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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Weihnachtstag, 25.12.2016

Predigt zu Lukas 2:1-14(dänische Perikopenordnung), verfasst von Anne-Marie Nybo Mehlsen

..und es geschah eben in unseren Tagen, dass ein Befehl von der UNO ausging, um einen Wirtschaftsindex in der ganzen westlichen Welt festzulegen, um auf lange Sicht eine gerechtere Verteilung unter den verschiedenen Völkern einzuführen. In diesem Zusammenhang wurde eine umfassende Prüfung der Wirtschaft ins Werk gesetzt, hierunter eine Untersuchung aller europäischen Banken.

Das war die 337. UNO-Resolution über die Verteilung unter den Völkern der Welt, während Putin, Trump und der IS mehr oder weniger Syrien und die umliegenden Länder kontrollierten.

Die Ölgesellschaften und geheimen Interessenorganisationen setzten sogleich die ganze Welt in Bewegung hin zum wirtschaftlichen Abgrund in einer umfassenden Wirtschaftskrise, wobei mehrere der größten Banken noch einmal Staatszuschüsse erhielten und viele gewöhnlichen Menschen ihr Haus aufgeben mussten.

Auch der Zimmerman og Einwanderer der dritten Generation aus dem Libanon, Yussef, der in Pattensen wohnte, wo REWE lägst zugemacht hatte und auch keine Busverbindung mehr war, musste sein Haus verlassen mit seiner allzu jungen Verlobten Maria, die hochschwanger war und aus Polen eingewandert war. Da der Benzinpreis kürzlich auf 20 € pro Liter gestiegen war und Yussef überall nur Schulden hatte, besorgten sie sich einen Esel in einem Hof in Koldingen und zogen durch Koldingen nach Hannover, wo die Großeltern von Yussef einmal ein kleines Hotel hatten bei einem Freibad am Maschsee – aber das war lange her, und neulich waren die letzten Reste des Grundstücks für eine neue gigantische Bank geräumt worden.

Auf dem Wege nach Koldingen merkte das junge Paar, dass sie keineswegs die einzigen auf den Wegen waren. Überall waren die Leute unterwegs, zu Fuß, mit dem Fahrrad, auf Rollschuhen - mit Säcken und Taschen, gezwungen durch die Umstände. Maria stöhnte laut und griff sich an den Rücken, als sie Arnum erreichten. Yussef strich ihr über das Haar und sang ein altes jüdisches Lied von der Freiheit und neuem Land für sie. Maria lächelte, sie kannte das Lied aus ihrer jüdischen Familie, die es so lange schon gesungen hatte, dass niemand sich an die Geschichte erinnerte. Aber es wurde früh und spät gesungen, bei Festen, an Wiegen, bei Beerdigungen und für alle kleinen Kinder in der Familie.

Yussef hatte eine schöne Stimme und war sehr musikalisch, der Esel setzte den Rhythmus, Maria begann zu summen, und bald waren sie wie bei einem Klezmerjam-Fest. Als sie an den Maschsee kamen, war es schon dunkel, und Maria war ganz blass vor Erschöpfung. An der Tür des Obdachlosenheims stand „alles besetzt“, und auf den großen und kleinen Booten auf dem See war deutlich, dass viele Menschen eine alternative Übernachtungsform gefunden hatten. Yuseef wusste weder aus noch ein und zog mit seinem Esel hinüber zum Sprengelmuseum. Ein Nachtwächter ging gerade seine Runde, und Yussef fragte, ob er nicht eine Stelle kenne, wo sie hin könnten. Maria jammerte, als ein scharfer Schmerz sie durchfuhr, kalter Schweiß sprang hervor, während sie hoffte, dass es nur erste Wehen waren – ihr Termin war erst im Januar.

Der Wächter war freundlich und führte sie hinauf zur Marktkirche, wo er für sie aufschloss. „Psss“, sagte er und führte sie in eine neurenovierte Seitenkapelle. Da stand eine Krippe aus dem Krippenspiel der Vorkonfirmanden. Hier könnt ihr heute Nacht sein, sagte der freundliche Wächter, aber morgen müsst ihr wieder weg, wenn der Küster um acht Uhr kommt. Der Esel war in einer Seitenkapelle daneben abgestellt.

