Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Sonntag n. Epiphanias , 15.01.2017

Predigt zu Exodus (2. Buch Mose) 33:18-23, verfasst von Suse Günther

Und Mose sprach zu Gott: Lass mich Deine Herrlichkeit sehen!

Und Gott antwortete: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will vor dir den Namen des Herrn kundtun:

Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig. Und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich. Und er sprach weiter: Mein Angesicht kannst du nicht sehen, denn kein Mensch wird leben, der mich sieht. Und der Herr sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin. Dann will ich meine Hand von dir tun und du darfst hinter mir her sehen, aber mein Angesicht kann man nicht sehen.

 

Gott, gib uns ein Herz für Dein Wort und nun ein Wort für unser Herz. AMEN

Liebe Gemeinde!

Was macht für Sie ein Wunder aus? Wann wird eine schlichte Tatsache für Sie zum Wunder? Dass jemand etwa durch Bremsen einen Unfall verhindert hat, ist erklärbar, man weiß ja, wie Bremsen funktionieren. Dass es aber gerade noch zum richtigen Zeitpunkt war, ist nicht erklärbar, vor allem dann nicht, wenn man bedenkt, dass andere dieses Glück nicht hatten. Dass die wohl gebremst haben, aber damit nicht mehr den Unfall verhindern konnten.

Für mich macht also ein Wunder aus, dass es uns nicht verfügbar ist. Es wird uns geschenkt, wir können es nicht machen. Wir können es erbitten und dankbar annehmen. Wir können unseren Blick dafür schulen. Aber es liegt nicht in unserer Hand.

Es gibt viele Christen, für die es wichtig ist, ein besonderes Bekehrungserlebnis gehabt zu haben. Also wirklich für sich persönlich diese Begegnung mit Gott gehabt zu haben und sich auf diese Weise ganz sicher sein zu können: Es gibt Gott wirklich, er hat mich angesprochen, er hat etwas mit mir vor. Es ist schön, wenn man auf so eine Begegnung zurückblicken kann. Aber man darf denen, die sich nicht auf so ein Erlebnis berufen können, ihren Glauben nicht absprechen. Im Gegenteil, ist es nicht sogar schwerer, sich trotzdem zu Gott zu halten, auch wenn man ihm nicht so persönlich begegnet ist?

In unserem Predigttext verhandelt Mose mit Gott. Er möchte ihm gerne persönlich begegnen. Ihn sehen. Mose will das nicht für sich, er erbittet die Begegnung für sein Volk. Dieses Volk, das seit vielen Jahren durch die Wüste zieht und unsicher geworden ist. Gibt es diesen Gott überhaupt, auf den wir uns da berufen? Unserem Predigttext unmittelbar voraus geht die berühmte Geschichte, dass Mose auf den Berg Sinai steigt, dort von Gott die 10 Gebote bekommt. Und bei seiner Rückkehr feststellt, dass sein Volk sich einen Ersatzgott gebaut hat und den anbetet. Mose zerschmettert in seinem Zorn die Gesetzestafeln. Und muss noch einmal auf den Berg, als er sich wieder beruhigt hat. Denn ohne die Anweisungen Gottes finden die Menschen ihren Weg in der Unwegsamkeit des Lebens nicht.

Mose kommt also zum zweiten Mal mit der Bitte um die Gebote Gottes. Dieses Mal möchte er alles richtig machen. Und braucht auch für sich die Sicherheit: Es ist Gott, der hinter allem steht. Ich bin ihm begegnet.

Gott lässt sich allerdings nur auf einen Kompromiss ein: ER lässt sich nicht ansehen. Er lässt sich aber erleben.

Und so sagt er denn auch zu Mose „mein Angesicht kannst Du nicht sehen, denn kein Mensch wird leben, der mich sieht. Aber ich will dich in eine Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, wenn ich vorübergehe. Und dann kannst du hinter mir hersehen.“

Erinnern wir uns, wie alles begann: Mose hütet in der Wüste die Schafe seines Schwiegervaters und sieht einen brennenden Dornbusch. Als er sich dem nähert, um sich das Phänomen näher zu betrachten, hört er, wie Gott ihn ruft:

Komm nicht näher, zieh deine Schuhe aus, der Ort, auf dem du stehst, ist heiliges Land… Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Mose verhüllte sein Gesicht, denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen….und fragte: wie ist Dein Name….Und Gott sprach: Ich werde sein, der ich sein werde (Ex. 3, 1ff)

 

Gott begegnet Mose. Er lässt sich nicht ansehen. Man kann ihm nicht zu nahe kommen. Und er lässt sich auch nicht in Worte fassen: „Ich werde der sein, der ich sein werde“, damit beschreibt sich Gott selbst: Ich werde euch Menschen begegnen, aber ich lasse mich nicht in Eure Vorstellungen pressen. Ich komme auf euch zu, wartet es ab.

