Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Advent, 11.12.2016

Bereitet den Weg des Herrn!
Predigt zu Lukas 3:1-14, verfasst von Jorg Christian Salzmann

I

Hoher Besuch hat sich angesagt. Die Kehrmaschinen sind durch die Straßen gefahren und haben alles sauber gemacht. Die Absperrgitter stehen, der rote Teppich bedeckt die Stufen zum Rathaus, das goldene Buch liegt schon bereit. Alles wartet gespannt, und es herrscht Feierlaune.

Das, so könnten wir sagen, ist Advent. Wieso das denn? Das ist doch nicht unser Advent! Das ist weder gemütlich noch weihnachtlich, und überhaupt ist bei uns noch lange nicht alles vorbereitet. Na ja, theoretisch wissen wir schon: Advent heißt Ankunft, und das hat mit Vorbereitung und gespannter Erwartung zu tun. Aber unsern normalen Advent mit einem Staatsempfang vergleichen, das funktioniert dann wohl doch nicht. Von wegen alles sauber und alles bereit. Das Jahresende steht vor der Tür, und so vieles muss noch in Beruf und Geschäft vor der Weihnachtspause erledigt werden. Dazu kommen dann noch all die Weihnachtsfeiern, und Christbaum und Geschenke wollen auch noch besorgt sein.

Nun, wir sind in der Kirche, um bei all dem Trubel auch noch einmal etwas anderes zu hören; hier werden Akzente gesetzt, die uns aufmerksam machen auf den Sinn des Ganzen und auf das Wesentliche; das können wir vom Gottesdienst erwarten.

 

II

Johannes der Täufer tritt heute auf und hält eine Predigt. Buße hat er im Sinn, Umkehr von den ausgetretenen Pfaden, auf denen wir mitlaufen. Zugleich gibt er ein Ziel vor: Bereitet dem Herrn den Weg! Hoher Besuch steht ins Haus, Gott schickt seinen Abgesandten, ja er selbst kommt zu uns.

Was würdest du tun, wenn ganz hoher Besuch sich bei dir ansagte, sagen wir einmal der Bundespräsident persönlich? Ja, es müsste alles sauber sein, und wir würden versuchen uns von unserer besten Seite zu präsentieren. Zugleich würden wir uns wohl auch Gedanken machen: Echt wollen wir schon bleiben, nicht einfach nur Fassaden aufbauen. Etwas mitteilen von dem, wer wir sind und was wir machen. Natürlich, eine gute Bewirtung müsste auch sein, das Beste, was wir zu bieten haben. Aufregend wäre das, ganz schön viel Stress, und am Ende wahrscheinlich die bange Frage, ob die Sache auch gelingen wird.

Jetzt also ist Gott selber auf dem Weg zu uns. Der Täufer wählt drastische Worte und rüttelt die Leute wach. Gott erwartet etwas von euch! Ihr könnt nicht einfach so weitermachen und meinen, euer Nichtstun, eure Hartherzigkeit, euer Egoismus sei schon in Ordnung, weil ihr bei Gott gut angeschrieben seid.

Wie ein Prophet aus dem Alten Testament wird Johannes uns vorgestellt. Der Evangelist Lukas macht sich die Mühe, das Auftreten dieses Propheten genau zu datieren, so wie das im Alten Testament am Anfang der Prophetenbücher auch zu lesen ist. Und wie dort heißt es, dass das Wort Gottes zu dem Propheten geschah; Johannes redet im Auftrag Gottes und ruft das Volk Gottes wie die alten Propheten zur Umkehr.

Gottesverhältnis und Leben müssen zu einander passen, das ist die Botschaft. Ihr könnt nicht von der Liebe Gottes reden und zugleich die andern Menschen mit Füßen treten. Es wäre fatal, wenn ihr euch darauf ausruht, dass ihr ja eh zum Volk Gottes gehört. Für den Besuch Gottes also muss etwas geschehen! Sonst führt die Sache zum Untergang und nicht zum Heil.

