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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Weihnachtstag, 26.12.2016

Ehre sei Gott in der Höhe
Predigt zu Johannes 8:12-16, verfasst von Wibke Klomp

Mit dem zweiten Feiertag, liebe Gemeinde, hat das Weihnachtsfest seine Hektik abgelegt.

Man findet Zeit für sich, vielleicht auch Zeit zum Nachdenken über das, was von der diesjährigen Advents- und Weihnachtszeit für einen persönlich hängen bleiben wird.

„Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden“ verkünden die Engel in der Nacht der Nächte, in der sich Himmel und Erde begegnen. Ein Stück weit suchen wir an Weihnachten den Frieden für uns. In unseren Häusern und Wohnungen, in unseren Gottesdiensten kommen wir zusammen und feiern, dass Gott in einem kleinen Kind in einem Stall abseits von allem Trubel der Welt geboren wurde.

„Ehre sei Gott in der Höhe“, ja, sicher. Aber „Frieden auf Erden?“ So gerne man Weihnachten feiert, von Frieden auf Erden kann im Moment beim besten Willen keine Rede sein. Viel ist in den vergangenen Monaten passiert. Radikalisierungen schlagen sich in den Wahlergebnissen nieder. Terroranschläge fordern Opfer und verbreiten Angst auf der ganzen Welt. Der Anschlag von Berlin, das Attentat in Istanbul, sie sind keine Woche her. Die Bilder aus den Kriegs- und Krisengebieten dieser Welt laufen weiter.

Was machen wir mit dem „Licht der Welt“, auf dessen Kommen wir uns ja auch nicht ohne Grund gefreut haben? Stellen wir es in unsere Festtagsecke und verpacken es danach wieder mit den anderen Weihnachtsutensilien? Hoffentlich nicht, denn schließlich war die Geburt Jesu ja nicht das Ende seines Weges, sondern nur der Beginn. Das Kind aus der Krippe wuchs heran und begann mit seinem Wirken, das von Anfang an umstritten war. Immer wieder eckte der junge Mann aus Nazareth an, immer wieder rieben sich vor allen Dingen die Schriftgelehrten und Pharisäer an ihm. Und das nicht ohne Grund, denn das, was Jesus sagte, provozierte das Establishment, weil er nicht in den gängigen Kategorien urteilte und er sich selbst einer anderen Macht zuordnete. Hören wir hinein in eine Begebenheit wie sie bei Johannes im 8. Kapitel seines Evangeliums aufgezeichnet hat:

 

Jesus redete abermals zu den Schriftgelehrten und Pharisäern und sprach: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben. Da sprachen die Pharisäer zu ihm: Du gibst Zeugnis von dir selbst; dein Zeugnis ist nicht wahr.

Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Auch wenn ich von mir selbst zeuge, ist mein Zeugnis wahr;

denn ich weiß, woher ich gekommen bin und wohin ich gehe; ihr aber wisst nicht, woher ich komme oder wohin ich gehe. Ihr richtet nach dem Fleisch, ich richte niemand.

Wenn ich aber richte, so ist mein Richten gerecht; denn ich bin's nicht allein, sondern ich und der Vater, der mich gesandt hat.

 

Das Kind aus der Krippe ist erwachsen geworden, liebe Gemeinde. Es liegt nicht mehr auf Heu und auf Stroh, sondern steht mit beiden Beinen in der Welt und nimmt das Unrecht und die Ungerechtigkeit, die darinnen geschieht, wahr. Mehr noch: Jesus wagt es, gängige Abläufe und Einordnungen in der Gesellschaft zu hinterfragen und neu auszuleuchten. Das ganze Johannesevangelium erzählt davon. Jesus wendet sich Menschen zu, die am Rande der Gesellschaft standen, ergreift Partei für Menschen, die allgemein abgeurteilt wurden. Damit geht er in Konfrontation zu den Schriftgelehrten und Pharisäern. Aber was passiert da eigentlich genau? Was macht Jesus anderes, dass er es wagt, sich selbst als Licht der Welt zu beschreiben und andere ihn als solches wahrnehmen?

Schauen wir auf drei Ereignisse, die Johannes vom Wirken Jesu bis dahin berichtet:

Jesus heilt einen Kranken am Teich Betesda an einem Sabbat. Das regt die Gemüter auf. Nicht das Heilen an sich, sondern der Tag. Jesus sagt: Wem man helfen kann, dem hilft man. Hier und Jetzt, da gibt es keine Ausreden. Als ob ein Wochentag über Gottes Wirken entscheiden könnte.

Bei der Speisung der 5000 nimmt er den Jüngern die Ängste, dass die Menschen nicht satt werden.

Erst als sie hinterher die übrig gebliebenen Brocken in Körben einsammeln, sehen sie die Fülle, die vorhanden war.

Als eine Ehebrecherin verurteilt werden soll, sagt er: „Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“ Solch ein Satz sitzt, jeder soll sich erst einmal sich selbst in den Blick nehmen, bevor er auf andere zeigt. Die umherstehenden Menschen verlassen den Ort des Geschehens.

Jesus, das Licht der Welt, eröffnet uns Menschen neue Perspektiven, die uns aus unseren festgefahrenen Bahnen und gängigen Urteilen lösen. Er leuchtet unser Handeln aus. Damals wie heute. Die Botschaft des Gottessohnes ist darum in unserer Gesellschaft heute notwendiger denn je: Es liegt an uns, dass wir Ängste und Vorurteile überwinden und gemeinsam den Frieden suchen. Es liegt an uns, dass wir die vorhandene Fülle sehen und sie teilen. All dies kommt nicht von allein, sondern wir müssen an dieser Perspektive bewusst arbeiten. Stück für Stück und Tag für Tag. Wir müssen in unseren eigenen Familien beginnen, in unserem Miteinander vor Ort, in den Kindergärten, Schulen, Kirchengemeinen und Vereinen. An uns liegt es, einander die Hand zu reichen und unser Gegenüber wahrzunehmen, so wie Jesus sich auf jeden Einzelnen eingelassen hat. Wenn wir dies wagen und dabei auch einmal eigene vorhandene Vorurteile überschreiten, können einander zum Licht werden, das sich zu einem Lebenslicht für alle ausbreitet und in den Alltag, die Welt ausstrahlt.

Das Friedenslicht von Bethlehem, dass die Pfadfinder seit vielen Jahren von dort über Weihnachten in die Welt hinaustragen ist ein schönes Symbol dafür. Symbole des Friedens jedoch reichen in unseren Zeiten nicht mehr, so schön sie auch sind. Wir müssen beginngen, den Frieden zu leben, ein jeder und eine jede an seinem Ort. Und darum dürfen wir auch nicht müde werden, Weihnachten zu feiern und die Sehnsucht nach dem Licht der Welt und dem Frieden auf Erden hochzuhalten.

Gott hat die Welt wunderbar geschaffen. Jedes Kind, dass in diesen Tagen zur Welt kommt, soll dies auch erfahren und erleben dürfen. Egal ob es in Bethlehem, Aleppo oder Berlin das Licht der Welt erblickt. Es liegt an uns, daran mitzuwirken. Es liegt an uns, den Ruf der Engel „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden“ nicht verstummen zu lassen, sondern ihn mutig in die Welt hineinzulegen.

 

 

 

Liedvorschlag: Christus, das Licht der Welt (EG 410)

 



Pfarrerin Wibke Klomp
Walldorf
E-Mail: klomp@eki-walldorf.de

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