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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres / Friedensdekade, 06.11.2016

Friedensstifter
Predigt zu Matthäus 5:9, verfasst von Eberhard Busch

„Selig sind die Friedensstifter“, das sagt Jesus seinen Nachfolgern. Wir sollten diesen Satz nicht davon lösen, dass Er das gesagt hat. Der Satz ist kein bloßer Ratschlag und keine allgemeine Empfehlung, über die man sich beliebig hinwegsetzen oder den man bis in sein Gegenteil diskutieren kann. Wir haben ihn in Jesu Mund zu hören, und wir haben ihn dann in seinem Geist und Sinn aufzufassen und zu beherzigen. Es ist der, bei dessen Geburt die Engel auf den Hirtenfeldern von Bethlehem sangen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden“. Bei ihm gehört das untrennbar zusammen:  der Respekt vor Gott und der Friede – nicht nur in den Herzen, nicht nur als Glück im Winkel, sondern der Friede auf Erden und zwischen den Menschen und Völkern.

Der Dichter Friedrich Rückert hat das in einem Lied aufgegriffen: „O mächtger  Herrscher – ohne Heere, gerechtger Kämpfer – ohne Speere, du Friedensfürst von großer Macht. / Es möchten dir der Erde Herren / den Weg zu deinem Thron versperren; doch du gewinnst ihn – ohne Schlacht.“ Und wozu ist dieser Friedensfürst da? Ist er in seiner Verschiedenheit von all den Anderen einfach ein  kurioser Sonderling, in dem Himmel ferne? Ohne Bedeutung für uns in den so anderen Lebensverhältnissen, von denen jede Zeitung und jede Tagesschau berichtet? Nein, sagt der Liederdichter weiter in seinem Lied, das in so manchen Kirchgesangbüchern steht: nein, denn „wo du kommest hergezogen, / da ebnen sich des Meeres Wogen, / es schweigt der Sturm, von dir bedroht“.

Wir hören das Evangelium, die frohe Botschaft an diesem Sonntag. Ja, Jesus sagt das gerade heute zu seinen Nachfolgern: „Selig sind die Friedensstifter.“ Gerade heute, wo wir am Anfang der so genannten Friedensdekade stehen. Die kirchlichen Veranstalter dieser Sitte haben uns eingeladen, für zehn Tage uns darüber klar zu werden, dass wir durch Jesus eingesetzt sind, als „Friedensstifter“ zu leben und zu handeln. Die Unternehmung steht in diesem Jahr unter dem überraschenden Motto: „Kriegspfade“. Ich denke, dieses Wort rüttelt uns auf, die wir aktiv und passiv beteiligt sind, auf Kriegspfaden zu wandeln, in Gedanken, Worten und in Werken. Es rüttelt uns auf, Einhalt zu machen und umzukehren. Denn diese Kriegspfade, so gut sie begründet scheinen, sie sind lauter Sackgassen, aus denen wir heraus müssen, wenn uns das Leben lieb ist, nicht bloß unser Leben, sondern ebenso das Leben Anderer, auch das Leben der uns Fremden und das Leben unsrer Gegner.

Es ist sinnvoll, dass die Friedensdekade in zehn Tagen im Bußtag mündet. In der Tat,. Wir haben Buße zu tun, dass wir uns an soviel Streit und Widereinander beteiligen – Buße, dass auch wir gegenüber soviel Bosheit in der Welt keinen anderen Weg sehen als den nach dem alten Sprichwort: „Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil.“ Könnten wir nicht gerade heute verzweifeln an der unheimlichen Energie, mit der in unserem Volk immer neue, immer raffiniertere Waffen hergestellt und anderwärts angewendet werden? Und profitieren wir nicht davon, ob wir wollen oder nicht? Können wir nicht wenigstens für einen Moment überlegen, warum das eigentlich alles so ist: Kaum ist irgendwo in der Welt ein Feind in die Ecke geschoben, schon gibt es wieder einen neuen, von dem uns gesagt wird, er  sei zu bekämpfen?! Der Einfachheit halber wird uns bei allen mitgeteilt: es sei nicht schade um sie, weil sie alle Terroristen seien. Und schon ist Geld und sind Waffen genug da, den Kampf gegen sie auch auszuführen! Und ist es nicht der alte Grundsatz, der in diesen Kreislauf der Gewalt führt: „Willst du den Krieg nicht, so investiere in Rüstung“? Wir können nicht die Friedensdekade begehen, ohne Gott zu bitten: Sei uns Sündern gnädig.

