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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Buß- und Bettag, 16.11.2016

Predigt zu Römer 2:1-11, verfasst von Ulrich Wiesjahn

Liebe Gemeinde!

Als ich mich hinsetzte, um diese Predigt vorzubereiten, dachte ich kurz: Lohnt sich die Mühe noch? Der Buß- und Bettag ist doch von staatlicher Seite längst abgeschafft und hat auch in kirchlichen Kreisen meist keine tiefen Wurzeln. Das alles hat, so weiß ich, seine historischen Gründe, die uns jetzt aber nicht weiterbringen.

   Doch dann las ich den Abschnitt aus dem Römerbrief, der dem heutigen Tag zugeordnet ist, und ich begriff, diesen mit Ihnen hier bedenken zu müssen. Denn für mich ist der Briefschreiber Paulus überhaupt ein großer und tiefer und mich immer wieder ganz direkt berührender Denker. Und so fragte ich mich: Was will er mir und uns hier mit den folgenden Sätzen sagen?

Verlesung von Römer 2,1-11

Liebe Gemeinde!

Da haben wir nun eben eine längere und auch komplizierte Abhandlung von Paulus gehört. Vom Ton her, so könnte man meinen, klingt sie eher düster, unangenehm, irgendwie moralisierend und abweisend. Wahrscheinlich aus diesem Grund hat man diesen Abschnitt dem Buß- und Bettag zugeordnet.

   Ich allerdings will etwas Anderes machen, etwas Anderes herauslesen, was eigentlich hell und ermutigend und wegweisend klingt. Und da wähle ich jetzt zwei Sätze aus. Der erste (Vers 4) lautet: „Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?“

   Ja, da steht nun dieses helle Wort: „Gottes Güte“. Seit Kindesbeinen sprechen wir ja gern vom „lieben Gott“. Und ich glaube, wir tun das, weil wir damit sagen wollen, dass unser Leben behütet, umsorgt, begleitet und grundsätzlich lebenswert ist. Mit einem lieben Gott kann man getrost und fröhlich durchs Leben gehen. Und auch der Einwand, dass diese Redeweise zu infantil sei, ist dann doch kein endgültiger Einwand. Denn mit Jesus nennen wir Gott eben „unseren Vater“. Und das gibt uns Vertrauen und Sicherheit in die Liebe Gottes.

   Allerdings, so sagt Paulus, ruft uns dieser liebe Gott zur Buße auf, zur Umkehr, zur Änderung unseres oberflächlichen und oft falschen Lebens. Immerhin ist es bemerkenswert, dass wir uns ändern können, bessern können und Kinder Gottes werden können.  Aber Buße-tun, Umkehren, Sich-ändern, das wissen wir nur zu genau, gehört zum Schwersten des Lebens. Mit großer Enttäuschung habe ich erlebt, dass die Autoritäten meiner Jugend und meiner Generation nach dem Krieg sich nach und nach fast alle als ehemalige Nazis herausgestellt haben. Aber sie haben sich dazu nicht geäußert, sie haben geschwiegen, verdrängt und nicht Buße getan. Dabei wäre das erst recht Grund für eine menschliche Größe gewesen. Aber ich will nicht nur verurteilen, sondern in den Spiegel schauen und erkennen: Es ist schwer, anders zu werden, eben ein Kind Gottes. Paulus aber ermuntert mich, darin Gottesgüte zu entdecken. Und im Vorlauf auf das Reformationsjahr 2017 könnten wir jetzt schon einmal verstehen, warum Luther von einer „fröhlichen Buße“ gesprochen hat. Er meinte damit eben auch die Güte Gottes, die mir guttun soll.

   Der zweite Satz, der mir so gefallen hat (Vers 11), lautet: „Denn es ist kein Ansehen der Person vor Gott.“ Nun, in der Wirklichkeit unseres Lebens ist das ja ganz anders. Da hat jeder sein Ansehen, seine Position, seine Ehre oder Unehre. Das furchtbare Wort, in dem sich alles spiegelt, heißt – und nun halten Sie sich fest! - „Karriere“. Aufsteigen oder Absteigen – das ist hier die Frage. Das möchte ich jetzt gar nicht weiter ausbreiten. Das kann ja jeder einmal für sich selbst durchdenken. Welche Rolle spielt denn in meinem und deinem Leben das Ansehen, der Erfolg, die Bekanntheit? Und womit füllen wir da unseren Verstand und unsere Seele aus? Das sind doch überhaupt keine weltfremden Fragen, sondern tief berührende Anrufe.

   Interessant ist ja, dass der Gedanke von der Gleichheit der Menschen ohne Ansehen der Person in die Verfassungen von Ländern, Staaten und Organisationen gefunden hat. Also ein Gottesgedanke steht da oft an allererster Stelle: Wenn vor Gott alle Menschen gleich sind, dann auch vor dem Gesetz und damit grundsätzlich im praktischen Leben.

   Das ist ein so lieber und wunderbarer Gedanke, doch wir sollten nun hören, wie Paulus ihn begründet. Und das tut er auf ziemlich negative Weise. Und genau deshalb passt er wirklich zu einem Buß- und Bettag. Paulus sagt nämlich: Alle Menschen sind Sünder, sind von Gott Entfernte, sind angstvolle, gierige, glaubenslose, lieblose und hoffnungslose Wesen. Es ist nicht das Licht, nicht das Ansehen, nicht die Leistung, die die Menschen gleichmachen, sondern ihre Dunkelheit, ihre Schatten, ihre Sündhaftigkeit.

   Das ist „starker Tobak“, so müssen wir wohl sagen. Aber versuchen wir es doch wieder mit einer Umkehrung. Wenn es da eine Gleichheit gibt, dann muss es auch eine Möglichkeit geben, sich zu verstehen: Begabte und Unbegabte, Arme und Reiche, Männer und Frauen, Ernsthafte und Leichtfertige. Aber wie denn? Nun, wenn wir alle vor Gott gleich sind in unseren Schatten – dann wird es vor Gott auch möglich sein, dass wir dahin kommen, was wir alle wünschen, nämlich ins Licht, in Frieden, Gerechtigkeit und Freude. Das sind doch die Bezeichnungen für den Wert und das Glück und das Heil eines jeden Einzelnen wie für uns alle zusammen.

   Solange wir nur unter uns bleiben, wird es das verschiedene Ansehen der Person, den Erfolg oder Misserfolg einer Karriere und die Pyramide eines Herrschaftswesens weiterhin geben. Vor Gott dagegen wird das alles erst einmal abgebaut. Wenn ich zu Anfang der Predigt auf die Kindlichkeit der Rede vom „lieben Gott“ hingewiesen habe, so nehme ich zum Schluss das Bild vom Kind wieder auf. Und da sage ich etwas flapsig: Wir alle werden von Gott „auf den Topf“ gesetzt. Das ist unser „Thron“. Und dann werden wir gesäubert und gewaschen und eingewickelt durch Gottes Güte. Gott lacht uns dabei an wie ein guter Vater. Das ist dann die richtige Geschichte für den Buß- und Bettag.

 

A m e n.

 

 



Pastor Ulrich Wiesjahn
Goslar
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