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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Advent, 11.12.2016

Roadies gesucht
Predigt zu Lukas 3:1-20, verfasst von Manfred Gerke

Liebe Gemeinde, möchten Sie Chauffeur von Bundeskanzlerin Angela Merkel sein? Oder Zeugwart beim FC Bayern München, die schmutzigen Trikots einsammeln, waschen, bügeln, zusammenlegen, Fußballschuhe putzen...? Möchten Sie Roadie der Rolling Stones sein, mit ihnen auf Tournee gehen, die Lautsprecherboxen schleppen, die Verstärker aufbauen?

Möchten Sie sich mit einer kleinen Nebenrolle begnügen? Einer sein, der die Drecksarbeit für jemand anderes leistet, dafür da ist, dass dieser andere sich in Szene setzt, groß rauskommt und gut dasteht? Genau darum geht es in unserem heutigen Predigttext. Ich lese Lukas 3, Vers 1 und 2:
Im fünfzehnten Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter in Judäa war und Herodes Landesfürst von Galiläa und sein Bruder Philippus Landesfürst von Ituräa und der Landschaft Trachonitis und Lysanias Landesfürst von Abilene, als Hannas und Kaiphas Hohepriester waren, da geschah das Wort Gottes zu Johannes, dem Sohn des Zacharias, in der Wüste.

„Es war einmal...“, so beginnt ein Märchen. Hier aber werden konkrete Namen und Zahlen genannt. Denn hier wird kein Märchen erzählt. Inmitten der großen Weltgeschichte macht Gott Geschichte, geschieht etwas, das die Welt verändert. „Im 15. Jahr des Kaisers Tiberius“. Das ist genau das Jahr 28 nach Christus.

Und nun schwenkt die Kamera von der Hauptstadt des römischen Weltreiches hinüber zu der kleinen Provinz Syrien-Palästina und die Namen derer werden genannt, die dort das Sagen haben: Pontius Pilatus, der Statthalter, und die Fürsten der Herodesfamilie, allesamt abhängig und untertan den römischen Besatzern.

Und nach der langen Aufzählung fällt der Satz, der entscheidende Satz: „da geschah das Wort Gottes zu Johannes, dem Sohn des Zacharias in der Wüste“. Inmitten der großen und kleinen Weltgeschichte spricht und handelt der, der diese Welt verändert.

Noch unbemerkt von der Öffentlichkeit in Judäa und Jerusalem, in Athen und Rom. Doch er spricht, spricht zu Johannes, dem Sohn des Zacharias, spricht zu ihm in der Wüste.

Ja, wir werden heute in die Wüste geführt. Da steht er vor uns: Johannes – fremd, verwegen, lange Haare, ein krauser Bart. Er trägt einen Mantel aus Kamelhaaren, lebt von wildem Honig und Heuschrecken, hat kein Zuhause, keinen Beruf, keine Freunde.

Nichts! Er lebt in der Wüste und hört, hört Gottes Wort, das Wort dessen, der kommt, in unsere Welt kommt. Und Johannes hört und geht und predigt: Lk 3,3-7a.

Und er kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden,
wie geschrieben steht im Buch der Reden des Propheten Jesaja (Jesaja 40,3-5): „Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn und macht seine Steige eben!
Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden.
Und alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen.“
Da sprach Johannes zu der Menge, die hinausging, um sich von ihm taufen zu lassen…

Eigentlich nichts Besonderes. Er spricht Worte aus Jesaja 40, die auch uns vertraut sind, liest aus der Bibel, nicht weniger, nicht mehr. Und doch sind es Worte, die in Bewegung setzen. Menschenscharen aus Jerusalem und Umgebung, ja aus ganz Israel, machen sich auf den Weg, den langen, beschwerlichen Weg zu diesem seltsamen Prediger.

Und sie spüren: Hier redet nicht nur einer schöne Worte. Hier liest nicht nur einer irgendetwas vor. Sondern hier hat einer wirklich was zu sagen. Hier spricht einer, der Vollmacht hat, der eine Meldung weitergibt, die wir nicht überhören dürfen.

