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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Heiliger Abend, 24.12.2007

Predigt zu Lukas 2:1-7, verfasst von Margot Runge

Josef

Wie gut, dass es Josef gab. Er hat sich um Maria gekümmert. Er hat sie nach Betlehem begleitet und ihr zur Seite gestanden. Es wäre traurig gewesen, wenn sie niemanden gehabt hätte. Oder genauer: es wäre alles viel schwieriger gewesen: die Suche nach einer Unterkunft, die Geburt und die erste Zeit danach, die Flucht nach Ägypten. Wer hätte sich mit ihr über das Baby gefreut? Wer hätte es herumgetragen, wenn es nachts weinte, und die Windeln gewechselt? Sicher, ohne Josef wäre es auch gegangen. Maria hätte das Kind auch ohne ihn zur Welt gebracht und es großgezogen, so wie viele Frauen allein zurechtkommen und den Alltag zusammen mit ihren Kindern bewältigen. Maria hätte das genauso geschafft. Aber mit Josef war manches einfacher.

Kaum ein Krippenspiel kommt ohne ihn aus. Dabei hat er oft nicht einmal viel zu sagen. Er ist einfach da. Unauffällig, ohne große Worte fasst er im Hintergrund mit an, wenn sich alles um Maria und das Kind dreht. Auf alten Bildern ist er sogar zu sehen, wie er Suppe kocht. Kochen, Abwaschen, Dreck wegmachen - das war auch damals nicht der Traum von großen und kleinen Jungs. Vielleicht hätte auch Josef lieber den großen Helden markiert und sich eindrucksvoll in Positur gesetzt. Doch Josef steht zurück. Er kümmert sich um Frau und Kind, achtet auf Träume, spricht mit Engeln - alles Dinge, die angeblich unmännlich sind. Dazu gehört mehr Stärke als zum Sprücheklopfen. Josef fällt aus der Rolle des starken Mannes, er hat den Mut, uncool zu wirken. Deshalb erlebt gerade er etwas Wunderbares: er ist dabei, wenn Gott in unserer Welt geboren ist.

Dabei ist das Kind, das Maria auf die Welt bringt, nicht einmal seins. Josef ist nicht der richtige Vater. (Gott weiß, woher das Kind kommt.) Trotzdem nimmt er sich des Kindes an und zieht es auf wie ein eigenes. Jesus wächst auf bei einem Mann, der nicht sein Vater ist. Mit Sicherheit gab es Gerede deswegen.

Josef bekennt sich zu dieser ungewöhnlichen kleinen Familie, die so ungewöhnlich nicht ist, wenn wir die Vielfalt der Familienformen heute sehen. Die heile Welt gab es schon damals nicht. Eine Patchworkfamilie ist es, die Unterschlupf im Stall von Betlehem gefunden hat. Und genau sie wird zum Urbild der Heiligen Familie! Das ist eine erstaunliche Botschaft. Sie macht Mut für die Regenbogen- und Patchworkfamilien unserer Tage. Viele bemühen sich um ein verlässliches Miteinander, trotz der Sackgassen und Verletzungen, die sie erlebt haben. Ihre Versuche gelingen nicht immer. Manchmal brauchen sie Unterstützung und Hilfe, damit sie tragfähige Beziehungen aufbauen können, so wie Maria und Josef ein schützendes Dach in Betlehem gebraucht haben. Zur heiligen Familie kann eine Familie, jedenfalls nach der Weihnachtsgeschichte, auch dann - oder gerade dann? - werden, wenn sie dem herkömmlichen Bild vom Zusammenleben nicht entspricht.

Josef ist das anfangs nicht leicht gefallen. Erst einem Engel war es gelungen, ihn zu überreden. Doch dann hat er sich der Verantwortung gestellt und dem Kind, das nicht seins war. Schön dumm, werden manche gedacht haben, so wie heute manche sagen: Was mir nicht gehört, darum muß ich mich nicht kümmern. Das geht mich nichts an. das Kind von nebenan, der Müll auf der Straße, das öffentliche Eigentum. Das, was mich nicht unmittelbar betrifft, interessiert mich nicht. Aber was soll dann mit unserer Welt werden und mit ihren Menschen, wer kümmert sich um die bedrohte Kreatur, um die Schöpfung? Dass ein Amt zuständig ist, ist zu wenig für vernachlässigte, verlassene Kinder. Und die Bewahrung unserer Umwelt ist uns allen anvertraut.

Wie gut, dass Josef da war. Er hat über seinen Horizont hinausgedacht. Er hat Mutter und Kind nicht im Stich gelassen, auch wenn das Kind nicht von ihm stammte. Er hat darin Gott selbst aufgenommen. Nun ist es geboren und liegt in der Krippe. Schaut es auf uns? Lächelt es uns an? Ermuntert es uns?

Weihnachten wird bei uns, wenn das Kind zu uns kommt. Wir können aufnehmen und hüten, was Gott in diese Welt geschickt und uns vor die Füße gelegt hat. Denn das Kind hat viele Geschwister. Sie alle brauchen uns und warten auf uns - wir brauchen uns nur umschauen. Zum schützenden Stall von Betlehem können sich viele Orte verwandeln. Dann können wir alle ein bisschen zu Marias und Josefs werden, zu Brüdern und Schwestern Gottes. Heute, am Geburtstag des Jesuskindes, und sonst auch. Amen.



Pfarrerin Margot Runge
www.jacobigemeinde-sangerhausen.de
E-Mail: m.runge@jacobigemeinde-sangerhausen.de

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