 

Mit dieser Zusage allein nimmt Mose den großen Auftrag an, zum Pharao zu gehen, für sein Volk einzutreten und dann die Israeliten aus Ägypten durch die Wüste zu führen auf einen unbekannten Weg.

Dazu gehört viel Vertrauen: Auf solche Worte hin an Gott zu glauben: Ich werde sein, der ich sein werde.

Nun also eine weitere Begegnung auf dem Berg Sinai. Auch dieses Mal lässt Gott sich nicht festnageln: „Ich werde sein, der ich sein wird. Und wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig.“

Mose hätte es gern anders, wir hätten es gern anders.

Wir würden Gott gern fassen können, wenn wir ihn brauchen. Ihn uns verfügbar machen. Aber wäre er dann noch Gott? oder wäre er dann eben ein goldenes Kalb, nach unseren Vorstellungen gefügt?

Gott kennt seine Menschen. Er weiß, dass wir ihn brauchen. Und deshalb macht er Mose dieses Angebot: Ich werde Dich in diese Felsspalte stellen, da bist Du beschützt, es kann Dir nichts passieren. Und zusätzlich werde ich meine Hand über Dir halten.

Du kannst mich nicht sehen, aber es ist ein Raum bei mir, da kannst Du bleiben. Das möchte ich glauben können: Ich kann Gott nicht sehen, aber ich bin bei ihm beschützt. Gott lässt sich nicht fassen, aber er lässt sich spüren.

Die Hand über mir, der Raum, in dem ich geborgen bin.

 

Unser heutiger Predigttext ist über 3000 Jahre alt. Geschrieben in einer Zeit, als das Volk Israel noch ein Nomadenvolk war und in der Wüste umherzog. Mit Tieren und Zelten, auf der Suche nach Nahrung und Wasserstellen. Diesen Menschen begegnet Gott, indem er sie in den Herausforderungen des Umherziehens behütet. Indem er ihnen vorausgeht und den Weg zeigt, indem er sie in einer Felsspalte beschützt, wenn es hart auf hart kommt und die Hand schützend über sie hält. Gott begegnet seinen Menschen in ihrem Alltag und so, wie sie es brauchen.

 

Ich möchte mich mit dem Gedanken trösten können, dass er auch denen begegnet, die jetzt auf der Balkanroute unterwegs sind. Die bei über minus 30 Grad in Zelten ausharren. Die auf der Flucht sind. Die ein klein wenig Menschlichkeit erleben durch einzelne, die versuchen zu helfen, etwa das Team von „Ärzte ohne Grenzen“.“ Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig“, sagt Gott. Ich möchte mit ihm verhandeln, dass er denen den richtigen Weg zeigt, die ihre Heimat verloren haben und nirgendwo mehr dazu gehören. Dass er die in eine Felsspalte stellt, die keinen Schutz mehr haben. Dass er über die die Hand hält. Unser alter Gott, unser mächtiger Gott, unser Gott, der sich nicht in menschliche Kategorien pressen lässt. Der Gott Abrahams und Saras, der Vater Jesu Christi und so denke ich es mir, der Gott, der von manchen Allah genannt wird.

 

Gott zeigt sich den Menschen nicht persönlich. Er zeigt sich ihnen in verschiedenen Ausdrucksformen. Er versteht, dass Menschen in unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Ansprache brauchen. Über 1000 Jahre nach Gottes Begegnung mit Mose sind die Israeliten sesshaft geworden. Sie leben in Häusern und unter römischer Herrschaft. Diesen Menschen begegnet Gott ganz neu, indem er ihnen seinen Sohn schickt. An Jesus lässt sich ablesen, wie Gott handelt: Barmherzig und gnädig und von großer Güte.

Aber auch in der Person Jesu lässt Gott sich nicht vereinnahmen. Viele Wunder geschehen. Aber diese Wunder lassen sich nicht von Menschen machen. Es ist uns sogar berichtet, dass Jesus Menschen von den Toten auferweckt hat. Aber eben auch dies so selten und unbegreiflich, dass es des Erzählens wert war. All die vielen, die trotzdem gestorben sind, trotz aller Gebete und Verhandlungen mit Gott, die werden nicht erwähnt. Das Wunderbare, das das uns unbegreiflich bleibt, das wird weiter überliefert. Gott lässt sich nicht fassen.