„Und alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen.“ Ja, der Heiland Gottes kommt, der Retter, der Befreier. Alle Menschen werden ihn schauen. Deshalb bereitet den Weg des Herrn und macht seine Steige eben!

Die Menschen kommen und hören. Da stehen wir mit ihnen vor dem Prediger Johannes. Es wird ganz still. Hört, was er uns zu sagen hat:

Da sprach Johannes zu der Menge, die hinausging, um sich von ihm taufen zu lassen: Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet?
Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken.
Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.

Nein, nein, er beginnt seine Rede nicht mit „liebe Gemeinde“, auch nicht mit „Sehr geehrte Damen und Herren“ oder vertraulicher: „meine lieben Freunde“. – Im Gegenteil, „Ihr Schlangenbrut“.

Das ist nicht die Rede eines Politikers, der Wählerstimmen gewinnen will. Das ist nicht die Ansprache eines Menschen, der sich einschmeicheln möchte. Das sind Worte des Täufers, der nichts anderes will, als dem Herrn den Weg bereiten.

Da steht er vor uns und stellt uns in Frage, unser Leben, unsere Pläne, unsere Sicherungen. Alles stellt er in Frage. Er reißt uns die Maske vom Gesicht, die Maske unserer Frömmigkeit, unseres Glaubens, auf den wir mehr oder weniger stolz sind.

Der Herr kommt. Der Herr der Welt kommt. Und nur eins zählt. Nur eins ist wichtig: Dass ihr bereit seid! Nicht nur irgendwie tief im Herzen, heimlich, verborgen. Nicht nur mit Mund und Lippen. Sondern aktiv. Mit euren ganzen Leben.

„Seht ihr den Maulbeerfeigenbaum dort am Ufer? Der ist am Verfaulen. Er ist morsch. Er trägt keine Früchte mehr.“ Spüren Sie, wie Johannes Sie anschaut, Sie und mich meint? „Genauso ist es mit euch! Gott will seine Herrschaft aufrichten. Aber dazu kann er keine verdorbene Menschen brauchen. Schon hat er die Axt angelegt, um die vertrockneten Bäume an der Wurzel abzuschlagen und sie ins Feuer zu werfen. Das Gericht ist nahe. Der Messias kommt. Wer für ihn und Gottes neue Gemeinschaft bereit sein will, der muss sein Leben ändern, jetzt. Zum Zeichen dafür taufe ich mit Wasser.“

Und ich sehe, wie Menschen angesprochen sind, bewegt sind, aufgerüttelt von seiner Rede. Wie sie das wollen: bereit sein für den Herrn. Ich sehe, wie sie zu Johannes gehen, mit ihm ins Wasser steigen und sich taufen lassen.

Nein, das ist nicht Show. Sie meinen es ehrlich. Sie wollen bereit sein, wie Johannes Wegbereiter sein für den Herrn, für den kommenden Messias. Sie wollen ihr Leben ändern. Sie fragen ganz praktisch, fragen nach den Konsequenzen:

Und die Menge fragte ihn und sprach: Was sollen wir denn tun?
Er antwortete und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso.
Es kamen auch die Zöllner, um sich taufen zu lassen, und sprachen zu ihm: Meister, was sollen denn wir tun?
Er sprach zu ihnen: Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist!
Da fragten ihn auch die Soldaten und sprachen: Was sollen denn wir tun? Und er sprach zu ihnen: Tut niemandem Gewalt oder Unrecht und lasst euch genügen an eurem Sold!

Spüren wir den Ernst dieser Fragen. Das ist nicht nur eine oberflächliche Gemütsbewegung. Es war vor Jahren. Ein Flugzeug kommt von Rom. Über den Alpen fallen drei Motoren aus. Fast 12 000 Liter Treibstoff werden im Notwurf abgelassen, um eine mögliche Explosion zu verhindern.

