Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Invokavit, 05.03.2017

Lass das Wort die Frucht des Glaubens bringen
Predigt zu Matthäus 4:1-11(dänische Perikopenordnung), verfasst von Anders Kjærsig

Der Mensch soll nicht leben vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht“.

 

Ich will in meiner Predigt über diesen Satz nachdenken, indem ich ihn Wort für Wort nehme, ihn gleichsam vergrößere, ihn wende und drehe, um ihm damit Leib und Aktualität zu geben. Der Satz ist ein Zitat aus dem Alten Testament, den Jesus als Antwort auf die Versuchung des Teufels gibt: „Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden“.

Das ist kein Gespräch, sondern ein Kampf. Polemik und Streit leiten den rhetorischen Ausdruck. Der Teufel versucht mit einer pikanten Frage, und Jesus antwortet mit einem Hinweis auf einen früheren Autor. Das an sich gibt zu denken. Die Rhetorik des Teufels ist also bestimmt von der Person und der Gegenwart, was wir hier und jetzt wollen. Jesus kehrt dies jedoch um und antwortet in einer ganz anderen Weise. Er redet nicht von sich selbst, sondern von der Tradition her – also seine Vollmacht und Geschichtlichkeit. Mit anderen Worten: Der Teufel ist Ausdruck für den momentanen Augenblick, was wir alle suchen, Jesus ist Ausdruck für die Dauer, Vergangenheit und Zukunft, Glaube und Hoffnung, was wir alle vergessen haben. Der Teufel versucht also, die Geschichte und den Horizont zu schließen, während Jesus die Geschichte und den Horizont öffnen will.

Der Mensch soll nicht leben vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht“.

 

Der Mensch …

ist nicht ein Irrtum, er ist ein göttliches Experiment, gebunden an die Erde und den aufrechten Gang, und sein Haupt reicht sehr wohl in den Himmel. Beides ist in derselben Person gegenwärtig. Körper und Geist, wie oberflächlich dies auch klingt. Er ist im Bilde Gottes geschaffen, nicht um Gott zu sein oder um im Licht zu leben, sondern um sich an die Erde und die anderen Menschen zu binden, dort wo Licht und Finsternis einander begegnen – aber mit Hoffnung und Mut. Der Mensch ….

 

soll …

ist Ausdruck für die Möglichkeit, der Wahl zu entgehen. Dennoch ist es nicht ohne Möglichkeit, also eine Aufhebung der Möglichkeit als solcher, denn man kann ja dieses Sollen realisieren. Das Gegenteil von Sollen ist nicht ein Nicht-Sollen, sondern ein Nicht-Können – ich soll, aber ich kann oder will nicht. Die Möglichkeit ist diese einfache Wahl. Sollen bindet also die Menschen an etwas, das unabweisbar ist – wir können zwar die Wahl verweigern oder sie nicht realisieren, aber aufheben können wir sie aus diesem Grunde nicht. Das Sollen ist eine Art menschliche Faktizität, die definiert, wer wir sind. Auch wenn dieses Sollen bestimmt, was wir nicht sollen. Der Mensch soll …

 

nicht …

ist eine Art Protest, eine Aufkündigung von Absprachen und Tyranneien und anderen Bindungen. Im Guten wie im Bösen. Wenn wir dieses Nein nicht hätten, können wir nie eine Wahl ablehnen. Führe uns nicht in Versuchung ist eine Abwahl von all dem, von dem wir uns nicht binden lassen wollen. Stell dir vor, du könntest nicht nein sagen, dann würden der Mensch und die Sprache zugrunde gehen, wir könnten nicht offen und ehrlich existieren, und die Beziehungen sowohl zwischen Gott und dem Menschen und zwischen den Menschen würden auseinanderfallen Das Leben ginge zugrunde ohne das nicht. Der Mensch soll nicht ….

