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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Estomihi, 26.02.2017

Predigt zu Matthäus 3:13-17 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Leise Christensen

An diesem Sonntag wird in Dänemark Fassnacht gefeiert. Man könnte an den beginnenden Wahlkampf erinnert sein. Parteien und nicht zuletzt die Parteiführer werden gründlich analysiert, durchleuchtet und diskutiert. Journalisten und Leser und Zuhörer fragen sich selbst: „Wer sind sie in Wirklichkeit? Wie sieht es in ihnen aus. Sind sie wirklich so, wie sie im Fernsehen erscheinen, oder tragen sie eine passende Maske? Sind sie zuhause anders? Das ist schwierig zu entscheiden, und da wird nachgeforscht. Von Analytikern und Kommentatoren und Spinndoktoren wird alles gewogen, wird allem Bedeutung zugemessen, da wird gebohrt, interpretiert und verwertet. Was meinen die Politiker in Wirklichkeit hinter allen Worten, und kann man den wahren Menschen hinter allen Worten über schwarze Null, grüne Nachhaltigkeit und den Euro unter dem Druck der internationalen Finanzspekulationen finden?

Zurück bleibt die sich wundernde Öffentlichkeit und fragt sich selbst, wer sie in Wirklichkeit sind. Was für Personen? Aber was ich hier über unsere verschiedenen Politiker und Parteiführer sage, könnte insoweit genauso für dich und mich gelten. Wir sind auch nicht immer dieselben. Ich trage nicht dieselbe Maske, wenn ich Hausfrau bin oder Mutter oder Tochter oder Schwester oder Nichte oder Freundin. Da ist natürlich ein Kern, der unveränderlich ist, aber Masken trage ich, tragen wir alle. Ein Mensch ist eine Person, sagen wir. Das lateinische Wort persona, von dem unser Wort Person stammt, bedeutet ursprünglich Maske. Eine Person ist also eine Maske. Eine Person war ursprünglich eine Makse, die man vor sein Gesicht hielt und durch die man redete, z.B. bei einem Auftritt. Diese perona, also Maske, konnte man wechseln je nachdem, welche Rolle man spielte. In seiner Weise ganz logisch, dass der Begriff Person eng mit dem der Maske verbunden ist. Denn selbst der stabilste, ganz ausgeglichene und ordentliche Mensch ist ja ein anderer, wenn er zuhause in der Familie ist, als wenn er auf Arbeit ist. So muss es notwendigerweise sein. Wir tragen viele Masken. Wir sagen, dass man in einer guten Familie alle Masken fallen lassen kann, aber das ist eigentlich nicht ganz wahr. Wir tragen auch dort eine Maske – sind auch dort Person, wenn wir mit unseren nächsten Angehörigen und unseren Lieben zusammen sind, aber das ist dann vielleicht die ehrlichste Maske. Es bedarf einer Maske, um sich hinstellen zu können und zu zeigen, wer man ist. Man kann sich auch dafür entscheiden, ganz grundlegend seine Maske mitten im Leben zu wechseln. Ich habe einmal eine Frau besucht, die ich gut kannte – dachte ich. Sie war sehr tüchtig in ihrer Arbeit, hielt Wort und war eine loyale Kollegin, eine fürsorgliche Mutter, da konnte man nichts bemängeln an ihr als Person. Die Maske war vollkommen – dachte ich. Ich hatte sie erst als Erwachsene kennengelernt. Da saßen wir und tranken Kaffee an dem fein gedeckten Tisch – und ich erblickte eine Einladung, die sie hingelegt hatte. Es war eine Einladung zu einem Wiedersehensfest in ihrer alten Schule. „Naja“, sagte ich, „das wird doch schön werden“. Plötzlich verzerrte sich ihr Gesicht, und sie teilte kurz mit, dass sie bestimmt nicht vorhatte, dorthin zu gehen. Und das lag natürlich an einem unbeschreiblich großen Trauma als Opfer von Mobbing in der Schule, ein Trauma, das sich hinter einer Maske cooler Effektivität und fachlicher Tüchtigkeit verbarg, ein Trauma, mit dem sie wohl sogar ganz gut leben konnte. Aber dennoch war es so beschaffen, dass sie unter keinen Umständen an dem Fest teilnehmen wollte. „Denn“, wie sie sagte, sie sei eine andere Person jetzt, trage eine andere Maske, und sie wolle nicht Gefahr laufen, als die Person gesehen zu werden, die sie damals in der Schulzeit war – kleinlaut, schüchtern und übergangen. Sie wollte nicht Gefahr laufen, dazu gezwungen zu werden, die Maske zu tragen, die sie damals getragen hatte. Also kein Fest. Sie hatte diese Maske endgültig abgelegt, um sie nie wieder anzunehmen. So kann man den Eindruck haben, dass die Maske, die andere Menschen unwillkürlich vor ihrem Gesicht tragen, gar nicht mehr passt oder relevant ist. Aber man kann auch das Gefühl haben, dass man nicht man selbst sein kann, wie es heißt, sondern die Maske, die man sich selbst angelegt hat. Man meint nicht, dass man die Person ist, als die man anderen jahrelang erschienen ist. Deshalb kann man genötigt sein, eine Wahl zu treffen, die Wahl, sich für eine andere Maske zu entscheiden, eine andere Person zu sein. Das verlangt Mut, und das ist mit Angst verbunden. Alles in allem ist die Sache mit Masken und Personen sehr kompliziert. Wer bin ich im Grunde? Wer bist du im Grunde? Wer ist der Regierungschef oder der Führer der Opposition oder wer sind all die anderen? Wenn kennen wir im Grunde?

Heute hören wir davon, dass Jesus von Johannes am Jordan getauft wurde. Auch in der Kirche taufen wir. Warum wurde Jesus getauft, warum taufen wir heute Kinder? Da gibt es viele Gründe – die Theologie der Taufe hat eine lange Geschichte, aber grundlegend tun wir dies ja, weil Gott in der Taufe zeigt, dass das kleine Kind ihm gehört, und er zeigt in der Taufe Jesu, das Jesus ihm gehört. In der Taufe fallen alle Masken, alle unsere Erscheinungsformen. In der Taufe sind wir nackt, aber nichtsdestoweniger Gottes geliebte Kinder. Den Menschenkindern gegenüber trägt Gott nur eine Maske, und das ist die Maske der Liebe. Die Liebe ist Gottes Person, seine Erscheinungsform. Gott kann andere Erscheinungsformen haben, aber das gehört in den Teil des göttlichen Wesens, den wir nicht kennen und nicht verstehen – auch wenn wir Menschen ja am liebsten absolut alles verstehen wollen! Die Person oder Maske, die Gott uns zeigt, ist ja ganz konkret gesprochen Jesus Christus. Wir haben Gott durch Jesus als Liebe kennengelernt, und das wird uns in der Tauge zugesagt. Ich habe anfangs gefragt, wer wir im Grunde sind, welche Maske im Grunde die unsrige ist. Wir haben wie gesagt viele Masken, aber die grundlegendste und wichtigste ist uns in der Taufe gegeben. Das ist der Blick Gottes auf uns als von ihm geliebte. Dort können wir uns immer zuhause und geborgen und erkannt fühlen als die, die wir sind, ganz gleich welche Masken andere oder wir selbst vor unser Leben und unsere Existenz gestellt haben. Amen.



Sognepræst Leise Christensen
Aarhus N
E-Mail: lec@km.dk

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