Ein Komiker sitzt in der vorderen Reihe, reißt Witze, um seine Mitpassagiere abzulenken. Schließlich muss das Flugzeug auf einem Heufeld notlanden. Als alle sicher auf dem Boden sind, wendet sich der Komiker an die Passagiere, die noch vor Angst wie versteinert dasitzen, und frotzelt: „Nun, meine Damen und Herren, jetzt können Sie alle wieder zu Ihren schlechten Gewohnheiten zurückkehren, die Sie vor 20 Minuten aufgeben wollten.“

Das ist blanker Spott, falsche Buße, aus der Angst geboren, um mit Gott zu handeln, ihm etwas zu versprechen, wenn, ja wenn er sie noch einmal bewahrt. Doch diese Menschen hier meinen es wirklich ernst.

Ich denke an Leo Tolstoi, den berühmten russischen Schriftsteller. Er fasste seine Lebensgeschichte in einem Gleichnis zusammen: „Ich kam mir vor“, so erzählte er, „wie ein Mensch, den man in einen Kahn setzte und in dessen unerfahrene Hände man die Ruder gelegt hatte. Vom Ufer fortgestoßen, ruderte ich auf dem reißenden Strom des Lebens dahin. Je mehr ich in die Mitte der Strömung kam, umso mehr Menschen begegnete ich. Lachende, singende, lärmende Menschen, die alle in einer Richtung dahinfuhren, und niemand fragte danach, ob denn die Richtung stimmte, in der die Fahrt ging.

Plötzlich hörte ich durch das Gewirr das Tosen und Brausen der Stromschnellen, und ich sah, wie vor mir ein Lebensschiff nach dem anderen kenterte und unterging. Da kam ich zu mir und hielt inne mit der tollen Fahrt. Mit aller Gewalt ruderte ich zurück, stromaufwärts dem Ufer zu. Und endlich kam ich heraus aus der gefährlichen Strömung. Das Ufer, von dem ich losgetrieben war, war der lebendige Gott. Nun war ich zu ihm zurückgekehrt und geborgen!“

Das ist echte Buße, Umkehr mit Konsequenzen, Umkehr zum Leben, Umkehr zum kommenden Gott. Lasst uns das einander zurufen und anstimmen das Lied 589,1 (EG).

„Kehret um und werdet leben!“ Und ein solches Leben ist anders. Wie sagte mal Spurgeon, der englische Erweckungsprediger? „Wenn wir bekehrt sind, muss es die Kuh im Stall merken.“ Ein solches Leben ist Wegbereitung für den Herrn und hat ganz praktische Konsequenzen.

„Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keins hat.“ Wir spüren: Das waren andere Zeiten, arme Zeiten. Da gab es Menschen, die froren, weil sie kein Hemd hatten. Menschen, die hungerten, weil ihnen das Nötigste fehlte.

Teilen, sagt Johannes. Uns mag das zu einfach klingen. Und doch, wie schwer ist das! Da sagt einer zu seinem Freund: „Wenn du fünf Fernsehgeräte hättest, würdest du mir eines schenken?“ – „Klar.“ – „Wenn du fünf Autos hättest, würdest du mir eins schenken?“ – „Klar.“ – „Wenn du fünf Hemden hättest, würdest du mir eins schenken?“  Der Gefragte schüttelt den Kopf. „Warum nicht?“ – „Ich habe fünf Hemden.“

Teilen, Abgeben – eine schwere Sache. Doch anders können wir nicht Wegbereiter sein, Wegbereiter des Gottes, der kommt, der nicht nur etwas aufgibt, sondern alles, der nicht nur etwas verschenkt, sondern sich selbst, der nicht nur etwas gibt, sondern sein Leben für uns dahin gibt.

Teilen – nicht nur Geld, sondern auch Zeit, Liebe, Nähe, Freude und Leid. Teilen und nicht mehr nehmen, als mir zusteht, sagt Johannes dem Zöllner. Und der Soldat möge mit seinem Sold zufrieden sein und nicht Menschen erpressen oder berauben.