 

 

leben …

das Leben ist das Leben wert, solange das Leben gelebt wird. Das ist ein Klischee, dass das Leben uns anspricht und etwas von uns verlangt. Das Leben sagt nichts, es ist nur ein offenes Feld von Möglichkeiten, die sich auf alle möglichen und unmöglichen, denkbaren und undenkbaren Weisen anbietet. Keiner kennt das Geheimnis des Lebens. Deshalb versucht der Teufel mit den Möglichkeiten des Lebens und prophezeit falsch über den Sinn des Lebens. Das Leben ist nämlich nicht alles, sondern immer etwas Bestimmtes, und das Bestimmte soll uns erzählt werden, das ist eine Sprache, die wir lernen müssen, damit das Leben in seiner wahren Bedeutung hervortreten kann. Und diese Bedeutung empfangen wir in der Kirche, wenn Wort und Sakramente über uns ergehen und unsere Perspektive verändern. Der Mensch soll nicht leben …

 

vom Brot …

ist das Leben nicht entstanden, aber erhalten und verblieben. Das Brot ist nämlich synonym mit Leben, Atem, Freude, Gesichter, Korn und Weite. Unter tägliches Brot gib uns heute bedeutet in all seiner Einfachheit, dass wir nicht selbst Ursprung unseres Lebens sind. Das, wovon wir leben, wird uns geschenkt. Wer kann sich selbst ein Lächeln geben, die Freude, die Beziehungen der Liebe, die Nähe, den Nächsten, die Wärme des Sonnenaufganges, das Licht, das durch die Gardinen strömt. All dies sin Analogien des Brotes. Das hat der Teufel vergessen, der sich an das Konkrete und Bestechende gebunden hat. Das Brot können wir uns nicht selbst geben, nicht einmal von Tag zu Tag und schon gar nicht auf lange Sicht. Wenn wir das glauben, hat der Teufel gewonnen, und Brot ist zu Stein geworden. Das Brot ist gratis – gratia. Der Mensch soll nicht leben vom Brot …

 

allein …

ist nicht dasselbe wie das Eine. Einzig und allein oder allein das Eine. Man kann nicht allein aus dem Einen heraus. Das bedarf Hilfe von außen. Und man soll nicht allein das Eine verehren. ManEinzig und allein oder allein das Eine. Mann kann Eallein nicht aus dem Einen herauskommen. Das erfordernzig und allein ist nicht das Eine. nagelt die Welt fest, wenn man aus dem Einen nicht herauskommt. Bindet man sich an ein einzelnes Detail, verblendet und intolerant, dann verengt man den Horizont, und man nähert sich dem Dämonischen. Man soll von dem Einen alleine leben. Das ist die Botschaft des Teufels. Der Mensch soll nicht leben vom Brot allein …

 

sondern von jedem Wort,

das aus dem Munde des Menschen ergeht zur gegenseitigen Erbauung, das mit dem Plan Gottes übereinstimmt. Das schafft nämlich Respekt und Gegenseitigkeit und trägt dazu bei Diversität und Beziehungen festzuhalten. Der Teufel geht zu keinem Zeitpunkt auf die Vorstellungen Jesu von Beziehungen ein. Für das Böse ist die Welt indifferent, da sind Beziehungen aufgehoben, und alles ist gleichgültig. Als Gott die Welt schuf, tat er dies, indem er das Indifferente aufhob und Unterschiede schuf. Die Schlange versuchte dies zu zerstören, indem sie die Unterschiede aufhob. Das ist das kosmische Drama zwischen dem Indifferenten einerseits und dem Relationellen andererseits. Da sind Mann und Frau, Erde und Himmel, Gott und Mensch usw. Und das ist kein moralisches Faktum, sondern ein Existenzial. Die Worte und das Wort tragen mit dazu bei, diese Beziehungen festzuhalten. Der Mensch soll nicht leben vom Brot allein, sondern von jedem Wort ….

 

das aus dem Mund Gottes geht.

 

 

Was soll ich sagen? Worte bloß,

die allzu wenig sagen.

O Gott, dein‘ Weisheit ist so groß!

Verstummen muss mein Fragen.

 

 

Dein Wort, o Gott, wie der Tau erquickt

die schwache Seele mit Kraft und Frieden!

O lass in jedem Herzensbecher

Deinen Himmelsbalsam tropfen!

Lass den Acker Jesu herrlich grünen,

lass das Wort die Frucht des Glaubens bringen!

 

Der Mensch soll nicht leben vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.

Amen



Pastor Anders Kjærsig
Odense
E-Mail: anderskjærsig(at)hotmail.com

(zurück zum Seitenanfang)