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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Advent, 27.11.2016

Predigt zu Matthäus 21:1-9 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Elof Westergaard

Ein neuer Tag bricht an, die Türen öffnen sich, und Jesus reitet hinein in Jerusalem.

Die biblischen Lesungen für den ersten Sonntag im Kirchenjahr aus den Psalmen, den Episteln und den Evangelien haben den Charakter des Anfangs, der Öffnung und des Einzugs (Ps. 24, Röm. 13,11-14, Matt. 21,1-9). Diese biblischen Lesungen haben alle Signalcharakter, kündigen heue an, dass wir vor etwas Neuem stehen, dem Beginn eines neuen Kirchenjahres.

Diese biblischen Lesungen erzählen zugleich von dem Gegebenen und von Gott, der uns entgegenkommt, und sie ermahnen uns zugleich, wie wir uns zu dem Morgengauen und dem Sohn Gottes verhalten sollen, der auf dem Esel in unsere Welt und unsere Zeit hineinreitet.

Der Apostel Paulus spricht vom Tag, der nahe ist.

Der Psalmist fordert uns auf, vor Gott zu treten und ihm zu danken, und das Evangelium erzählt von Jesus, der nach Jerusalem reitet und als König gefeiert wird.

Hier sind Worte sowohl von dem, womit uns Gott im Leben begegnet, als auch deutliche Aufforderungen an uns, wie wir die guten Gaben Gottes empfangen sollen.

 

*

Gott ist der Schöpfer, stark und mächtig, sagt der Psalmist. Er ist das Licht, das Morgengrauen und der Morgen, die uns begegnen, sagt Paulus, und zugleich fordert derselbe Apostel auf, uns in das Licht zu kleiden, das Gott für uns leuchten lässt.

Gott ist der Sohn, der sanftmütig und, still in die Stadt hineinreitet auf einem Esel. Er wird als ein König gefeiert, aber es ist kein Triumphzug, denn es ist derselbe Mann, der sich mit einer Krippe als Wiege begnügen musste und der bald als ein Verbrecher hingerichtet werden wird.

Und Gott ist nahe. Es geschieht hier auf Erden.

Jesus reitet zwar in eine uns ferne und fremde Stadt ein, aber wir sollen im Namen Jerusalem unsere eigene Stadt und unseren eigenen Ort wiedererkennen – und dies ganz gleich ob wir nun im kleinsten Flecken leben oder in der größten Metropole.

Hier auf Erden geht Gott stark und mächtig, sanftmütig und still durch Pforten und Tore.

Hier spricht Gott und erzählt uns, was er auf dem Herzen hat, und hier weht der Geist Gottes noch immer.

 

*

 

Und gleichzeitig sind diese biblischen Lesungen voll von Ermahnungen und Bildern für die Nachfolge, wie wir uns zu Gott und dem Kommen seines Sohnes in die Welt verhalten sollen.

Paulus ermahnt uns, dass wir uns Christus anziehen sollen.

D.h. wir sollen Streit und Neid hinter uns lassen! Denke nicht an deinen Einfluss oder den Mangel an Einfluss! Denke nicht in erster Linie daran, wie du wirkst und aussiehst! Bleibe nicht hängen in der Selbstkritik oder in der Freude über dich selbst!

Zieh dir stattdessen den Herren Christus an, d.h. sei wachsam und trage das Licht weiter, das Gott auf dich leuchten ließ!

Wir sind keine Götter, unser Leben ist verwundbar, und unsere Welt ist klein, aber in das Licht Gottes gekleidet erhalten unser Leben und die menschliche Gemeinschaft Sinn und Fülle. Wir sind direkt aufgerufen, an ihm teilzuhaben.

Deshalb also lobt Gott, dankt ihm mit Herzen, Mund und Händen!

Reiht euch ein in die Schar derer, die Jesus an Palmarum zujubelt!

Reiht euch ein in den Dankeschor des Universums und singt mit beim Gesang des Erdballs.

Schon der alttestamentliche Psalmist fordert mit hochgestimmter Poesie alles Leben auf, sich diesem Dank anzuschließen:

Die Engel sollen Gott preisen. Die Sonne und der Mond singen mit. Die Meerestiere und das Vieh brüllen, und die Vögel erheben ihren Gesang. Das Feuer knistert, der Hagel schlägt hart auf die Erde, der Schnee fällt, der Rauch steigt empor, die Obstbäume blühen und die Zedern grünen. Alles Leben singt mit, und das ist auch die Aufforderung des Psalmisten an uns: „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!“ (Ps. 150,6)

 

*

 

Oft liegen aber andere Worte als die des Danks auf meinen Lippen. Wie oft ist unser Mund nicht stattdessen voll von Ironie und Sarkasmus, populistischem Geschrei und Wut aus der dunklen Tiefe des Herzens und des Leibes. Oder die Zunge ist glatt und die Worte sind so geschliffen, dass sie mein Leben gar nicht erreichen.

Hier muss ich auf andere hören als auf mich selbst. Und da ist es gut, auf den Psalmisten zu hören, die Briefschreiber und Evangelisten, die mich durch das Kirchenjahr Worte andere Worte lehren, die einen Himmel über mein Haus errichten und die auf mehr und anderes verweisen als das, was ich für mein Eigentum hielt.

Es mag sein, dass die biblischen Lesungen alte Worte sind und dass sie fast wie Fossile wirken können, aber eben diese Worte lehren mich, Gott zu preisen und für das Leben zu danken. Sie drängen mich dazu, über meine eigene Nasenspitze hinauszusehen, meine Eitelkeit abzulegen, und sie verweisen auf meine Verantwortung für das Leben.

Es beginnt heute. Die Tür ist offen, und Jesus tritt mit uns hinein in das neue Jahr. Lehrt uns zu singen, wie das Volk sang: „Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn!“ Amen.



Bischof Elof Westergaard
DK-6760 Ribe
E-Mail: eve(at)km.dk

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