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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Letzter Sonntag nach Epiphanias, 05.02.2017

Mitten im Alltag
Predigt zu Exodus (2. Buch Mose) 3:1-14, verfasst von Marion Werner

Gnade sei mit euch und Frieden, von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus! Amen

 

TEXT

1 Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Steppe hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb.

2 Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde.

3 Da sprach er: Ich will hingehen und die wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt.

4 Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich.

5 Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!

6 Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.

7 Und der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt.

8 Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Lande in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter.

9 Weil denn nun das Geschrei der Israeliten vor mich gekommen ist und ich dazu ihre Not gesehen habe, wie die Ägypter sie bedrängen,

10 so geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.

11 Mose sprach zu Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten?

12 Er sprach: Ich will mit dir sein. Und das soll dir das Zeichen sein, dass ich dich gesandt habe: Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott opfern auf diesem Berge.

13 Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt!, und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen?

14 Gott sprach zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und sprach: So sollst du zu den Israeliten sagen: »Ich werde sein«, der hat mich zu euch gesandt.

 

Liebe Gemeinde,

 

Einmal Gott schauen – wie oft mögen Menschen diesen Wunsch verspürt haben, oder gedacht oder auch geäußert haben: einmal Gott sehen zu dürfen. Dann wäre alles klar, alle Fragen, aller Zweifel, alles Suchen hätte ein Ende. Man hätte endlich Gewissheit. Und vor allem, man könnte allen Spöttern und Ungläubigen einmal sagen: „Sieh, da ist unser Gott“.

 

Liebe Gemeinde, ich weiss nicht wie es ihnen geht, aber ich selbst wünsche mir manchmal Gott so unmittelbar zu erleben, wie Mose das tun durfte. „Er redete mit Gott wie mit einem Freund“ heisst es in der Bibel. Mit Gott über alles reden können, ihm all die vielen Fragen stellen können - das phantastische daran, auch Antworten zu bekommen. So wie das eben ist, wenn man sich unter Freunden und Freundinnen trifft. Wenn man offen und vertraut miteinander redet.

Es ist ja nicht so, als könnten wir, die wir durch Jesus zu Kindern Gottes geworden sind nicht über alles im Gebet sprechen. Aber wie viele Fragen bewegen unser Herz und unser Gemüt und finden keine Antwort. Fragen die das Leben schreibt und Fragen die die Geschehnisse der Welt an uns und an unseren Glauben stellen. So manches Mal fühlt sich unser Glaube gebeutelt bei dem was wir über die Welt erfahren. Und das was wir uns als Antwort zusammenreimen ist nicht ganz befriedigend. Wie schön wäre es Gott zu treffen, so wie Mose das getan hat auf dem Berg Horeb… Man könnte fast neidisch werden.

 

Sehen wir jedoch etwas genauer auf die Geschichte des Mose, auf unseren Abschnitt, dann merken wir, trotz allem, hatte er es nicht einfach. Gar nicht einfach. Denn das was Gott von Mose forderte, ging über das hinaus, was Mose sich zutraute. Dennoch musste er es tun. Und nach den vertrauten Zeiten mit Gott, nach die Zweisamkeit, brach die Realität des unzufriedenen und murrenden Volkes immer wie eine Welle über Mose zusammen. Und zwang ihn in seinen Gesprächen mit Gott jeweils für das Volk einzustehen, mit Gott zu ringen.

 

Und dann überlege ich mir jeweils – tauschen würde ich mit Mose nicht. Aber gerne mit ihm entdecken, wie man das macht, Gott finden und begegnen.

 

Moses hütete die Schafe seines Schwiegervaters und begegnet Gott. Er befand sich nicht etwa im Gebet, nicht im Haus Gottes oder bei einer religiösen Verrichtung, wo man sich bewusst auf Gott ausrichtet. Mitten im Alltag passiert es. Während seiner Arbeit. Er entdeckt einen brennenden Dornbusch. Er muss ihn sich eine Weile angesehen haben, bis ihm auffiel, dass er nicht verbrennt. Mose ist neugierig. Er spricht zu sich selbst „Ich will hingehen und die wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht brennt“. Mit Neugierde und Losgehen beginnt also die Gottesbegegnung.

