Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Estomihi, 26.02.2017

Predigt zu Lukas 10:38-42, verfasst von Ludwig Schmidt

Jesus kam in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. 39 Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. 40 Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihm zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll. 41 Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. 42 Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.

 

Liebe Gemeinde!

Manchmal ist leider gut gemeint das Gegenteil von gut gemacht. Das musste Marta in der Erzählung von Maria und Marta erleben. Marta hat es mit Jesus gut gemeint. Sie nahm Jesus in das Haus auf. Weil sie auf seinen Besuch nicht vorbereitet war, hatte sie nun alle Hände voll damit zu tun, sich um Essen und Trinken für Jesus zu kümmern. Dabei gab sie sich besondere Mühe, weil Jesus für sie kein normaler Besuch, sondern ein Ehrengast war. Sie redete ihn ja mit „Herr“ an. Deshalb wollte Marta Jesus die Ehre erweisen, die ihm zukam. Er sollte es gut bei Marta haben. Bei Marta lebte ihre Schwester Maria. Man muss eigentlich erwarten, dass sie Marta half. Aber Maria dachte nicht daran, Marta zu unterstützen. Maria setzte sich zu den Füßen Jesu und hörte ihm zu. Es ist wohl keine Überraschung, dass Marta darauf verbittert reagierte. Sie sagte freilich nicht zu ihrer Schwester: „Du siehst, wieviel Arbeit ich habe. Bitte hilf mir.“ Marta spürte, dass sie Maria nicht dazu bewegen konnte, sie zu unterstützen, weil Maria offensichtlich ganz darauf fixiert war, Jesus zuzuhören. Deshalb wandte sich Marta an Jesus. Sie meinte: Jesus musste doch wissen, dass das Verhalten der Maria nicht in Ordnung war. Er hätte schon längst eingreifen und Maria in die Küche schicken müssen, damit sie Marta zur Seite stand. Deshalb stellte Marta Jesu eine Frage, die deutlich einen Vorwurf enthält: „Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen?“ Außerdem forderte sie Jesus auf: „Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll!“ Wie hätten Sie an der Stelle Jesu auf die Worte der Marta reagiert? Ich hätte wahrscheinlich gedacht: Marta hat recht. Ich hätte eigentlich selbst darauf kommen müssen, dass sich Marta abarbeitet, während ihre Schwester bei mir herumsitzt. Dann hätte ich zu Maria gesagt: „Es wird höchste Zeit, dass Du Deiner Schwester hilfst.“ Wenn ich das gesagt hätte, wäre es richtig gewesen.

Aber ich bin nicht Jesus. Er reagierte anders, als ich es getan hätte. Er kritisierte die umtriebige Marta und verteidigte das Verhalten der Maria. Jesus war sich bewusst, dass sich Marta große Mühe gab, damit er gut versorgt wird, aber Maria sich hat das gute Teil ausgesucht. Warum? Maria hatte erkannt, dass Jesus Worte sprach, die ihr kein anderer sagen konnte. Deshalb ließ sie alles stehen und liegen und hörte ihm zu. In der Erzählung wird nicht erwähnt, was Jesus zu Maria sagte. Das ist auch nicht nötig, denn Hörer oder Leser der Erzählung wissen, dass die Worte Jesu für die Menschen sehr wichtig sind. In ihr wird Jesus der Herr genannt. Damit wird betont, dass Jesus eine einzigartige Stellung einnimmt. Deshalb kommt ihm eine besondere Autorität zu. Seine Worte sind das Wort Gottes. Nur aus diesem Wort können die Menschen erfahren, wie Gott zu ihnen steht und wie Gott es mit ihnen meint. Natürlich kann man sich auch ohne dieses Wort Gedanken über Gott machen. Aber sie bleiben Spekulationen, weil wir Menschen von uns aus keinen Zugang zu der Welt Gottes haben. Für das Verhältnis zu Gott waren die Menschen damals und sind wir heute auf das Wort Gottes angewiesen. Als Maria Jesus zuhörte, hat sie die Chance ergriffen, aus seinem Mund das Wort Gottes zu hören. Sie tat damit das Eine, das nötig war. Marta hat hingegen diese Gelegenheit versäumt, weil sie Jesus bedienen, aber ihn nicht hören wollte. So hat es Marta zwar gut mit Jesus gemeint, aber nicht gut gemacht. Als Jesus durch Palästina zog, hatte er auch sonst kein Interesse daran, dass er von Menschen bedient wird, sondern er wollte mit seinen Worten und Taten den Menschen dienen. Er hat einmal von sich gesagt: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,45). Maria hat es angenommen, dass ihr Jesus dienen wollte und ihm zugehört. Marta aber wollte sich nicht von Jesus dienen lassen, sondern ihm selbst dienen. Deshalb lobte Jesus Maria und kritisierte Marta.

