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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

17. Sonntag nach Trinitatis, 18.09.2016

Predigt zu Römer 10:9-18, verfasst von Thomas-Michael Robscheit

Liebe Gemeinde,

 

wer mit seinen Lippen bekennt, der wird gerettet werden. Solche Lippenbekenntnisse ohne das das Herz dessen voll war, haben wir zur Genüge kennengelernt und sie haben keinesfalls Rettung gebracht. Nicht nur im Staatsbürgekundeunterricht (DDR) waren Lippenbekenntnisse hoch in Mode. Wie oberflächlich, falsch und verlogen viele dieser Bekenntnisse waren, wurde dann 1989 sehr schnell deutlich. Und oft waren es die, die am lautesten und verkniffensten „bekannt“ haben, die sich am schnellsten wendeten. Nur wenige gab es, die für den Sozialismus nicht nur Lippenbekenntnisse abgegeben haben, sondern denen auch das Herz für diese Ideen brannte.

Es wird Paulus kaum darum gegangen sein, die Leute zu Lippenbekenntnissen zu ermuntern, sondern dazu, den Glauben auch zu bekennen, denn dadurch erst hat er Ausstrahlung. Dennoch sollte Jesu Warnung, dass nicht jeder, der Herr, Herr ruft auch ins Himmelreich kommt (Mt 7,21 ) ernst genommen werden.

Worum ging es Paulus? Er setzt sich im Römerbrief auch mit der Frage auseinander, welche Bedeutung die Erwählung Israels angesichts des Sterbens und Auferstehens Christi hat. In unserem kleinen Ausschnitt hält er fest, dass der Glaube an die Auferstehung und das Bekenntnis einem das Tor zum Himmel öffnen. Ganz folgerichtig gilt es, die Botschaft unter Griechen und Juden gleichermaßen zu bringen und zu missionieren. Wer sich davon ansprechen lässt und den christlichen Glauben bekennt, der wird gerettet werden. Das bedeutet zwangsläufig für den Einzelnen, seinen bisherigen, nichtchristlichen Glauben abzulegen; Juden und Griechen gleichermaßen. In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurde innerhalb der evangelischen Kirchen in Deutschland über die aktive Missionierung der Juden mit dem Ergebnis, dass diese weitgehend abgelehnt wird, diskutiert.

Was bleibt dann vom eigentlichen Problem des Paulus für uns noch übrig? Hat sich nicht alles erledigt? Wofür befassen wir uns mit diesem Text eigentlich noch, wenn seine Forderung ins leere läuft und die empfohlenen Mittel abgelehnt werden?

 

„Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger?“ - dieser Satz und seine dahinter steckenden Probleme, treffen uns heute auf ganz andere Weise als damals, aber nicht minder hart. Wenn unser Selbstverständnis davon geprägt ist, dass unser Evangelium nach wie vor die gute Nachricht für die Welt ist, und wir beauftragt sind, diese Nachricht unters Volk zu bringen, müssen wir uns der Frage stellen, wie wir das umsetzen. Ob wir Juden oder Muslime missionieren wollen, diese Frage stellt sich angesichts von 80% gänzlich ohne religiöse Bindung gar nicht. Wie sollen diese Menschen, die sich über mehrere Generationen vom Christlichen des Abendlandes entfernt haben, an etwas glauben, wenn sie davon noch nie gehört haben? Wenn ein sehr großer Teil noch niemals eine Kirche von Innen gesehen hat, weil diese meistens ohnehin verschlossen sind? Wenn Halloween ein plausiblerer Grund zum Feiern ist als – was war das nochmal?: Reformationstag?

Der Text des Paulus stellt sich uns in unserem heutigen Selbstverständnis in den Weg. Wer sind die Prediger? Die Pastorinnen und Pfarrer? Falls ja, wie kann es ein Christ in einer Synode dann vor Gott verantworten, eben diese Stellen, den Finanzzwängen folgend, abzubauen? Gelten solche Sachzwänge vor Gott? Wird Jesus dann einst sagen: „War schon ok, dass durch Deine Entscheidungen Kirche sich immer weiter aus der Gesellschaft zurückgezogen hat. Wenigsten bist Du kein finanzielles Risiko oder schlimmeres eingegangen!“

Oder sind gar nicht die Pastorinnen und Pfarrer gemeint, nicht die, die fürs Predigen bezahlt werden? Vielleicht ist es ja eine völlig falsche Erwartung. Vielleicht sind sie tatsächlich so was wie Hirten einer Herde; zuständig dafür, dass diese Herde mit allem Nötigen versorgt wird, aber nicht in erster Linie dafür, neue Tiere einzufangen.

 

„Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben?“ - warum hören die 80% so wenig vom Glauben, von Gott? In den lokalen Nachrichten, in unseren Zeitungen, überall ist Kirche überdurchschnittlich gut vertreten. Da hört man doch davon! - Wirklich?

 

Hört man etwas anders als, wie schön ein Konzert war, wie aufwändig eine Kirche saniert wurde oder wie hilfreich eine Organisation für Fremde war? Hört  oder liest man irgendwo, welche Kraft der Glaube einem Menschen gegeben hat? Nein, hört man kaum! Welche Hoffnung im finsteren Tal getragen hat? Auch davon kein Wort! Wie selten spricht ein Christ anderen gegenüber von dem, was ihn trägt! Wer hat den Mut im Krankenhaus einen Zimmergenossen anzubieten, mit ihm zu beten? Wer nimmt eine Bibel und lies daraus vor?

„Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.“ Wir sind in genau der umgekehrten Position zur anfangs erwähnten Situation in der späten DDR, unser Problem sind nicht die Lippenbekenntnisse der Mitläufer! Unser Problem ist die Sprachlosigkeit! Den Glauben im Herzen haben, so hoffe ich, die meisten von Ihnen, liebe Schwestern und Brüder, am Bekenntnis mit dem Mund aber, da hapert es oft sehr.

Was werden Sie sagen, wenn Jesus Sie dereinst fragt: „Wievielen hast Du die gute Nachricht weitergesagt, so dass sie die Chance bekamen zu glauben? Wieviele?“

 

Und der Friede Gottes, der größer ist als unsere menschliche Vorstellungskraft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.



Pfarrer Thomas-Michael Robscheit
Apolda & Kapellendorf
E-Mail: thm@robscheit.de

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