Aber nicht wahr, wir können das nicht bitten, ohne bereit zu sein, mit unserer Sünde aufzuhören. Gewiss, wir werden da allzu oft rückfällig. Doch wir werden da nicht um Vergebung bitten, ohne dass Jesus uns gleichsam an der Hand nimmt und an einen neuen Anfang stellt. Er sagt uns dann nicht etwa: ihr sollt oder ihr müsst friedfertig sein. Sondern er sagt uns kurz und bündig: Wenn ihr mir nachfolgt, dann wird es euch selbstverständlich werden, ja dann geht es gar nicht mehr anders als so, dann werdet ihr zu Friedensstiftern werden – und werdet kleine Schritte oder auch einmal einen großen Schritt tun gegen den Streit, gegen das Widereinander, gegen den Hass, gegen das Aufrüsten und Wettrüsten in Worten und Werken. Und ihr werdet dabei von Fall zu Fall gewiss neu darum zu bitten haben: „Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“.  Ihr werdet das tun, schlicht weil ihr gehört habt, was Jesus seinen Nachfolgern gegenüber dem Herrschen von Gewalt gesagt hat: „Ihr aber nicht so!’“ (Joh 16,20).

Es mag sein, dass wir dabei gegen den Strom schwimmen müssen, gegen einen Strom von vielleicht nicht Wenigen, die solchen Wirrwarr unter den Menschen rechtfertigen und gutheißen, gegen einen Strom von vielleicht netten und achtbaren Leuten. Aber das wird uns nicht hindern, einzuschreiten gegen den Unfrieden. Mögen wir dabei vielleicht einsam werden, es mag sich dabei erfüllen, was Jesus vorausgesagt hat: „Ihr werdet weinen und heulen“ ( Joh 16,20), aber gerade denen, die so leiden, gibt Jesus die Verheißung: Ihr, gerade „ihr werdet Kinder Gottes heißen“. Ihr seid also doch nicht ganz allein. Er steht auf eurer Seite. Und er lässt euch nicht im Stich. Und wie viele auch gegen euch sein mögen bei eurem Nein zum Unfrieden, er ist für euch. Er wird euch darum auch allerlei Brüder und Schwestern zur Seite stellen, vielleicht recht wunderliche Gestalten - macht nur die Augen auf!

Wir haben dabei wohl zu beachten, wenn wir denn Frieden stiften wollen: Es ist nicht alles Frieden, was Frieden heißt. Es kann auch ein bloßer Scheinfrieden sein, unter dessen Decke Zündstoff versteckt liegt für den Ausbruch eines neuen Unfriedens – Zündstoff, der eines Tage explodieren kann, und niemand kann erklären, warum das jetzt geschieht. Friede ist mehr als bloß ein Schweigen der Waffen, mehr als bloß Abwesenheit von Krieg. Wir hörten den Satz: Wenn du Frieden haben willst, so bereite den Krieg vor. Das heißt doch, dass wir mit einem Messer oder einem Gewehr in der Hand friedliche Zeiten haben könnten. War es nicht immer schon so, dass die Waffe in unserer Hand eines Tages auch in Gebrauch genommen wurde? Bezeichnet dieser Satz nicht ein gefährliches Spiel mit dem Feuer? Jener Satz muss eigentlich anders gelesen werden – nämlich so: Willst du Frieden haben, so bereite den Frieden vor. Gewiss, eine Waffenruhe ist nicht zu verachten. Aber sie muss genutzt werden, um nun erst recht für ein friedliches Zusammenleben zu sorgen. Der Theologe Karl Barth schrieb zur Zeit des Kalten Kriegs:, wofür er dann nicht wenig angefochten wurde: „Der Friede ist der Ernstfall“, in dem „alle Zeit, aller Kraft, alles Vermögen dafür einzusetzen sind, dass die Menschen recht leben können, um denn zur Flucht in den Krieg keinen Anlass zu haben.“

Wir haben uns dabei allerdings im Klaren zu sein: Frieden gibt es nicht sozusagen im Einzelpack. Es haben schließlich schon so manche sogenannte Friedensschalmeien gespielt und dabei hat jeder eine andere Melodie gespielt, so dass dabei kein Friede entstehen konnte. Um zu wissen, was Friede ist, haben wir auf die Bibel zu hören. Und da vernehmen wir, dass wir noch andere Worte hinzuziehen müssen, um zu wissen, was Friede heißt. Beim Propheten Jesaja (32,17) lesen wir bereits den goldrichtigen Satz: „Die Frucht der Gerechtigkeit wird Friede sein.“ Rechter Friede kann nur ein gerechter Friede sein, einer, der keinen unterdrückt und keinen zu kurz kommen lässt, sondern jeden und jede zu ihrem Recht kommen lässt. Vor 100 Jahren hob der Zürcher Theologe Leonhard Ragaz das hervor und erklärte: Einsatz für Frieden ist zuerst „Kampf für Wahrheit und Recht“.

Lernen wir das heute aufs neue! Und wir lernen es, indem wir es in der Nachfolge Jesu ihm nachsprechen und es ihm nachleben: „Selig sind die Friedensstifter, sie sollen Gottes Kinder heißen.“ Denn dazu ist er unter uns getreten, dass er „richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“ (Lk 1,79).



Prof.Dr. mult. Eberhard Busch
D-37133 Friedland
E-Mail: ebusch@gwdg.de

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