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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

14. Sonntag nach Trinitatis, 28.08.2016

Predigt zu Römer 8:14-17, verfasst von Hilmar Menke

Da hat er nun gezeigt, wes Geistes Kind er ist” - so sagt man ja wohl, wenn hinter der Fassade das die Realität auftaucht dessen, was eine Mensch ist, was sie oder ihn bewegt - wenn hinter der Maske das „wahre Gesicht” zum Vorschein kommt - wenn Taten die Worte widerlegen; wenn Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Oft erlebt - in der Politik besonders (und da müssen wir nicht nur auf den Wahlkampf in den USA schielen; auch bei uns gibt es da reichlich zu entdecken!) - oft genug erlebt aber auch bei Menschen, die gar nicht einmal den Anspruch erheben, etwas besonders wichtiges zu sein oder besonderes - oft auch bei Menschen, bei denen hinter ihrer vordergründigen Frömmigkeit hintergründige Bosheit zum Vorschein kommt.

Da zeigt sich dann, dass der Geist der Selbstsucht ihr Leben bestimmt, oder der Geist des Besitzes und des Habenwollens, oder der Geist der Macht.

Oder - vielleicht - auch nur der Zeitgeist, der Menschen tun und lassen, denken und sagen lässt, was „in” ist, was „man” eben zu denken, zu glauben , zu tun hat, der scheinbar harmlose Geist der Mode, der sich ja nicht auf Kleidung allein beschränkt, sonder auf den ganzen Lebensstil wirkt, der dann natürlich „lifestyle” heißt.

Ich denke auch an den Geist der Beschränktheit und der Unfreiheit, der Menschen dazu zu zwingen schein, alles abzulehnen, was anders ist als gewohnt, neu, risikoreich, fremd - und was Menschen dazu drängt, auch andere in ihrer Freiheit zu beschränken, sie so zu machen, wie man selbst ist oder sein möchte.

Auch wenn wir - in der großen Mehrheit jedenfalls (Esoterik und Aberglauben ‘mal ausgenommen) - nicht mehr an Geister glauben, selbst wenn wir die Welt nun nicht mehr von „Geistern” , von Geistwesen - gut oder böse - bevölkert sehen, die Menschen in besitz nehmen können, s dass sie eben „besessen” sind: Niemand wird ernsthaft leugnen können, dass Menschen zu erkennen geben, „wes Geistes Kind” sie sind - und das nicht nur in dem so negativen Sinn wie ich bisher zu beschreiben versucht habe - ganz im Gegenteil auch positiv!

Und niemand kann ernsthaft bestreiten, dass es so vieles gibt, was mich in meinem Denken und Tun beeinflusst, prägt und manchmal sogar festlegt - Vorstellungen, Erfahrungen, Sichtweisen, Menschen und Menschengruppen.

Paulus kennzeichnet das alles jedenfalls - so fürchte ich - als „knechtischen Geist” .- ganz gleich ob der „Geist” zum Guten treibt oder zum Bösen - kennzeichnet es als Geist der Knechtschaft, ja eigentlich sogar - besser und deutlicher noch - als Geist der Sklaverei!

Der Sklave war - zu Paulus Zeiten und weit darüber hinaus bis in die Gegenwart sogar Eigentum seines Herrn, iuristisch gedacht eine „Sache”, kein Mensch - zu kaufen und zu verkaufen und wahrscheinlich - wenn es das dann damals schon gab - steuerlich absetzbar als Betriebsmittel -

durchaus eine wertvolle Sache, mit der man auch durchaus sorgsam umging um die Arbeitskraft zu erhalten - nicht jeder Sklave wurde gequält - aber mehr als eine Sache von Wert war er eben nicht - ohne Selbstbestimmung, ohne eigenen Willen, ohne jede Spur von Freiheit - und dem entspricht eben des Slavengeist: Gehorchen ohne Nachfrage und schon gar ohne Widerspruch - Hinnehmen ohne in Frage zu stellen - in dauernder Furcht, ob man alles richtig macht; in stetiger Angst vor der Willkür der Herren - all das, was blinden Gehorsam erst ermöglicht. „Sklavengeist” - das ist Angst als Triebfeder. Und so sind Menschen nur zu oft: Getrieben von der Angst vor dem Verlust der Habe und der davon ausgehenden scheinbaren Sicherheit - Angst vor dem Verlust des bisschen Einfluss und Macht, das auch unsereiner ja hat - Furcht davor, dass es auffällt, dass man anders ist als die anderen, anders als erwünscht oder erwartet...

