Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

17. Sonntag nach Trinitatis, 18.09.2016

Predigt zu Römer 10:9-18, verfasst von Rainer Stahl

 


„Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus,
die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit Euch allen!“


Liebe Leserin! Lieber Leser!
Liebe Schwestern und Brüder!

Anfang Juli war ich im Seniorenkreis Eurer Gemeinde und habe über den Martin-Luther-Bund berichtet. Er hat seine Zentrale hier in Erlangen. Ich habe 18 Jahre lang als Generalsekretär für ihn gearbeitet. Nun, im Ruhestand, habe ich endlich auch Verbindung zu Eurer Gemeinde gefunden. An jenem Nachmittag habe ich den bei Euch ehrenamtlich aktiven Herrn Stahl – wir sind Namensvettern, aber nicht miteinander verwandt – gebeten, mir Eure schöne Kirche zu zeigen. Spontan hat mich der Stein beeindruckt, aus dem der Altar Eurer Kirche und auch diese Kanzel gearbeitet sind. Steine sind besonders haltbar und vermitteln durch Maserung, durch kristalline Einschlüsse, durch die Oberflächenstruktur besondere Botschaften über ihre Entstehung und ihre Prägung durch Kräfte von außen und von innen.

Beim Bergwandern im Urlaub in den Stubaier Alpen sind mir wieder zwei Phänomene aufgefallen: Steinblöcke mit vielen kleinen kreisrunden rötlichen Einschlüssen – also mit eingeschlossenen Granaten, Halbedelsteinen, die sich beim Erkalten der Steinblöcke gebildet haben. Wie kleine Schatztruhen können solche Blöcke aussehen! Und Steinblöcke mit Abschleifungen, bewirkt durch das Eis von großen Gletschern während der Eiszeit und die von diesem Eis transportierten und bewegten kleineren Steine. Richtig tief eingedrückte Rillen geben den Blöcken Struktur!

Ähnliche Blöcke sollen auch wir sein: mit Edelsteinen und Halbedelsteinen, die sich in unserem Leben herauskristallisiert haben, mit Furchen und Mustern – als Hinweise auf das, was uns von außen beeinflusst hat und uns wichtig geworden ist. Gerade bei uns Älteren, aber auch bei jungen Menschen, kann da sicher vieles genannt werden: Was sich geprägt und geformt hat, was herausgebildete Schätze darstellt.

Der Apostel Paulus benennt in unserem Predigtabschnitt einen Edelstein, ein Muster, das unser Leben prägt, das uns innere Gewissheit und Identität gibt und das wir nicht verheimlichen sondern immer wieder anderen mitteilen sollen:

Uns zeichnen sicher viele Edelsteine aus. Aber einer ist besonders wichtig: Dass wir im Herzen glauben, dass Gott Christus von den Toten auferweckt hat.
Und wir strahlen viele Lebensweisheiten und Entscheidungen aus. Aber eine ist besonders entscheidend: Dass wir diesen Glauben unseres Herzens nach außen bekennen, ihn anderen weitersagen oder ihn durch unsere Haltung angesichts von Leid und Tod zur Darstellung bringen.

Auch wenn Paulus geschrieben hat, „denn, wenn du mit dem Mund bekennst, führt dies in die Rettung“, hätte er doch auch gelten lassen, dass Menschen diesen Glauben leben, ohne von ihm wortreich zu reden.

Aber: Meine Aufgabe als Pfarrer ist es, diese Wahrheit mit meinem Mund zu bekennen. Das will ich heute in einer verfremdeten und verfremdenden Weise tun:

Im Oktober vorigen Jahres war ich in Russland, in unserer evangelisch-lutherischen Gemeinde in Wladiwostok, also ganz im Osten – „Wladiwostok“ heißt: „Macht über den Osten“ –, am Japanischen Meer. Auf der Heimreise habe ich mir auf dem Flughafen Scheremetjewo in Moskau eine Mappe mit nachgedruckten Leninplakaten der sowjetischen Zeit gekauft. So etwas wird auch heute nachgedruckt und findet seine Käufer. Mich interessiert dies nur aus geschichtlichem und künstlerischem Interesse, weil die Plakate zum Teil künstlerisch hochinteressant waren.

Ein Plakat hat wieder ganz deutlich gemacht, warum in der Sowjetunion die Kirche unterdrückt und verfolgt wurde: Weil der sowjetische Kommunismus eine Art Gegenreligion gewesen ist! Was fiel mir da auf?

Zuerst bildete ein Plakat ab, was ich erwarten würde, ein Plakat aus dem Jahr 1924 mit folgendem Text: „23 АПР. 1870 РОДИЛСЯ – УМЕР 21 ЯНВ. 1924   ОН ЖИВЕТ НАШИХ СЕРДЦАХ!“ („23 Aprjel 1870 rodilsja – umer 21 Janwar 1924   On schiwjot naschich serdzach!“) – „23. April 1870 geboren – gestorben 21. Januar 1924   Er lebt in unseren Herzen!) (von einem Pawel Ljubarskij).

Aber eines – meiner Meinung nach künstlerisch hervorragend gestaltet – zeigt Lenin als Denkmal auf einem Sockel, angestrahlt von Scheinwerfern, davor zwei gesenkte Fahnen. Dieses Plakat war aus dem Jahr 1925 und hatte folgenden Text:
„ВЕЗДЕ, ВСЕГДА, БЕЗРАЗДЕЛЬНО С НАМИ“ („Wezdjé, wsjegdá, bjezrazdjélno s nami“) – „Überall, immer, unteilbar / ungeteilt mit uns“ –
„ЛЕНИН!“ („Lenin“) – „Lenin!“.

Mit diesem Plakat ist auf alle Fälle eine Qualität Christi auf Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt: Lenin, übertragen: „БЕЗРАЗДЕЛЬНО“ („bjezrazdjélno“) – „unteilbar / ungeteilt“. Nämlich – so höre ich das – sowohl: „Gott von Gott, Licht vom Licht“, als auch: „ist Mensch geworden“, wie wir im nizänischen Glaubensbekenntnis bekennen. Aber auch „ВЕЗДЕ, ВСЕГДА“ („Wezdjé, wsjegdá) – „Überall, immer“ – sind Qualitäten Gottes und nimmt auf, was der auferstandene Christus über sich gesagt hat: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ (Matthäus 28,20)!

Eigentlich und wirklich sind das also Wahrheiten, die wir als Christen über Christus glauben und zur Sprache bringen:
„ВЕЗДЕ, ВСЕГДА, БЕЗРАЗДЕЛЬНО С НАМИ“ („Wezdjé, wsjegdá, bjezrazdjélno s nami“) – „Überall, immer, unteilbar / ungeteilt mit uns“ –
nicht „ЛЕНИН!“ („Lenin“) – „Lenin!“, sondern „Христос!“ („Christós“) – „Christus!“.

Gehen wir mit dieser Überzeugung bestärkt in die heute beginnende Woche. Diese Überzeugung verwirklicht, was es heißt, im Herzen zu glauben, dass Gott Christus von den Toten auferweckt hat, und sie hilft, den Alltag von diesem Glauben her zu bewältigen und zu meistern:

„Überall, immer, unteilbar / ungeteilt mit uns – Christus!“
Amen.

„Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre Eure Herzen und Sinne bei Christus Jesus, unserem Herrn!“



Pfarrer i.R. Dr. Rainer Stahl
91056 Erlangen
E-Mail: rainer.stahl.1@gmx.de

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