als Jesus ihm die Macht der Schlüssel zum Himmelreich anvertraut, ihm, der dreimal hintereinander leugnet, dass er Jesus kennt, dem er sonst seine Treue und Liebe geschworen hat. Jakobus und Johannes glauben, dass die den Kelch Jesu trinken können, ohne zu ahnen, was sie damit versprochen haben. Jesus hatte ja dreimal seinen Tod vorausgesagt, aber sie verstehen es nicht. Jesus verurteilt nicht das verhängnisvolle Gelöbnis der Zwillinge, er bestätigt vielmehr, dass es so kommen wird: Sie werden den Tod erleiden im Namen Christi. Wovon wir später in der Apostelgeschichte hören werden, wo Jakobus, und möglicherweise auch Johannes, wirklich den Kelch des Todes trinken und Jesus treu bleiben im Martyrium, nicht das kriegerische Martyrium, das andere mit in den Tod reißt, sondern das christliche Martyrium, das widerstandslos und demütig den Tod auf sich nimmt als das äußerste Zeugnis. Es liegt mit anderen Worten eine Vorhersage vor von der Zeit, die kommt, aber das wissen nur wir, nicht Jakobus und Johannes, und schon gar nicht die anderen zehn oder gar ihre Mutter.

Der Tod wird dann später in vieler Weise thematisiert, am deutlichsten in der Taufe, die schon bei Paulus zum Bild dafür wird, dass jeder Christ der Welt abstirbt und in Christus lebendig gemacht wird. Eine Wiedergeburt und Auferstehung in dieser Welt als Ausdruck dafür, dass der Christ sein neues Leben als Teil des Leibes Christi leben soll mit demselben Ideal des Dienstes , den er uns lehrt. Wie dies das Matthäusevangelium so deutlich hervorhebt.

Es ist keine unwesentliche Pointe, dass Jesus das schwere Schicksal der beiden Söhne anerkennt. Es ist sogar der Hintergrund für die folgende Belehrung Jesu. Denn er ist nicht gekommen, um die Leute mit einem Vorrang an Macht und Ehre zu belohnen, sondern sein Leben ist ein Beispiel für die Nachfolge in demütigem Dienst für andere. Hier wird nicht aufgezählt, wem zu dienen er gekommen ist, aber Jesus hat so oft deutlich gemacht, dass er nicht für seine Familie und sein Volk gekommen ist, auch nicht für die, die schon bekehrt sind, sondern er ist zu all denen gekommen, die noch nicht berufen sind, alle Völker.

Damit wir die Botschaft nicht missverstehen, verweist Jesus als Gegenbild auf den Machtmissbrauch der Fürsten und Mächtigen. Jesus verdeutlicht so den Dienst, den der Christ ausüben muss, ganz gleich ob er mächtig ist oder nicht. Vielleicht lässt sich das geradezu so auslegen, dass kein Mensch sich davon freisprechen kann, dass er Macht über andere Menschen ausübt. Kein Mensch ist in diesem Sinne frei, sondern gebunden an das strengste Gebot Jesu, auf sein besonderes Geburtsrecht zu verzichten und stattdessen zu dienen. Auch wenn wir dabei unsere äußere Sicherheit und unseren wirtschaftlichen Wohlstand verlieren.

Wie das Machtverhältnis auf den Kopf gestellt ist im Vergleich zum hierarchischen Ideal der damaligen Gesellschaft von einer starken Führung, dass macht Jesus selbst in der Achillesferse seines ganzen Evangeliums deutlich: Das Gericht ist nicht das des Menschensohnes, sondern des Vaters. Der Stuhl des Richters ist nicht leer, Gottvater der Allmächtige sitzt noch immer auf seinem himmlischen Thron, und ohne ihn ist der Sohn nichts. Das Gericht ist Gott nicht aus der Hand genommen, er ist nicht impotent geworden in der Gestalt seines Sohnes, sondern der Sohn hat allein seine Macht in der Kraft seines Vaters und kann nichts ohne ihn. Alle Ehre gehört dem Vater, nicht dem Sohn. Das macht den Sohn nicht schwach, wie wir n überraschender Präzision unmittelbar nach diesem Evangelium lesen (Matth. 20,29-34), wo Jesus machtvoll zwei Blinde heilt. Das geschieht unmittelbar bevor er hinauf nach Jerusalem reist. Er wird nicht den Tod leiden, weil er schwach ist, sondern weil es notwendig ist für das Heil des Menschen. Vielleicht erhalten wir hier einen Einblick in das Wesen Gottes als eines gnädigen Gottes, der sich von der Welt, die ihm begegnet, anrühren lässt.