Wie steht es damit bei mir selbst? Fragen, die ich mich vielleicht scheue sogar im stillen Kämmerlein nur für mich selbst zu beantworten. Sollte das denn tatsächlich so sein, dass alles - auch das Gute in mir und von mir davon festgelegt ist...? Das ist ja dann nicht mehr entfernt von den Ansichten derer, die meinen, wir Menschen seien sowieso nur gesteuert durch elektrochemische Prozesse im Gehirn.....

Ja - und dann vielleicht nur zur Entlastung an Paulus die Frage: „Und was soll das ändern, wenn an die Stelle der Herren dieser Welt - „Geister” oder „Mächte” oder Weltanschauungen oder Ideologien oder irgendetwas sonst - wenn an ihre Stelle nun Gott tritt, wenn Gottes Geist mich treibt?

Ist das nicht letztlich dasselbe und nur eine andere Form der Sklaverei.

So wie das Bild von der Sklaverei, so benutzt Paulus ein anderes Bild, um die Unterschiede zu erläutern:

Der „kindliche Geist” ist eben nicht das gleich wie der „knechtische Geist” - und der Geist der „Sohnschaft” ist es erst recht nicht.

Sohn”, das ist die Bezeichnung für den Erben - dem Vater nicht wertvoller Besitz , sondern geliebter Mensch - nicht unendlich untergeordnet, sondern fast gleichberechtigt - Nachfolger nicht nur in den Pflichten, sondern auch in den Rechten.

Jesus von Nazareth selbst bekommt es ja so gesagt: „Du bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe” - oder wie es dem ergeht, den wir als den verlorenen Sohn kennen und der ja besser eigentlich der wiedergefundene Sohn genannt werden sollte. Er bekommt den Ring angesteckt, das Siegel des Vaters, das auf der Urkunde gerollt und abgedrückt wird - in allem Repräsentant des Herren - so wie auch der daheimgebliebene Sohn getröstet wird mit der Zusage immerwährender Liebe.

In einer zeit, in der Eltern - Mutter wie Vater - immer mehr zu Kameraden ihrer Kinder geworden sind (so einmal in Kürze gesagt) und immer weniger zu Herrschenden ist es nur schwer verständlich , was es heißt, Gott „Abba” zu nennen, was mit „Vati” oder „Papa” eigentlich besser zu beschreiben ist als „liebe Vater” - eine Anrede von solch menschlicher Nähe, dass es vergangenen Generationen schier den Atem verschlagen haben muss, die von den „Herren Eltern” sprachen und ihre Eltern mit „Sie” anredeten.

Der Geist der Kindschaft - der kindliche Geist, der Frauen und Männer umfasst und Gott Vater und Mutter sein lässt, der ist eben nicht mit dem Sklavengeist vergleichbar - er macht frei - frei von jeder Beschränkung

- das Evangelium des heutigen Sonntags bietet ein Beispiel dafür - in dem wie Jesus mit den „Aussätzigen”, den Leprakranken umgeht, die man zu meiden hatte nicht eigentlich wegen der Ansteckungsgefahr, sondern weil ihr Leiden als Strafe für Sünden galt und sie deswegen „ausgesetzt” wurden.

Das Kind wird nicht von Furcht getrieben - es tut den Willen der Eltern nicht aus Angst, sondern aus Liebe.

Gottes Geist der Kindschaft schenkt eine Freiheit, die so groß ist, dass ich die Freiheit sogar aufgeben kann - wie ich es ja immer wieder auch tue - leider - und trotzdem wie der „verlorene” Sohn zurückkehren kann in die offenen Arme des Vaters.

Wen dieser Geist mich treibt, dann werde ich sicher nicht alle Zwänge in meinem Leben einfach ablegen - aber, ich werde sie erkennen können und lernen, damit umzugehen, zum Nutzen meiner Mitmenschen und nicht zuletzt auch meiner selbst.



Superintendent i.R Hilmar Menke
Cadenberge
E-Mail: hhfjmenke@aol.com

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