Danke, sagte Yussef und machte sich daran, Kleidung und Decken für Maria zu arrangieren, die ganz zusammengesunken war, kurzatmig vor Schmerzen. Es kam die Zeit, und sie gebar ihr erstes Kind, einen Sohn, und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in die Krippe, während sie und Yussef still ihr altes jüdisches Lied sangen. Die Marktkirche lag im Dunkeln abgesehen von einem Herrnhuter Stern ganz oben, der sein Licht durch die Fenster in die Stadt schickte.

In der Feuerwehr von Hannover war die Nachschicht eingetroffen, es waren jetzt Freiwillige, niemand bezahlte mehr Gehalt für Feuerwehrleute, die neue Regierung hatte das Geld dafür gestrichen, um Steuersenkungen zu finanzieren, mit der Begründing, dass die meisten sich ja doch privat versicherten in einem der großen „Fürsorgekonsortien“. Einige wenige Freiwillige hielten Wache und reparierten Fahrzeuge und Geräte. Als sie gerade damit beschäftigt waren, wurde es plötzlich ganz hell um sie. Sie rannten hinaus um zu sehen, und sie sahen ein starkes weißes Licht über der Marktkirche. „Eine Explosion“, sagten sie und erschraken. Plötzlich stand da jemand vor ihnen, merkwürdig fremd anzusehen – groß, stark, fast leuchtend mit schulterlangem schwarzem Haar, nicht gleich als Mann oder Frau zu erkennen. Die Stimme klang wie reine Musik mit den Worten: „Fürchtet euch nicht, ich bin gekommen, um euch einen große Freude zu verkünden! Heute ist ein Kind in Hannover geboren. Das Kind ist eure Rettung. Ihr sollt nach einem Kinde suchen, in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend“. In dem Augenblick erklang eine himmlische Musik, reiner Halleluja-Rock, als hätte jemand den Stadionlautsprecher voll aufgedreht: „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden! Friede den Menschen seines Wohlgefallens.“ Die Feuerwehrleute verließen die Wache und gingen nach dem Licht zur Marktkirche, wo sie den Nachtwächter trafen, der sie hineinließ zu der kleinen Familie. Seit dem ging das Gerücht, dass in Hannover ein Wunder geschehen war, von dort hatte eine friedliche Revolution begonnen. Menschen hatten begonnen, einander zu helfen. Sie teilten nun, was sie hatten, und immer mehr schlossen sich an. Die Bewegung breitete sich blitzschnell aus. Sie erzählen wieder einander die Geschichte von Jesus, was er gesagt und getan hatte. Wie er mitten in einer Zeit mit Unterdrückung und Armut von Gottes Idee mit dem Menschenleben redete, dass die Liebe letztlich die einzige Regel ist, die wir brauchen. Und dass keine Regeln und Gesetze, die nicht der Liebe dienen und gut für die Menschen sind, befolgt werden sollen. Und man erzählte davon, wie Jesus die Kranken geheilt hatte und sogar aus dem Grabe auferstanden war. Die Geschichte vom barmherzigen Samariter wurde auch immer wieder erzählt. Ein Krankenhaus in Hannover wurde wieder eröffnet, erst mit freiwilligen Ärzten ohne Grenzen, und viel später wurde es wieder öffentlich finanziert.

Die Gier bekam wieder Gegenwind, und viele Banken und private Versicherungsordnungen mussten schließen, weil sich die Menschen wieder um einander kümmerten. Langsam, sehr langsam aber stetig verändert sich alles. Die frohe Botschaft machte Eindruck und prägte die Welt. Friede auf Erden! So klang es immer wieder von Mund zu Mund.

Marias und Yussefs Urenkel erlebten das Wunderbare: Sie wuchsen auf in einer Zeit ohne Krieg auf Erden, Afrika war nicht mehr geprägt durch Armut und Hungersnot, und die großen Völkerwanderungen hatten aufgehört. Niemand brauchte mehr Pass oder Visum, um zu reisen. Alle Konventionen der UNO handelten nun von Klimaverbesserungen, Aufforstung, Landwirtschaft in den Städten, die bemerkenswert still und grün wurden, nachdem Benzin- und Dieselfahrzeuge durch Elektrozüge, Straßenbahnen und kleine Shuttels überflüssig gemacht worden waren. Stress, vorher eine Volkskrankheit, war ein nahezu in Vergessenheit geratener Zustand, weil man gemeinsam beschlossen hatte, den Gebrauch von Computern und Handys wegen der Umweltschäden und des Zeitverbrauchs stark zu begrenzen. Frohe Weihnacht. Amen.



Pastorin Anne-Marie Nybo Mehlsen
DK-4100 Ringsted
E-Mail: amnm(a)km.dk

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