Es liegt eine Konsequenz in dieser rhetorischen Demonstration der Forderung des Evangeliums hier unmittelbar bevor die Dramatik der Osterwoche uns erschüttern wird. Kein Mensch kann der Botschaft Jesu folgen, ohne demütig den Völkern zu dienen und das Urteil Gott dem Vater zu überlassen. Der Christ kann sich weder selbst einen Vorrang sichern noch andere richten. Vom Christen wird gefordert, dass er dem Endgericht vertraut, und der, der Christus folgt, scheint sich mit anderen Worten weniger um seine eigene Bequemlichkeit zu kümmern als darum, dem Menschen demütig zu dienen, der ihn offenbar braucht.

Wie das Gericht ausfallen wird, darüber können wir nur raten von den vielen Gleichnissen für das Reich Gottes aus, die Jesus erzählt hat. Unmittelbar bevor die Mutter der Zebedäus-Söhne auf den Plan tritt, wird das Reich Gottes aber mit dem Besitzer eines Weinberges verglichen, der denselben Lohn ausbezahlt für alle Tagelöhner unabhängig davon, wie scher und wie lange sie gearbeitet haben. Wir dürfen uns nicht erschrecken über diese Überraschung. Von der Belohnung sollen wir nicht träumen, allein sollen wir von uns den Einsatz fordern, den wir jeweils leisten können, wenn wir die Chance erhalten, jedem das zu geben, was zum Leben notwendig ist. Vielleicht hätte die Mutter der Zwillinge hier genauer zuhören sollen! Oder vielleicht dient sie und die beiden Jungen als ein weiteres Bild dafür, wie schwer es ist, der Botschaft zu folgen und Abstand zu nehmen von Macht und Selbstgerechtigkeit. Vielleicht sind die drei ein entlarvendes Bild unseres strebsamen Lebens?

Heute kennen wir das Schicksal Jesu, den Tod und die Auferstehung Jesu. Wir wissen, dass das Gericht kommt, aber dass auf dem Richterstuhl noch immer ein Vater und ein Sohn sitzen, deren Geist getragen ist von dem vergebenden Blick der Barmherzigkeit auf Petrus und die beiden Söhne und ihre Mutter. Das muss uns dazu anregen, nicht blind ihre Selbstgerechtigkeit und ihren Drang zu wiederholen, nur für sich und die seinen zu sorgen, sondern im Wissen vom Leben Jesu demütig denen zu helfen versuchen, die noch immer nicht das entscheidende Wort Gottes gehört und erlebt haben.

Will der Geist der Botschaft uns daran erinnern, dass der Richterstuhl nicht den Menschen gehört, sondern Gott? Dass die Macht zu lösen und zu binden Gott dem Allmächtigen gehört, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, während wir kleine Leute uns damit begnügen müssen zu dienen – nicht den Götzen dieser Welt, sondern so wie sein eingeborener Sohn unser Herr der Welt, die unsere Hilfe braucht.

Das Evangelium davon soll auch für die verkündigt werden, die allzu lange unter dem Joch der Fürsten und der Mächtigen gelitten haben, und für die, die nur Abgötter kennen und noch nicht von Christus gehört haben, und die unter uns, die noch nicht die Demut kennen, den Gehorsam und die Liebe als den Weg Jesu.

Bedeutet dies, dass wir unsere eigene Sicherheit aufgeben müssen, wie wir sie kennen, um die scheinbar unmögliche Aufgabe auf uns zu nehmen, das Evangelium für die Fremden und Nichtgläubigen zu verkündigen? Ich glaube daran. Ich glaube, es ist an der Zeit, die Selbstzufriedenheit aufzugeben und das Evangelium denen zu reichen, die es nicht kennen. Was damals schwer war, ist wieder schwer, aber was sich damals als eine Möglichkeit erwies, wird es auch heute sein. Denn es ist nicht unsere Aufgabe, Menschen auszugrenzen und ihnen mit Verschlossenheit und Unfrieden zu begegnen. Wir müssen ihnen begegnen mit dem Dienst des Evangeliums. Amen.



Pastor Rasmus Nøjgaard
DK-2100 København Ø
E-Mail: rn@km.dk

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