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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Gründonnerstag, 13.04.2017

Predigt zu Markus 14:17-26, verfasst von Hans-Otto Gade

 

 

Liebe Gemeinde,

Manche Christen klagen darüber, dass die Gottesdienste zu lang, zu überladen sind. Nun stellen wir uns einmal die Frage: Was könnte alles am Sonntagvormittag wegfallen, und wir könnten dennoch einen „vollgültigen“ Gottesdienst feiern? Oder anders gefragt:

Was gehört unbedingt zu einem „richtigen“ Gottesdienst?

Welche Teile unserer Liturgie, unseres Gottesdienstes müssen unbedingt erhalten bleiben, damit wir trotz aller angenommenen Kürze immer noch von einem „Gottesdienst“ sprechen können?

 

Die Bibel gibt uns Antwort. In der Apostelgeschichte wird das Leben der ersten christlichen Gemeinden geschildert. Da heißt es immer wieder: „Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten.“

Acta 2,42

„Lehre der Apostel“ – das heißt heute: Verkündigung, also Bibellesung (und Predigt). „Gemeinschaft“ - das ist die in der Kirche versammelte gottesdienstliche Gemeinde. (Gottesdienst und Christsein für sich selbst allein geht also nicht!). „Brechen des Brotes“ – das ist das Abendmahl.

Also lautet die Antwort auf die Frage nach einem „vollgültigen“ Gottesdienst: Zu einem „richtigen“ Gottesdienst gehört die christliche Gemeinde, die auf die Verkündigung in Bibellesung (und vielleicht Predigt) hört und gemeinsam das Abendmahl feiert.

Andersherum ausgedrückt: Ohne Verkündigung und ohne Abendmahl kein richtiger Gottesdienst.

 

Ohne Abendmahl kein richtiger Gottesdienst. Warum haben wir Protestanten die Eucharistie, das Abendmahl in ein Nischendasein verbannt? Warum feiern wir das Abendmahl vielleicht einmal im Monat? Warum steht bei uns Evangelischen die wohlgeschliffene Predigt über dem Abendmahl?

In einigen Kirchen ist dieser Missstand sinnbildlich baulich dargestellt: Da ist die Kanzel über dem Altar eingebaut. Glücklicherweise werden diese fehlgebauten Kanzeln nicht mehr genutzt. Denn das hieße: Ich stelle mich als Prediger über das Abendmahl, über die Gegenwart Christi in Brot und Wein.

Unsere Katholischen Schwestern und Brüder feiern „richtige“ Gottesdienste. Die Messe am Sonntag ist die Eucharistie, die vom Priester in der Apostolischen Sukzession geleitet wird. Der erste Teil der Katholischen Messe, der Wortteil, hat ein deutlich geringeres Gewicht.

 

In unserer Evangelisch-Lutherischen Kirche gibt es zwei Sakramente: Durch die TAUFE werde ich Christ, durch das ABENDMAHL bleibe ich Christ. Diese beiden Sakramente, die nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift von Jesus Christus selbst eingesetzt worden sind: Am Ende des Matthäusevangeliums heißt es: „Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Matthäus 28,19

 

Von der Stiftung des anderen Sakraments, von Einsetzung des Abendmahls berichtet u. a. der Evangelist Markus:

17 Und am Abend kam Jesus mit den Zwölfen.

18 Und als sie bei Tisch waren und aßen, sprach Jesus: Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch, der mit mir isst, wird mich verraten.

19 Da wurden sie traurig und sagten zu ihm, einer nach dem andern: Bin ich's?

20 Er aber sprach zu ihnen: Einer von den Zwölfen, der mit mir seinen Bissen in die Schüssel taucht.

21 Der Menschensohn geht zwar hin, wie von ihm geschrieben steht; weh aber dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird! Es wäre für diesen Menschen besser, wenn er nie geboren wäre.

22 Und als sie aßen, nahm er das Brot, dankte und brach's und gab's ihnen und sprach: Nehmet; das ist mein Leib.

23 Und er nahm den Kelch, dankte und gab ihnen den; und sie tranken alle daraus.

24 Und er sprach zu ihnen: Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird.

25 Wahrlich, ich sage euch, dass ich nicht mehr trinken werde vom Gewächs des Weinstocks bis an den Tag, an dem ich aufs Neue davon trinke im Reich Gottes.

26 Und als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg.

 

Am Abend, wenige Stunden vor seiner Verhaftung, hat Jesus seine Jünger in einem Raum in Jerusalem versammelt. Er feiert mit seinen Jüngern das Essen des Passalamms in der Erinnerung an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten. Doch während dieses rituellen Essens deutet Jesus dieses gemeinsame Passah-Essen radikal um:

Dieses Brot ist mein Leib – dieser Wein ist mein Blut!

