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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

21. Sonntag nach Trinitatis, 16.10.2016

Predigt zu Lukas 13:1-9(dänische Perikopenordnung), verfasst von Anne-Marie Nybo Mehlsen

Ursache und Konsequenz. Schuld und Schicksal. Das ist ein einfaches Szenarium: Wenn Du ein Kettenraucher bist, hast du eine schlechte Gesundheit. Wenn du ungesund isst, bekommst du Herz-Kreislauf Beschwerden, und wenn Du dich nicht bewegst, lässt dich dein Körper im Stich – früher oder später hat das Konsequenzen.

Das hat er bzw. sie nicht verdienst“, sagen wir, wenn ein hartes Schicksal zuschlägt bei denen, für die wir Sympathie empfinden. Als ginge es im Leben sonst nach Verdienst.

Aber es macht irgendwie Sinn, wenn es so ist – irgendein Gefühl der Kontrolle. Da ist wirklich etwas, was wir tun können, oder etwas, was wir hätten anders machen können. Vielleicht gibt es noch eine Chance? So wie wenn man zu spät zum Flugzeug kommt und es trotzdem noch erreicht weil es verspätet ist.

Sie fragten Jesus damals: Ist da ein Zusammenhang? Was haben sie getan? Waren die, die starben, schuldig – oder?

Man denke, wenn wir in der Gewissheit leben sollten, dass alles aus einem Grunde geschieht. Gründe, an denen wir nichts ändern können? Wie z.B. dass Generationen vor uns etwas geschah, das nun, wie sich zeigt, Konsequenzen hat? So ist es ja mit vielen Dingen – Umweltkatastrophen, Klimaveränderungen, Völkerwanderungen und Hungersnöte. Es ist nicht schwer zu sehen, dass es kollektive Schuld gibt und dass Generationen später tatsächlich darunter leiden, oder umgekehrt davon profitieren, was Generationen vorher einst getan haben.

Werden wir glücklicher oder besser dazu gerüstet, das Richtige zu tun, wenn wir eine Erklärung erhalten? Wahrscheinlich nicht – vielleicht ist das nur wie mit Altpapier, andere haben es weggeworfen, und wir wollen es nicht aufsammeln, weil wir es ja nicht waren, die …. Erst wenn einer anfängt aufzusammeln, ohne nach dem Wer, Warum und Wann zu fragen, wenn etwas Anderes geschieht, etwas Neues.

Aber, wird man vielleicht einwenden, das Leben ist kein Altpapier – und wenn da ein Zusammenhang besteht, kann man ja wenigstens damit beginnen, vorzubeugen, oder aufzubessern, dann kann man sich zusammenreißen, sich bemühen. Jedenfalls den Versuch machen. Wir wollen so furchtbar gern die Dinge unter Kontrolle haben.

Das, was wir tun können, ausrichten, vorsorgen – so als wäre das Gute ein Kundekeks und wir die gehorsamen Hunde, die sich einüben. Manchmal machen Menschen denn auch das Reich Gottes zu einer Frage nach einem Hundekeks – Lohn oder Strafe. Eine Belohnung, wenn das Examen bestanden ist. Das braucht seine Zeit – ein ganzes Leben am Examenstisch. Dieser Gedanke kann einem auf die Nerven gehen.

Jesus wandte sich gegen diesen Gedanken, er tat nichts anderes als sich gegen unsere menschliche Vorstellung von Verdienst und nicht Verdienst zu wenden. Das Gesetz des Moses war zu einem System komplizierter Regeln und Vorschriften geworden. So als könnte man sich in das Wohlwollen Gottes hinein versichern, indem man alle Gesetze sorgsam beachtet.

Auch wenn sich Jesus dagegen wandte, dauerte es nicht lange, und die Christen fingen wieder von vorne an, alles unter Kontrolle haben zu wollen und nach Regeln zu leben. Das Paradies wurde zu einem Hundekeks – Belohnung für die Mühen im Diesseits. Die Ruhe nach der Arbeit. Und was für eine Arbeit! Die protestantische Arbeitsmoral lebt noch immer. Das Paradies ist zwar mehr irdisch heute zu Wohlstand geworden; Erfolg und junger Lebensstil bis hin zum guten leben für Senioren. Die Ewigkeit wird in diesem Zusammenhang fast als ein Bonus gesehen – nicht etwas, worum man sich kümmern muss.

Hört damit auf, sagt Jesus. Kehrt um! Seht, das Reich Gottes ist zu euch gekommen. Jetzt. Die Gerechtigkeit ist jetzt bei uns! Da kam einer, der nicht danach fragte, was gerecht war, verdient oder verschuldet. Jesus ging mitten unter Menschen mit heilenden Händen, mit Aufmunterung, mit Hoffnung und Würde. Hier musste man nicht erst sich verdient machen, verdienen und verhandeln – wer Glaube und Vertrauen hat, d.h. wer annimmt, erhält alles umsonst geschenkt. Jesus wandte sich gegen die Konsequenz, das endlose Geben und Nehmen auf Gegenseitigkeit, den Gedanken von Strafe oder Belohnung. Hier beginnt etwas Neues. Es ist nicht gerecht, wir sind nicht gerecht und können keine Gerechtigkeit erwarten – Gott sei Dank. Deshalb können wir darauf verzichten, uns zu rechtfertigen, uns das zu verdienen, was wir bekommen. Gott gibt, und Gott gibt es uns umsonst. Er gab uns seinen Sohn umsonst – und Jesus starb am Kreuz, um uns seinen Sieg über den Tod zu schenken; aber das zeigt sich erst, wenn wir umkehren und damit aufhören, uns selbst retten zu wollen. Selbst mitten im Kampf, dem Schweren, dem Unerträglichen haben wir nichts zu fürchten - auch der Tod hat nicht wirklich Macht über uns. Die Macht gehört Gott allein, und alle Menschen gehören ihm.

Gewiss, es gibt etwas zu tun: Gutes soll getan und realisiert werden, es soll gedient, geliebt werden, befreit werden, es geht um Hingabe. Das ist das Wesen des Reiches Gottes, und so äußert es sich auch. Güte und Liebe sind Zeichen dafür, dass wir daran glauben. Jesus hat uns das in all dem gezeigt, was er war und tat, in der Gewissheit und Hingabe an den Willen Gottes zum Leben. Leben, das Leiden und Grausamkeit bekämpft- und wenn nötig sich selbst einbringt.

Darin liegt ein Gericht, ja – ein Leben schenkendes Gericht, das Fruchtbarkeit bringt, wo zuvor nur kalte Selbstgerechtigkeit war und Gier. Ein Gericht, das Gewinn schafft, wo zuvor nur Furcht und Mangel war. Du kannst dir das Reich Gottes nicht verdienen. Als Belohnung empfangen kannst du es auch nicht. Das Reich Gottes ist kein Hundekeks. Aber du kannst umkehren, und mitten in diesem Reichl eben. Es ist von Anfang bis Ende Gottes Reich, von Anfang bis Ende gehören wir Gott. Amen.



Pastorin Anne-Marie Nybo Mehlsen
DK-4100 Ringsted
E-Mail: amnm(a)km.dk

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