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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Septuagesimae, 12.02.2017

Predigt zu Lukas 17:7-10, verfasst von Jörg Coburger

Im Jahre 1764 erhielt der Preußenkönig Friedrich II, genannt der Große oder auch der „Alte Fritz“, einen Bittbrief, eröffnet mit „seine Durchlaucht, Hochwohlgeboren“ etc. indem Verdienste des Schreibers Karl Georg Graun, einem Neffen des Komponisten Karl Heinrich Graun, wie zufällig nebenbei erwähnt werden, und im Kern die vorsichtige Bitte um einen erhoffte Beförderung anklingt. Diesen Brief hat Friedrich der Große zurückschicken lassen und groß und grob darüber geschrieben: „Abgelehnt! Hat seine verdammte Schuldigkeit getan“

Wir sollten aber nicht zu schematisch oder pauschal herangehen. Da gibt es die einen, die sich immer nur zurücknehmen, die man immer übersieht, wenn sie nicht da sind, merkt man es erst beim dritten Mal, sie sagen immer ja, erwarten nie ein Dank und hängen nichts an die große Glocke, sie tun ständig Gutes und reden nie darüber.

Und doch: Muss uns dieses Wort von den unnützen Knechten nicht in die Nase fahren, ganz davon abgesehen, dass die Reizschwelle, was uns Christen in die Nase fährt, derzeit sowieso ziemlich niedrig liegt.

Da gibt es die anderen, bei denen mir eher der biblische Scherz einfällt: „Einen fröhlichen Angeber hat Gott lieb“ also jene, die bei der Verteilung der Arbeit ganz still sind und bei Empfang der Lorbeeren dreimal laut „hier“ rufen. Während die einen eher eine Ermutigung brauchen, sollten die andere Gruppe eher Bescheidenheit lernen.

Wir sind unnütze Knechte und haben getan, was wir zu tun schuldig waren. Diese Sätze nehmen die Beziehung zu Gott in den Blick. Von daher und ihm gegenüber klären sich die Frage nach Schuldigkeiten und Verdiensten sehr gelassen und deutlich.

Bevor wir uns nun empören: Jede Gleichnisrede hat eine Sachhälfte und eine Bildhälfte. Die Bildhälfte gilt es alsbald zu verlassen. Zur Bildhälfte gehört der nach Hause kommende Herr und der Sklave. Die Sachhälfte ist die Differenz zwischen beiden. Wir dürfen nicht die Bildrede wie mit dem Zirkel eins zu eins unübersetzt übertragen, sondern sollen nach dem Zielsatz, nach dem Gesagten, dem gemeinten Sinn fragen. Anders: Ein Gleichnis ist keine Allegorie. Also: Wo liegt die Absicht der Worte?

Sie liegt beim Thema Nachfolge und unserer allzu menschlichen Frage: Was habe ich davon? Wir sind Knechte? Wessen Knechte? Knechte unseres Herrn. Da darf dem Herrn gegenüber Schluss sein mit Rechnerei um Verdienst und Tabellen der Anerkennung. Vor wem stehen wir denn? Wie hat denn durch die Jahrtausende das Gottesvolk diesen Herrn und Meister kennen gelernt? Als einer, der die Arbeiter im Weinberg gerecht und reichlich belohnt. Niemandem wird etwas entzogen, sondern dem, der zuletzt in den Weinberg kam, und das bin ein um`s andere Mal je und je ich, wird etwas obendrauf gelegt – aus Gnade. Die Knechte sind nicht mit ihrem Herrn auf einer Augenhöhe. Aber der Herr begibt sich als Knecht in Liebe zu ihnen.

Die Sachhälfte ist die Differenz zwischen dem Herrn und uns. Doch Gott behandelt uns ja der Sache nach gerade nicht wie Sklaven. Es kommt immer in Gleichnissen auf den Zielsatz, auf die Pointe an. Und die heißt: Unverdient!. Alles ist unverdient. Das kann beunruhigen, denn wir wollen immer alles selbst verdient haben und uns nichts schenken lassen. Wir bekommen ja mehr, als wir gaben. Es ist kein Arbeitsrechtsverhältnis, da darf ich irgendwann nach Hause gehen. Wir können nicht mit der Steckkarte Christen sein wollen. Der Schöpfergott, der nicht ruht in seinem Segnen, lenkt unseren Blick hinweg von unserer Selbstfaszination, lenkt den Blick weg von dem, was wir gaben, lenkt den Blick darauf, was wir nehmen und empfangen. Geben, Schenken. Es ist eine Ureigenschaft Gottes. Nicht fordern, nicht nehmen. Alles und immer schenkt Gott.

Diese Sätze holen uns zurück aus unserem Aufrechnen und Nachrechnen, ob es zwischen mir und meinem Herrgott auch tariflich stimmt. Ja, diese Worte sind in ihrer Pointiertheit eine Provokation. Wir haben keinen Tarifvertrag mit Gott. Sondern viel, viel mehr, als wir je geben konnten, je selbst hervorbrachten, gibt uns Gott und überschüttet uns mit Segen noch und noch.

Christus weiß um die Gefährdungen in der Nachfolge. Wir sind dazu erzogen, Ansprüche zu haben und Ansprüche einzuklagen. Sie sind sehr menschlich. Und wir sind fasziniert, von dem, was wir leisten und schaffen. Narzissmus gibt es auch unter den Jüngerinnen und Jüngern. ( Beispiel eines Tagesgebetes: „Herr, wir haben uns von dir einladen lassen…“ ) Und Gott gegenüber: Wir bekommen alles. Gott hat niemals Unterwürfigkeit gewollt. Das Prinzip: „Ich Chef, du nix“ gibt es bei Gott nicht. Der, dessen Güte und verschwenderische Hingabe uns immer zuvorkommt, will uns aus unserer selbstverliebten Blindheit holen: Unverdient! Danke! Schön! Ich bin reich und beschenkt, unverdient, ich staune. Alles geschenkt, alles unverdient, alles ist Gnade.

Gottes Dienst besteht darin, dass der Herr seinen Knechten den Tisch deckt. Damit sie Gelassenheit und neue Zuversicht bekommen. Der Tisch ist gedeckt, Gott hat sich geschürzt und will uns nicht die Köpfe, aber die Füße waschen. Wo kein Glauben ist, kommen die Sucht und die Angst.

Die Ehrsucht,

die Gewinnsucht,

die Herrschsucht.



Pastor Jörg Coburger
D-09439 Amtsberg/ OT Weissbach
E-Mail: joerg.coburger@gmx.de>#

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