Uns mag das wenig erscheinen. Doch fangen wir an. Bereiten wir dem Herrn den Weg. Nicht in Gedanken. Nicht nur mit Worten. Sondern mit unserem ganzen Leben. Gott kommt! Diese Nachricht macht uns zu Wegbereitern unseres Herrn. - Ja, daran lässt Johannes keinen Zweifel:

Als aber das Volk voll Erwartung war und alle dachten in ihren Herzen von Johannes, ob er vielleicht der Christus wäre,
antwortete Johannes und sprach zu allen: Ich taufe euch mit Wasser; es kommt aber einer, der ist stärker als ich, und ich bin nicht wert, dass ich ihm die Riemen seiner Schuhe löse; der wird euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen.
In seiner Hand ist die Worfschaufel, und er wird seine Tenne fegen und wird den Weizen in seine Scheune sammeln, die Spreu aber wird er mit unauslöschlichem Feuer verbrennen.
Und mit vielem andern mehr ermahnte er das Volk und verkündigte ihm das Heil.

Er ist nur ein Wegbereiter – wie der Chauffeur für die Bundeskanzlerin, der Zeugwart für den FC Bayern, der Roadie für die Rolling Stones. Er zeigt nur auf ihn, der kommen soll, den Herrn der Welt, den König der Könige. Das ist Inhalt seines Lebens – nicht mehr und nicht weniger. Und das tut er in aller Konsequenz und Furchtlosigkeit:

Der Landesfürst Herodes aber, der von Johannes zurechtgewiesen wurde wegen der Herodias, der Frau seines Bruders, und wegen alles Bösen, das er getan hatte,
fügte zu dem allen noch dies hinzu: er warf Johannes ins Gefängnis.

Johannes im Gefängnis! Und wir wissen: Noch im selben Jahr fällt er einer Laune des Königs zum Opfer und wird enthauptet. Ja, ein kurzes Leben nur! Keine 30 Jahre ist er alt geworden. Und? Wird mancher fragen. Was hat er vom Leben gehabt?

Vielleicht kennen Sie den alten Brauch: Kirschzweige, am 4. Dezember, dem Tag der Barbara, in die Vase gestellt, sollen zu Weihnachten erblühen. Doch wer war jene Barbara?

Gesichert weiß man sehr wenig von ihrem Leben. Die Legende erzählt allerdings, dass Barbara die ausgesprochen hübsche Tochter eines reichen Heiden mit Namen Dioskur war. Um seine Tochter vor den Zugriffen lüsterner Männer zu bewahren, sperrte Dioskur sie in einen Turm. Sie sollte dort heidnischen Wissenschaften nachgehen, fand aber an diesem Ort der Abgeschiedenheit zum christlichen Glauben.

Zum Zeichen für ihren Glauben an den dreieinigen Gott ließ Barbara im Turm drei Fenster einbauen und brachte ein Kreuz an der Wand an. Barbaras Bekehrung zum Christentum löste bei ihrem Vater größten Zorn aus. Sie war vor seiner Gewalt nicht mehr sicher und musste fliehen. Auf ihrer Flucht geschah ein Wunder. Ein Fels umschloss sie, so dass sie vor den Augen ihres Vaters verschwand.

Schließlich spürte er sie aber doch auf und führte sie einem Richter vor, der sie grausam foltern ließ, zuletzt sogar entkleidet durch die Stadt jagte, den Misshandlungen der schaulustigen Menge ausgesetzt. Als sie trotz schmachvoller Peinigung in ihrem Glauben standhaft blieb, ordnete der Richter ihren Tod durch Enthauptung an. Es war ihr Vater selbst, der das Urteil vollstreckte. Zur Strafe fiel aber auch er, sofort vom Blitz erschlagen, tot um.

Eine grausame Geschichte. Was soll daran für uns heute vorbildhaft sein? Barbaras Standhaftigkeit ist scheinbar heute eigentlich so nicht mehr erforderlich und aktuell. Denn: Wer würde schon von seinem Vater verfolgt und getötet, nur weil er oder sie sich zum christlichen Glauben bekennt? Ich halte inne und denke an Christen in manchen Ländern Afrikas und Asiens, die genau das erleben, wie sie von Freunden verraten oder von Angehörigen angezeigt werden.