Aber kommt die umtriebige Marta in der Erzählung nicht trotzdem zu schlecht weg? Diese Frage wird immer wieder einmal gestellt. Es ist doch gut, wenn Menschen aktiv sind und sich um andere kümmern. Genau das tat Marta, als sie Jesus dienen wollte. Zu mir wurde schon verschiedentlich gesagt: „Wissen Sie, der Glaube ist nicht mein Ding. Ich bin für ein praktisches Christentum. Deshalb bemühe ich mich, dort zu helfen, wo es nötig ist. Ich spende auch immer wieder Geld, damit Leuten geholfen wird, für die ich nichts tun kann oder die nicht in meinem Umfeld leben. Das ist doch im Sinn von Jesus. Ja, das ist es. Jesus hat zur Nächstenliebe aufgefordert. Im Lukasevangelium steht vor unserer Erzählung das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. In ihm versorgte ein Samariter, so gut es ihm möglich war, einen Juden, den Räuber halb totgeschlagen hatten. Der Samariter tat das, obwohl Juden und Samaritaner sich nicht grün waren. Jesus wollte mit diesem Gleichnis zeigen, dass man an der Notlage eines anderen nicht vorübergehen, sondern ihm helfen soll. Das soll man sogar tun, wenn der andere ein Feind ist. In dem Gleichnis weiß der Samariter nichts von Jesus und tut trotzdem das Richtige. Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe sind eben nicht auf Christen beschränkt, sondern werden auch von anderen praktiziert, die von Jesus nichts wissen oder nichts halten. Das ist gut, denn je mehr Menschen hilfsbereit sind, desto mehr Menschen in Not wird geholfen.

Aber ein praktisches Christentum ohne den Glauben an Jesus ist ein Widerspruch in sich. Das Wirken Jesu lässt sich nicht darauf reduzieren, dass er zur Nächstenliebe aufforderte. Wenn er nur das getan hätte, wäre er von den Führern des jüdischen Volkes nicht bekämpft worden, und dafür hätte er nicht am Kreuz sterben müssen. Jesus ging es in seinem Wirken auf der Erde und bei seinem Tod am Kreuz um die Beziehung von Gott zu uns Menschen und von uns Menschen zu Gott. Wir können auch mit unseren guten Taten nicht erreichen, dass wir mit Gott verbunden sind, weil uns selbst dann noch viel zu viel von ihm trennt. Im Lukasevangelium folgt die Erzählung von Maria und Marta auf das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Damit wollte der Evangelist deutlich machen, dass wir nicht durch unsere guten Taten, sondern durch das Hören auf das Wort Gottes mit Gott verbunden werden. So wie wir Menschen nun einmal sind und oft auch handeln, wäre es verständlich, wenn Gott mit uns nichts zu tun haben will. Aber in seinem Wort sagt uns Gott zu, dass er uns um Jesu willen und dem, was Jesus für uns getan hat, annimmt und mit uns eine gute Beziehung haben will, die über unseren Tod hinaus Bestand hat. Wer dieses Wort hört und annimmt, der glaubt an Jesus. Der Glaube an Jesus entsteht nicht dadurch, dass wir dies oder jenes tun, sondern dadurch, dass wir das Wort Gottes hören.

Wir können an unserem Glauben auch nur festhalten, wenn wir immer wieder das Wort Gottes hören. Unser Glaube wird dadurch gefährdet, dass uns die Anforderungen des Tages so sehr beschäftigen, dass wir nicht mehr an Gott denken. Auch die Sorgen um uns oder um Menschen, die uns nahestehen, können uns ganz ausfüllen. Wir haben ja oft wie Marta viel Sorge und Mühe. Wenn wir dann nicht das Wort Gottes hören, verlieren wir Gott aus unseren Gedanken und aus unseren Herzen und gehen unsere eigenen Wege. Das möchte Gott durch sein Wort verhindern. Er will uns zum Beispiel durch dieses Wort trösten, wenn wir es im Leben schwer haben, und uns darin erinnern, dass er niemand im Stich lässt, der an Jesus glaubt. Gott ermahnt uns auch durch sein Wort, dass wir tun, was in seinen Augen richtig ist. Er will uns außerdem durch sein Wort davor bewahren, dass wir einen falschen Weg einschlagen, auf dem uns irdischer Reichtum und Glück wichtiger sind als das ewige Leben bei ihm, das er uns verspricht. Ich könnte diese Aufzählung noch erweitern, aber schon sie zeigt, dass wir als Christen darauf angewiesen sind, dass wir immer wieder das Wort Gottes hören oder lesen.

Wenn wir in der Bibel lesen, kann es freilich gelegentlich vorkommen, dass wir feststellen müssen: Mit diesem Text kann ich nichts anfangen. Er spricht nicht zu mir. Das kann uns auch bei den Herrnhuter Losungen passieren, die viele Christen täglich lesen. Sie wollen Gottes Wort für jeden Tag sein. Das sind sie meist auch. Aber manchmal sind sie es für mich nicht. Wir sollten freilich nicht vorschnell denken: Dieses Wort der Bibel betrifft mich nicht. Es kann sein, dass Gott gerade durch ein Wort, das mir im ersten Augenblick nichts sagt, zu mir redet. Aber das gilt nicht für jedes Bibelwort zu jeder Zeit. Das ist so, weil die Worte der Bibel vielfältig sind und sich auf sehr unterschiedliche Situationen beziehen. Nicht jeder von uns ist immer in der Lage, die ein bestimmter Bibeltext im Blick hat. Vielleicht haben Sie es aber auch schon erlebt, dass Worte der Bibel, die für Sie zunächst ohne Bedeutung waren, zu einem viel späteren Zeitpunkt für Sie sehr wichtig wurden. Sie waren dann in einer Lage, in der diese Worte zu Gottes Wort für Sie wurden. Das gibt es durchaus. Gott redet mit uns durch sein Wort. Wir haben in unseren Gottesdiensten und durch die Lektüre der Bibel viele Möglichkeiten Gottes Wort zu hören. Es ist wichtig für uns, dass wir sie nutzen, denn: „Selig sind, die das Wort Gottes hören und bewahren“ (Lk 11,28). Amen.



Prof.Dr. Ludwig Schmidt
91154 Roth
E-Mail: gi_schmidt@t-online.de

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