 

Neugierig – sind wir auch neugierig? Sind unsere Sinne wach genug, die Spuren Gottes zu sehen? Wollen wir das überhaupt? Erkennen wir seine Spuren wenn sie vor uns stehen? Oder sind wir doch allzu beschäftigt mit dem was wir tun müssen und tun wollen? Oder sind unsere Augen davon getrübt, was nicht so läuft, wie wir es uns wünschen. Haben wir den Blick frei für Menschen und Dinge um uns? Ein Mose, der nur vor sich hingestarrt hätte, dem wäre die göttliche Erscheinung verborgen geblieben.

Und dann geht Mose los. Er verlässt seinen bisherigen Weg. Was er sagt, das heißt wörtlich übersetzt „Ich will von meinem Weg abbiegen“. Wer also vom üblichen Weg einmal abweicht, wer aus seinem Trott herauskommt, der tritt auf Gott zu. Also: verlasse die ausgetretenen Bahnen deines Denkens und Handelns – und du wirst Gott schauen! Seine Wunder warten abseits der gewohnten Pfade.

Liebe Gemeinde, wenn ich das so lese und entdecke, dann fallen mir unwillkürlich Situationen ein, wo ich gedacht habe, es geht nicht mehr weiter. Wo es mir so schlecht gegangen ist, dass ich nicht mehr weiter wusste. Aber Glauben und Gebet haben geholfen einen andern Weg zu gehen, eine andere Lösung zu sehen, die ausgetretenen Bahnen meines Denkens und Handelns zu verlassen. Glaube und Gebet helfen immer. Bringen anders, Neues, und sogar Besseres.

 

Am Berg wird Mose von Gott angesprochen. Und Mose verhüllte sein Gesicht. Er fürchtet sich Gott anzuschauen. Er weiss, das tut ihm nicht gut. Auch dem Freund Gottes ist es also nicht vergönnt Gott zu schauen. Diese Grenze kann nicht überschritten werden. Aber vielleicht ist das auch nicht so wichtig.

Wichtig ist, was Gott sagt: „Ich habe das Elend meines Volkes gesehen und ihr Geschrei gehört. Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie rette“. Wichtig ist der Namen Gottes, sein Versprechen uns zu belgeiten. „Ich werde sein, der ich sein werde“. Er ist dynamisch, lebendig, aktiv. Er ist aufmerksam. Er hört zu. Er reagiert. Er fährt hernieder um zu retten.

 

Ich weiss, da kommen nun sicher einige Zweifel auf. Denn manchmal wünschen, beten, ja schreien wir verzweifelt. Aber da ist keine Aktivität. Zumindest die erwünsche Lebendigkeit und Hilfe Gottes ist nicht da. Und das ist sehr schwer zu ertragen.

Auch hier lernen wir von Moses dazu: Gott verspricht ihm ein Zeichen: „Das soll dir ein Zeichen sein, dass ich dich gesandt habe (dass er es sich also nicht nur vorgestellt hat) – Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott opfern auf diesem Berge“. Was Gott von Mose forderte war nicht nur Vertrauen zu Gott, sondern auch viel Geduld. Denn dies Zeichen, das sollt erst nach dem Auszug kommen. Dh Mose hatte noch den Weg nach Ägypten vor sich, das Überzeugen des Volkes, die 10 Plagen, die Durchquerung des Meeres, etliche Tage Wüstenwanderung.

 

Letzten Endes geht Mose los, weil Gott ihm verspricht „Ich werde mir dir sein“ und weil er ihn für diesen neuen Weg, den er eigentlich nicht gehen will, mit dem ausstattet, was er braucht, und ihm seinen Bruder zu Seite stellt.

Liebe Gemeinde, manchmal dürfen wir mit Gott Wege gehen, die offen und hell sind, spannend und bereichernd. So sehr, dass wir leichtfüßig unterwegs sind. Manchmal antwortet Gott sofort. Manchmal aber braucht es viel Geduld. Und manchmal müssen wir Wege gehen, die wir gar nicht gehen wollen.

Was bleibt, ist das Versprechen Gottes: Ich werde mit dir sein, ich helfe dir, stärke dich, ich stelle Menschen an deine Seite, die du brauchst. Und damit können wir hoffnungsvoll in die Zukunft gehen.

 

Amen

 

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn AMEN

 



Pfarrerin Marion Werner
Zürich
E-Mail: pfarrerin@luther-zuerich.ch

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