Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Advent, 04.12.2016

Das Ende und der Anfang
Predigt zu Matthäus 24:1-14, verfasst von Matthias Burghardt

Liebe Gemeinde!

Das überlassen wir doch gerne den anderen: Über das Ende der Welt reden.

Und über all das Schreckliche, was vorher passieren soll, reden wir schon gar nicht so gerne.

Zum einen fühlen wir uns dafür zu aufgeklärt. „Jaja,“ denkt ein aufgeklärter Mensch milde lächelnd, „was einen Anfang hatte, muss eben auch ein Ende haben in so einer Geschichte, einen donnernden Schlussakkord. Sonst ist die Geschichte eben nicht vollständig“, nippt an seinem Weinglas und klappt die Bibel wieder zu.

Zum anderen wollen wir ja lieber, dass alles so schön friedlich bleibt, wie es für uns hier in Deutschland gerade ist. Und warum sollte Gott uns das nicht gönnen? Wir sind doch allesamt nette Leute hier! Uns gehts verhältnismässig gut. Kein Krieg und keine Verfolgung. Und wir wollen, dass das so bleibt! Warum malt Jesus hier denn den Teufel an die Wand?

Sollen die hemdsärmeligen Fernsehprediger das machen, die aufgeschlagene Bibel hoch in der einen Hand und das Mikrofon in der anderen Hand! Fuchtelnd und hin- und-her laufend, mit Schweiss auf der Stirn und Begeisterung in der Stimme, mit einem wohligen Schauer über eine gut erzählte Gruselgeschichte. Soll das doch den Hollywood-Regisseuren als Stoff dienen, Millionenfilme über einen blutigen Weltuntergang zu drehen.

Wie hat Jesus davon wohl erzählt? Wie ein Fernsehprediger? Wie ein Regisseur? Nein! Wie Jesus.

Er erzählt das alles nicht von sich aus. Seine Freunde geben ihm den Anlass dazu. Sie zeigen ihm den Tempel von weitem, in seiner ganzen Pracht, noch verhältnismässig frisch renoviert.

So ein schönes Gotteshaus! Golden glänzen die Verzierungen in der Sonne. Hier ist Gottes Tempel! Hier begegnen sich Himmel und Erde. Hier haben unsere Väter schon Gott angebetet.

Und Jesus? „Hier bleibt kein Stein auf dem anderen“ sagt er.

Eine erschreckende Antwort! Was soll diese Antwort? Das wollen seine engsten Getreuen genauer wissen.

Aber besser ist es, wenn es niemand mitkriegt. Jesus könnte sich ja mit solchen schlechten Nachrichten selbst schaden. Geduldig warten sie ab, bis sie mit ihm allein sind. Aber dann: „Was hast Du da vorhin über den Tempel gesagt? Was sagst Du denn da über das Ende der Welt?“

Ich stelle mir vor, dass Jesus innerlich ein bisschen geseufzt hat. Er ist ja eigentlich gekommen, um die Frohe Nachricht zu bringen: Gott liebt uns, wie ein liebender Vater, eine liebende Mutter, ihre Kinder! Wir können immer umkehren und finden bei Gott Aufnahme! Gottes Reich wächst in uns, wenn wir Jesus hören. Alles, was man so sonntags in der Kirche hört! Und jetzt fragen sie ihn nach der Zukunft. Ein schweres Thema.

Die Zukunft ist leider nicht sehr rosig. Was Jesus beschreibt, lässt sich in drei Worten zusammenfassen: Lüge, Krieg und Verfolgung. Wir brauchen nur fern zu sehen, wenn wir das genauer wissen wollen. Ich will das gar nicht weiter vertiefen. Wir wissen alle, was gemeint ist.

Und Jesus fügt noch ein viertes Wort hinzu. Die Liebe erkaltet in Vielen, weil die Ereignisse so furchtbar sind. Das heisst Zynismus. Es ist mir gleichgültig, dass andere leiden. Ich halte es weit weg von mir.

