Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Reminiscere, 12.03.2017

Predigt zu Matthäus 15:21-28(dänische Perikopenordnung), verfasst von Thomas Reinholdt Rasmussen

Ich habe einmal die Geschichte von einem Jungen gehört, der in der Schule seine Zensuren bekam. Da war bestimmt nichts zu bewundern, und er ging nach Hause, um sie seinem Vater zu zeigen.

Er ging hin zu seinem Vater und zeigte ihm die nicht besonders guten Zensuren. Der Vater saß lange gebeugt über dem Zeugnis, in denen die Zensuren standen. Niemand sagte etwas, und es dauerte immer länger, während der Vater nur saß und auf diese nicht besonders guten Zensuren starrte.

Der Junge fand allmählich, dass die Stille, ja das Schweigen allmählich bedrückend wurden und meinte, irgendetwas sagen zu müssen, und er sagte dann: „Ja das ist nicht besonders gut“.

Worauf der Vater sagte: „Aber ich habe ja noch nichts gesagt“.

Da war in der Tat nichts zu sagen. Da waren keine Worte, die zu sagen waren, denn man konnte ja sagen, die Zahlen sprachen für sich selbst, und das Schweigen sprach Bände.

Denn er sagte ja nichts. Kein Wort.

Eben dies erlebte die kananäische Frau, als sie sich in ihrer Not an Jesus wandte. Er sagte ihr kein Wort. Er antwortete ihr nicht.

Aber sie erlebte, dass die Jünger Jesu versuchten, sie abzuwimmeln, sie schreit ja nach uns, wie sie sagen. Die Frau erlebt nicht nur das Schweigen. Sie erfährt auch mitten im Schweigen eine Ablehnung ihrer Bitte.

Warum kommt sie überhaupt zu Jesus?

Weil sie Gutes über ihn gehört hat. Sie hat gehört, dass dieser Mann offenbar die Macht und die Kraft hat, ihre Tochter zu heilen. Sie hat sicher alles versucht, und sie hat nun von ihm gehört, und das, was sie gehört hat, veranlasst sie, ihn aufzusuchen. Aber sie trifft auf Schweigen und die mehr direkte Ablehnung der Jünger.

Aber das Gehörte hält sie fest. Sie har das Wort gehört von ihm, und das hält sie daran fest, dass sie zu ihm will. Das gehörte Wort gibt ihr Mut, sich an Jesus zu wenden.

So stehen sie einander gegenüber. Erst mit den Jüngern und dann allein vor Jesus – mit der Bitte von dem, was sie gehört hat: „Heile meine Tochter!“

Die Frau bewegt sich vom Wort hin zu Jesus. Sie trifft auf Schweigen, das sie selbst auf der Grundlage dessen, was sie gehört hat, ausfüllen muss. Sie muss selbst das Wort ergreifen, und Jesus weist sie sogar zurecht. Und sie sie ergreift wieder das Wort, und Jesus wird durch ihre Worte bewegt, und das Wort, das ihn bewegt, hat er selbst verkündigt.

Jesus begegnet in ihr seine eigene Verkündigung.

Er wird mit seinem eigenen Wort konfrontiert – einem guten Wort.

Deshalb kann er sagen: Dein Glaube ist groß. Nicht ihre Hartnäckigkeit, auch wenn die auch da ist. Nicht ihre Ausdauer, auch wenn sie auch da ist. Nicht ihre Verzweiflung, auch wenn sie auch da ist. Sondern ihr Glaube ist groß, denn der lebt von dem Wort, das sie gehört hat. Ihr Glaube ist groß, weil sie von dem Wort lebt, das Jesus selbst verkündigt hat, und an dem Wort hält sie ihn fest.

Damit ist diese Frau ein Bild für den Menschen, der das Wort Gottes gehört hat. Das bringt sie durch Schweigen und Ablehnung. Das macht ihren Glauben groß, auch wenn ihr eigener Glaube sehr gering erscheinen mag.

So kann das, was wir gehört haben, uns in der Welt stellen. Das gehörte Wort kann uns ein Vertrauen schaffen, das alles übertrifft, was wir uns selbst schaffen können. Das, was wir hören, kann einen Glauben schaffen, der alles übertrifft, was wir selbst leisten können.

Wir wissen es von unseren Kindern, die die guten Geschichten höre und selbst Helden in der Geschichte werden. Wir kennen es von uns selbst, wenn die gute Erzählung uns anregt, uns zu viel mehr macht als wir im Augenblick sehen.

Das gehörte Wort kann Glauben schaffen, wo kein Glaube war. Glaube an sich selbst und an die Zukunft.

Deshalb sollen wir die guten Geschichten hören. Wir sollen die Erzählungen hören, die von dem Zusammenhang und der Tiefe des Lebens erzählen und die uns Mut machen, das Leben zu leben, das uns zuweilen schwierig und schmerzhaft erscheint.

Die Erzählung schafft Mut, und das Wort schafft Glauben.

Auch den Glauben, der es wagt, dem Schweigen zu begegnen – und ihm zu widersprechen.

Ich glaube – glaube mir.

Denn wir reden nicht von unserer eigenen Macht und Kraft, sondern wir reden von der Macht und Kraft, die die Erzählung des Wortes in uns schaffen kann. Und die beste Erzählung ist die, die der Schöpfergott über sich selbst erzählt durch Jesus Christus: Er ist die Liebe für dich.

Diese Erzählung sollen wir einander und unseren Kindern erzählen und ihnen damit Mut und Glauben geben.

Dies wiederfuhr der kananäischen Frau, als sie sich an Jesus wandte und ihn in seinem eigenen Wort fing. Sie hielt daran fest, dass sie an ihn glaubte, denn sie hatte das Wort gehört von seiner Macht und seiner Liebe. Dieses Wort hatte sie bewegt – und sie bewegte damit Jesus. Die Liebe wurde in den Tate der Liebe gefangen. Daran glauben wir ja. Das ist das Geheimnis des Kreuzes: dass die Liebe in den Taten der Liebe gefangen ist. Deshalb musste Jesus sagen, dein Glaube ist groß, denn er sah sich selbst in ihr. Die Liebe gefangen in den Taten der Liebe. Amen.



Propst Thomas Reinholdt Rasmussen
DK 9800 Hjørring
E-Mail: trr(at)km.dk

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