Was sollen wir denn tun? fragen die Leute. Johannes der Täufer gibt Antworten: Barmherzigkeit üben, ehrlich sein, kein Unrecht tun und nicht andern Leuten das Geld wegnehmen. Das klingt eigentlich ganz einfach, aber es ist doch für alle eine Herausforderung. Denn das ist nicht selbstverständlich, dass wir abgeben von dem, was wir haben, zumal in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Und die Zöllner, die nach den Worten des Täufers nichts weiter tun sollen als nur den vorgeschriebenen Satz zu nehmen, die kommen dann kaum noch auf ihre Kosten. Ihr Lohn war so gering, dass sie nur durch Korruption auf einen guten Lebensstandard kommen konnten. Wer hält sich noch genau ans Recht, wenn es eng wird und man womöglich die eigenen Kinder nicht ordentlich versorgen kann? Genauso ging es den Soldaten, bei denen die Gewalt sozusagen zum Beruf gehörte und die ebenfalls nur dann richtig gut leben konnten, wenn sie sich ihr Teil einfach nahmen.

 

III

Johannes der Täufer erinnert mit seiner Bußpredigt daran, dass unser Zusammenleben nicht mehr richtig funktioniert, wenn jeder nur an sich denkt und sein Schäfchen ins Trockene bringt, wenn uns das Schicksal der anderen egal ist. Er erinnert daran, dass solches Verhalten Gott nicht gefällt und seinen Zorn auf sich zieht. Und er erinnert daran, dass wir für die Ankunft Gottes gerüstet sein sollten, vorbereitet darauf, Rechenschaft zu geben von unserm Leben.

Das klingt gar nicht so angenehm. Da will keine adventliche Stimmung aufkommen. Das hört sich ganz so an, als müsste alles schief gehen mit dem hohen Besuch. Ob wir Gott lieber bitten sollten, dass er uns in Ruhe lässt, weil das Leben ohnehin schon schwierig genug ist?

Das wäre wohl so, wenn nicht der angekündigte Besuch sich als Überraschungsgast herausgestellt hätte. Denn da ist nicht Gott in seinem Zorn gekommen, sondern Jesus Christus mit der Liebe Gottes. Er hat sich den Verlierern zugewendet, den Menschen, die nach der allgemeinen Meinung gerade nicht geeignet waren, den hohen Besuch zu empfangen. Davon, dass sie ihm nach der Predigt des Täufers den Weg bereitet hätten, war nichts zu spüren.

Damit bringt Jesus einen neuen Ton in die Sache hinein, ja einen ganz neuen Ansatz. Als Beispiel können wir den Zöllner Zachäus nehmen. Mag sein, dass auch der von der Predigt des Johannes gehört hatte. Aber sein Leben ändert sich erst grundlegend, als Jesus zu ihm kommt, ihn in seinem Haus besucht, Gemeinschaft mit ihm hält. Dass Zachäus die einfachen Regeln, wie man sich eigentlich verhalten sollte, kannte, zeigt sich an seiner Reaktion auf den Besuch Jesu: Er will wieder gut machen, was er an Unrecht getan hat. Diese Haltung wird ihm aber erst dadurch möglich, dass Jesus ihm die Liebe Gottes bringt und ihm zeigt, dass er nicht verloren ist. So ist sein Leben neu geworden.

 

IV

Hoher Besuch hat sich angesagt. Im Advent warten wir auf Gott und werden daran erinnert, dass unser Glaube und unser Leben zusammenpassen sollten. Viele, die davon wissen und sich einsetzen für Arme und Schwache, wenden sich gerade jetzt mit ihren Spendenbitten an uns; so viele, dass wir gar nicht allen nachkommen können und geradezu zwangsläufig mit einem schlechten Gewissen zurückbleiben. Da ist es wichtig, dass Jesus Christus auch zu uns kommt und uns aufhilft und die Liebe Gottes bringt. Denn diese Liebe gibt uns Kraft und Phantasie, das Richtige zu tun; mit dieser Liebe kommt aber auch Gottes Vergebung in unser Leben, das eben nicht so ist, dass wir anstandslos den hohen Besuch Gottes empfangen könnten.

So ist der Advent eine Zeit, sich auf das Wesentliche zu besinnen und auch auf Johannes den Täufer zu hören; vor allem aber doch eine Zeit froher Erwartung: Gott kommt zu uns mit seiner Freundlichkeit in Jesus Christus.

 

Gebet: Ach mache du mich Armen zu dieser heilgen Zeit aus Güte und Erbarmen, Herr Jesu, selbst bereit. Zieh in mein Herz hinein vom Stall und von der Krippen, so werden Herz und Lippen dir allzeit dankbar sein. (EG 10,4)



Prof. Dr. Jorg Christian Salzmann
Oberursel
E-Mail: salzmann.j@lthh-oberursel.de

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