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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Weihnachtstag, 26.12.2016

Predigt zu Matthäus 23:34-39 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Poul Joachim Stender

Matthäus 23,34-39 (dänische Perikopenordnung, Skt. Stephanstag)

 

Es gibt Gruppen in der Gesellschaft, die den Juden und Moslems verbieten wollen, ihre kleinen Jungen zu beschneiden. Man meint, das sei ein gewaltsamer Übergriff gegen die Kinder im Namen der Religion. Aber die Frage ist: „Ist die Beschneidung für uns ein Ärgernis, weil es einen wunden Punkt bei uns berührt: das Geschlecht und die Sexualität?“. Es ist auch ein gewaltsamer Übergriff gegen Kinder, ihre Zähne auszurichten. Wer hat uns eingebildet, dass die Zähne der Kinder gleich sein sollen? Und was mit Operationen von abstehenden Ohren? Wo ist hier die Grenze? Wenn Kinder nicht im Namen der Religion misshandelt werden dürfen, dürfen sie wohl auch nicht misshandelt werden, nur damit sie dem Bild entsprechen, das wir von schönen Kindern haben.

Im Christentum beschneiden wir keine Kinder. Wir schlagen bei der Taufe ein Luftkreuz vor dem Gesicht und der Brust des Kindes und gießen vorsichtig drei Hände sorgsam temperiertes Wasser auf den Kopf des Kindes. Danach sind sie Christen. Wenn wir uns ganz ausziehen, kann niemand sehen, dass wir getauft sind. Da fehlt nicht irgendetwas. Vielleicht ist es unsere Taufe, die nicht weh tut wie eine Beschneidung, die uns den Eindruck vermittelt hat, dass das Christentum total schmerzfrei sei. Die Leute bilden sich ein, dass das christliche Leben ein langes Leben sei mit Schmerztabletten. Ader der Text zum zweiten Weihnachtstag zeigt, dass es weh tut, ein Christ zu sein. Nicht weil uns unsere Vorhaut abgeschnitten wird. Aber Stephan, der erste christliche Märtyrer, ließ sich für seinen Glauben misshandeln. Für ihn tat es weh, ein Christ zu sein. Er starb daran. Und nach ihm tausend und abertausend Menschen, die für ihren Glauben gelitten haben. Man fragt sich: Tut das Christentum heute nicht mehr weh in den westlichen Demokratien? Eines ist, dass die christliche Hoffnung nicht weh tut. Aber das bedeutet nicht, dass das Christsein ein schmerzfreier Bereich ist.

Mit der Gabe, von Gott geliebt zu sein, folgen auch viele Aufgaben. Es tut weh, seine EC-Karte hervorzuholen und etwas von seinem Überschuss für die Armen der Welt zu geben. Er schmerzt, das Wagnis auf sich zu nehmen, zu sagen, was man für richtig hält und für falsch. Christentum ist kein Opium. Die wahre Beschneidung besteht deshalb nicht darin, dass ein Stück der Vorhaut entfernt wird. Die wahre Beschneidung ist die schmerzhafte Beschneidung des Herzens. Und diese Form der Beschneidung merkt man, wenn man das Evangelium hört. Das Wort Christi ist schärfer als jedes zweischneidige Schwert, es ist durchdringend, es trennt die Seele vom Geist und Mark und Bein und ist Richter über die Gedanken und Meinungen des Herzens. Es tut etwas mit unserem Herzen, bildet es um, schneidet es in irgendeiner Weise zu, entfernt nicht die Vorhaut, aber die Dickhäutigkeit, so dass wir ein Herz bekommen für Gott und unsere Mitmenschen.

Der 26. Dezember ist der Tag des Stephan, einer der ersten christlichen Märtyrer. Die Begegnung mit der Botschaft Jesu hatte sein Leben grundlegend gewandelt. Er fühlt Feuer und Kraft und Stärke in sich brennen. Er konnte mit seinem ganzen Leib spüren, dass die Botschaft, die Jesus brachte, etwas war, was sowohl er selbst als auch die Welt brauchte. Aber das Problem war, dass es ausgesprochen gefährlich war, von Christus zu erzählen. Heute bringt es ein gutes Auskommen, das Evangelium zu verkündigen, wenn man in Ländern wohnt, wo die Christen nicht verfolgt werden. Festes Gehalt, Pension, Kilometergeld, Dienstwohnung, Zulagen. Die Gefahr besteht darin, dass man sich einen dicken Bauch anfrisst und an Fett im Herzen stirbt. Aber in der Zeit Stephans war er mit Lebensgefahr verbunden, die Botschaft von Jesus Christus weiterzutragen. Die Christen wurden verfolgt, und Stephan wurde auch gesteinigt von Leuten, die fürchteten, dass sich die lehre Jesu ausbreiten und ihren eigenen Glauben und ihre eigene Religion verdrängen könnte. Aber Stephan nahm das Opfer auf sich. Er wollte sich opfern für das, woran er glaubte. Und vielleicht ist die Welt getragen worden von Leuten, die bereit waren, sich für ihren Glauben, ihre Hoffnung, ihre Träume und Sehnsüchte zu opfern.

Heute haben wir uns selbst eingebildet, dass das Christentum nichts kosten darf. Aber natürlich kostet es etwas, ein Christ zu sein. Es kostet Engagement. Wir können als Christen nicht zusehen, ohne zu reagieren, wenn die Welt immer gleichgültiger wird gegenüber der Botschaft Gottes. Das Christentum kostet Zeit, Engagement, Mitgefühl. Aber zugleich gibt es uns alles. Stärke, Hoffnung, Mut, Freiheit. Christus opferte sich für uns. Er gab sich vollständig hin. Nicht wir sind Opfer, sondern der Sohn Gottes.

In der Ehe muss man sich auch opfern. Die hohe Scheidungsrate liegt vielleicht daran, dass niemand hin und wieder ein Opfer bringen will. Kinder erziehen heißt auch, sich zu opfern. Viele ändern nicht ihren Lebensstil, nachdem sie Kinder bekommen haben. Aber man muss ein anderes Leben führen als Eltern und nicht mehr Single. Am zweiten Weihnachtstag wird deutlich, dass der Jesus, der zu Weihnacht geboren wurde, sich 33 Jahre später für uns opferte. In einer Opferhandlung auf Golgatha, die wir mit unserem Verstand nicht begreifen, gab er sich selbst, damit wir mit ihm leben, sterben und von den Toten auferstehen können.

Der Sankt Stephans Tag unterstreicht, dass unser Leben aus täglichen Opfern bestehen soll. Wir sind da, um uns für Gott und einander zu opfern. In der Ehe, in der der Erziehung von Kindern, in Freundschaften, in der Arbeit, für den Glauben. Das ist nicht gleichbedeutend mit Fanatismus. Es geht darum, sich selbst zurückzustellen für etwas, was wichtiger ist als man selbst. Unser Glaube, unsere Hoffnung und unsere Liebe können sich, mit Gottes Hilfe, als größer erweisen als der Schmerz, der damit verbunden ist, sich zu opfern. Aber keine Finsternis ist so dicht, als dass das Kind, das zur Weihnacht im Stall zu Bethlehem geboren wurde, sie nicht zerstreuen kann. Amen.



Pastor Poul Joachim Stender
DK 4060 Kirke Såby
E-Mail: pjs(a)km.dk

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