Menschen, die mich beschämen und faszinieren wie Barbara. Sie blieb sich trotz schmachvoller Peinigung bis in den Tod hinein treu, nichts ängstigte sie. Ihr Gottvertrauen verlieh ihr unerschrockenen Mut. Die Botschaft der Lesung ihres Gedenktages (Röm 8, 31b39) mag Barbaras Kraftquell gewesen sein. Paulus ermutigt die Römer: Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Alles Leid ist überwunden durch den, der uns geliebt hat. Weder Tod noch Leben können uns scheiden von der Liebe Gottes in Christus.

Gott hat nicht davor zurückgeschreckt, seinen einzigen Sohn für uns zu opfern. Weder Bedrängnis noch irgendeine existentielle Not oder Verfolgung können die Liebe Gottes ausschalten. Ihr Sieg ist gewiss. Alles überwindet sie. Und sie macht alle stark, die auf Gott derart vertrauen. In ihrem Gottvertrauen war Barbara eine starke Frau.

Und so war auch sie eine Wegbereiterin Christi. Ihr Leben war kurz, endete grausam. Doch es war ein klarer Hinweis auf Gott, der kommt, der unsere Welt verändert. Deshalb war ihr Leben sinnvoll, reich und erfüllt. Zahlreichen Menschen wurde sie zum Vorbild.

Und von solchen Menschen geht eine Segensspur aus. Es stand im Neukirchener Kalender: Das Leben hatte ihm arg mitgespielt. Man sah es ihm an. Wir saßen uns gegenüber, und er redete sich das Elend seines Lebens von der Seele. „Ich komme aus dem Chaos“, begann er. „Meine Eltern tranken und prügelten sich. Und ich bin durch viel Angst und Hilflosigkeit gegangen. Zweimal bin ich in der Schule sitzen geblieben. Zu Hause gab's Prügel dafür.

Dass ich überhaupt noch am Leben bin, verdanke ich meiner Oma. Sie wohnte im gleichen Ort wie wir. Zu ihr konnte ich immer kommen. Sie betete oft mit mir. Und sie betete auch für mich. Das wusste ich, und sie sagte es mir auch.

Es gab eine Zeit, da traute ich mich nicht zu ihr. Ich schämte mich, weil man mir ansah, wie runtergekommen ich war. Aber der Kontakt zu ihr riss nicht ab. Dann ging ich wieder öfter zu ihr. Und sie hatte immer ein gutes Wort für mich. Ich bin fest überzeugt: Ihren Gebeten verdanke ich es, dass ich noch lebe. Seit einigen Jahren ist sie nun tot. Ich würde ihr gerne sagen, wie dankbar ich ihr bin.“

Gut, dass er diese Großmutter hatte, eine Frau wie die heilige Barbara, wie Johannes der Täufer. Eine Frau, die den Weg bereitete, auf den hinwies, der kommt, der Heil und Leben mit sich bringt, den Retter der Welt.

Von solchen Menschen geht eine Segensspur aus. Und heute, am dritten Adventssonntag, steht der Täufer vor uns und fragt, ob wir das wollen: dem Herrn den Weg bereiten.

Das ist nur eine kleine Nebenrolle. Da stellen wir uns nicht selber ins Rampenlicht. Da zeigen wir mit unseren Worten und Taten auf den, der kommt, der uns und diese Welt verändert.

Nur eine Nebenrolle. Eine spannende Rolle. Eine Rolle voller Abenteuer. Eine Rolle, die erfüllt, die unser Leben reicht macht – ganz egal, ob es so kurz ist wie das des Johannes oder der Barbara, oder lang, wie das jener Großmutter, die ihrem Enkel zum Segen wurde.

Bereitet den Weg des Herrn und macht seine Steige eben!
Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden.
Und alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen.“

Amen.

 



Pastor Manfred Gerke
26826 Weener
E-Mail: Gerke.Manfred@t-online.de

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