Warum sagt Jesus, dass solch ein Ende kommt? Gegen alles, was wir hören möchten? Gegen alles, was wir sehen, oder selbst erleben möchten? Und wo ist in diesem Ende überhaupt die Frohe Botschaft? Jesus sagt doch, dass die Frohe Botschaft gepredigt wird auf der ganzen Welt! Welche Frohe Botschaft denn noch angesichts dieses Elends?

Dieses Ende ist das Ende einer tödlichen Entwicklung. Als Mensch will ich eben nicht untergebuttert werden, will ich nicht arm sein, will ich nicht unten sein. Und wehe dem und denen, die das von mir fordern, oder mich dazu zwingen wollen! „Das hätten die wohl gerne!“, tobe ich und überlege mir effektive Gegenmassnahmen.

 

Die Kriege aller Zeiten werden wegen Einfluss, Reichtum und Macht geführt. Manchmal kommt noch Hass dazu. Und je länger der Krieg dauert, umso schlimmer wird der Hass. Ein ständiges gegenseitiges Vergelten. Was als Befehl begann, endet oft als Vendetta. Erst wird auf Befehl hin getötet, dann aus Überzeugung und dann mit Genuss.

Zuerst werden die „Anderen“ verfolgt, weil sie ja für alles Schlechte und allen Verfall verantwortlich sind und daher eine „Abreibung“ verdient haben. Dann, weil man sich an ihnen bereichern kann - und schliesslich werden sie zu vogelfreien Untermenschen erklärt, an denen die Verfolger ihre niedrigsten Instikte ausleben können.

Jesus führt uns damit vor Augen, wie wir Menschen beschaffen sind: Der Mensch ist als Wesen eben nicht nur gut. Er ist verführbar zum Bösen. Wir haben es selbst tausendmal erlebt und können es aus der Geschichte und der Gegenwart studieren.

Die Christen sind deswegen Opfer, weil sie an der Frohen Botschaft, an der Botschaft, die selig macht, -also glücklich über das Irdische hinaus-, festhalten: Nicht Selbstbehauptung, eiserner Wille, Erfolg, Klassen-, Rassen-, oder Religionszugehörigkeit machen einen „richtigen“ Menschen aus. Sondern nur die Liebe. Die Liebe ist am Ende das einzige, was zählt. Die Liebe sollen wir weitergeben. Weil Jesus uns zuerst geliebt hat. Weil er uns zur Liebe befreit hat.

Repressive Systeme ertragen keine freien Menschen.Die sind Sand im Getriebe der Machtvermehrung.

Und wo mit Angst regiert wird, da ist eine liebevolle Tat ein Aufruhr.

Wo das Böse zum Guten erklärt wird, ist die gute Tat oder das gute Wort ein Verrat! Und wer Mitleid hat ist mindestens schwach, wahrscheinlich aber ein Verräter. So einfach ist das plötzlich. So geschah und geschieht es so oft! Die Menschlichkeit ist entwertet-sie ist Schimpfwort geworden!

Aber dieses Ende ist nicht das Ende. Gott sei Dank! Das tröstet uns! Das tröstet unzählige Menschen auf der Welt! Die Finsternis vergeht! Sie kann nicht ewig dauern! Das wahre Licht kommt!

Am wirklichen Ende setzt sich Gott durch. Gott entwertet seinerseits das Böse, schafft Gerechtigkeit, beendet das Unrecht. Auch das, liebe Gemeinde, haben wir selbst erlebt, und können es aus unserer Geschichte studieren.

Der Schlussakkord gehört nämlich nicht den Menschen, er gehört nicht dem Bösen, sondern er gehört Gott allein: „Siehe, ich mache alles neu! Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht mehr sein noch Leid, Schrei oder Schmerz wird mehr sein. Denn das Erste ist vergangen.“ Das ist das echte Ende! Das A und O, der Anfang und das Ende ist Jesus Christus. Das glauben wir Christen. Dabei bleiben wir Christen.

Der Christ Gustav Heinemann,Bundespräsident 1969-74, sagte: „Die Herren dieser Welt gehen. Unser Herr kommt.“

Unser - Herr - kommt. Auf Lateinisch: Ad-vent. Das steht am Ende. Amen.

 



Pfarrer Matthias Burghardt
Tallinn
E-Mail: matthias.burghardt@eelk.ee

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