Und deshalb sind mir alle radikalen Religionsvertreter, die so sehr genau zu wissen glauben, was man tun und lassen muss, um Gott in diese Welt zu holen, suspekt.

Der Gott, an den ich glaube und der sich uns in der Bibel vorstellt, hat solche radikalen Menschen nicht nur nicht nötig. Sondern er lehnt sie ab.

„Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig“, sagt Gott. Und drückt damit aus: Ich entscheide selbst. Ich komme den Menschen nahe, halte meine Hand über sie. Ich begegne ihnen.

Und einmal ehrlich: Möchten wir einen solchen Gott haben, der wie ein Kistenteufel aus der Dose springt, wenn wir gerade mal Lust haben, den Deckel zu öffnen?

Um ihn dann wieder einzupacken, wenn er uns langweilig wird?

Gott ist in seiner Aussage gegenüber Mose ganz klar: Ich bin für Dich da, ich gehe an Dir vorüber, ich beschütze Dich, ich gehe Dir voraus, so dass Du hinter mir herziehen kannst. Aber Du kannst mich nicht ansehen und nicht machen. Gott hat die Fäden in der Hand, nicht der Mensch.

 

Mich tröstet dieser Gedanke in meiner Zeit, in der es so viele ungelöste Fragen gibt. In meiner Zeit, in der so viele Menschen leiden und ich hilflos zusehe.

Ich verhandele mit Gott und bitte ihn wie Mose: Hilf uns Menschen, gib uns Orientierung, zeig uns, wie der Weg weitergehen kann. Hilf denen, die in der Wüste verloren zu gehen drohen und denen, die sich allzu sesshaft in der Welt eingerichtet haben. Hilf denen, die um das goldene Kalb tanzen und denen, die auf deine Zeichen warten. Sei uns gnädig.

Wir Christen glauben daran, dass Gott uns nahe gekommen ist in Jesus Christus. Er hat sich uns Menschen gezeigt, hat sein Leben mit den Menschen geteilt. Aber auch er ließ sich nicht festhalten. Er kam und ging zu Gottes Bedingungen.

Gott hat sich auch gezeigt und tut es immer wieder durch seinen heiligen Geist. Es kommt etwas in Bewegung, wir werden berührt, wir leben auf. Gott kommt uns nahe seit tausenden von Jahren und in der jeweiligen Zeit. Er zeigt sich auf verschiedene Arten. Ich könnte mir in der Begegnung zwischen Mose und Gott, wie sie in unserem heutigen Predigttext beschrieben wird, Gott etwa so vorstellen wie den heiligen Geist: Eine Kraft, die vorüberzieht, die etwas in Bewegung bringt, sich nicht fassen, aber spüren lässt.

Ich stelle mir vor, dass Mose getröstet zurückkehrt vom Berg. Mit neuem Mut und dem Gefühl: Es ist gut. Wir sind nicht allein.

Und wir wissen alle aus eigener Erfahrung, dass wir uns ein solches Gefühl nicht selbst machen können. ES wird uns geschenkt: Alles wird gut.

Dann können wir uns neu auf den Weg in unserer Zeit machen. Wem Gott gnädig ist, dem ist er gnädig. Er ist uns gnädig in unserem Land, in dem wir immer noch abgesichert leben. Ein Wunder, dass ich so leben kann. Etwas, das mir geschenkt wird und von dem ich weitergeben kann.

Gott wird sein, der er sein wird. Seit tausenden von Jahren.

Muss ich darüber hinaus noch einen weiteren Gottesbeweis haben, um ein guter Christ zu sein? Ich weiß es nicht, es ist nicht wichtig. Ich mache mich auf meinen Weg mit Gott, lasse mich in Bewegung bringen, in eine Felsspalte stellen und beschützen. Um gestärkt wieder daraus hervorzukommen und hinter Gott herzulaufen. Wenn es Zeit ist, wird er mir von neuem begegnen.

Aber, das ist auch klar: Wem er begegnet, mit dem hat er etwas vor. Ein Auftrag erging an Mose. Ein Auftrag erging an Paulus und viele andere.

Gott fordert uns heraus in unserer Zeit. Fühle ich mich dem gewachsen? Auch Mose war seine Aufgabe so manches Mal zu groß. Er hat auch hier mit Gott verhandelt. Und letztlich Gott handeln lassen. „Wer bin ich, dass ich die Israeliten aus Ägypten führen soll“ so sagt Mose zu Gott. Und der antwortet: „Ich will mit Dir sein.“ (Es 3,11f)

Diese Zusage kann mir genügen auf dem Weg in meiner Zeit: Gott will mit mir sein. AMEN

 



Suse Günther
Zweibrücken
E-Mail: suse-guenther@outlook.de

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