Markus berichtet, dass alle Beteiligten den von Jesus ausgeteilten Wein empfangen: „und sie tranken alle daraus“ Auch Judas Iskariot. Auch der Mann, der bereits von Jesus als Verräter identifiziert worden ist. Auch der ist zum Abendmahl eingeladen. Auch die Jünger, die sich ihrer Treue zu Jesus absolut nicht sicher sind nach Jesu Ankündigung: „Einer unter euch wird mich verraten!“ Die Jünger antworten auf diese Ankündigung Jesu: „Da wurden sie traurig und sagten zu ihm, einer nach dem andern: Bin ich's?“ Und die Geschichte des Petrus, der Jesus dreimal verrät bevor der Hahn kräht, zeigt, wie wenig Verlass auf die Treue der Jünger zu Jesus ist. Dafür sind die drei schlafenden Jünger im Garten Gethsemane ein weiteres trauriges Beispiel.

Auch diese so ihrer selbst unsicheren Jünger „tranken alle daraus“.

Auch Judas Iskariot trinkt mit den anderen aus dem Gemeinschaftskelch; auch er nimmt ein Stück vom gemeinschaftlichen Brot. Er wird hier namentlich gar nicht genannt und bleibt anonym. Jesus sagt lediglich: „Einer von den Zwölfen, der mit mir seinen Bissen in die Schüssel taucht“ Kein Name, kein Hinweis – die Jünger bleiben in der Unsicherheit, wer von ihnen denn wohl gemeint sein mag. Und sie hören das vernichtende Urteil Jesu über den noch unbekannten Verräter: „Der Menschensohn geht zwar hin, wie von ihm geschrieben steht; weh aber dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird! Es wäre für diesen Menschen besser, wenn er nie geboren wäre.“

Ein unauflösliches Dilemma: Einerseits ist es im Plan Gottes angelegt, dass Jesus leiden und sterben muss. Andererseits aber wird den Verräter ein unerträgliches Unheil ereilen. Über Markus hinaus, der ja den Namen Judas noch gar nicht erwähnt, fragen wir uns immer wieder, warum Judas Iskariot zum Verräter geworden ist. Da gibt es viele Deutungen; mich überzeugt am meisten diese Auslegung E. Drewermanns (Mk-Kommentar z. St.): Judas wollte Jesus nur zwingen, endlich seine Vollmacht zu zeigen. Dietrich Bonhoeffer betont das Abgründige dieses Verrats: Jesus liebt Judas als den Vollstrecker des göttlichen Willens und weiß doch: Wehe dem, durch welchen es geschieht! - Der Verrat des Judas mit all seinen Folgen bis hin zum Selbstmord des Verräters ist ein großes, unerforschliches Geheimnis.

 

Versetzen wir uns in die Runde am Tisch Jesu: Können wir uns auch nur annähernd die seelische Belastung vorstellen, die dieses erste Abendmahl überlagert hat? Können wir uns auch nur in Ansätzen vorstellen, welche Gedanken die Jünger bewegt haben, als sie diese düsteren Ankündigungen Jesu hörten? Wohl kaum.

Mir gibt dieses Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern zu denken: „Und sie tranken ALLE daraus.“ Auch der Verräter Judas, auch die sehr unsicheren Jünger.

ALLE sind zum Abendmahl eingeladen.

 

Und wir? Wir machen uns theologisch sehr tiefgehende Gedanken über die Zulassung zum Abendmahl. Nach unserer Ev.-Luth. Lehre sind alle Christen zum Abendmahl eingeladen, die in der Konfirmation nachträglich JA gesagt haben zu ihrer Taufe, die zumeist im frühkindlichen Alter empfangen worden ist. Durch die Taufe werde ich Christ – durch das Abendmahl bleibe ich Christ!“

Was ist mit den Nichtgetauften, mit den Nichtkonfirmierten? Was ist mit denen, die getauft und konfirmiert worden sind, aber dann die Gemeinschaft der Christen verlassen haben und aus der Kirche ausgetreten sind?

Was ist mit denen, die ich gar nicht kenne?

 

In früheren Zeiten war es üblich, dass sich die Gemeindeglieder, die am Abendmahl teilnehmen wollten, in das Kommunikanten Register eintragen ließen. (Ich selbst habe als jugendlicher ehrenamtlicher Mitarbeiter Anfang der 1960-ger Jahre in der St. Johannis-Kirchengemeinde zu Uelzen an den wenigen Abendmahlssonntagen bzw. Bußtag und Karfreitag dieses Kommunikanten Register geführt.)

Nach der Eintragung feierten die Kommunikanten einen Beichtgottesdienst mit Fragen und Antworten. Erst dann durfte die restliche Gemeinde in die Kirche, die sie nach dem Gottesdienst verließ. Die Kommunikanten blieben in der Kirche und feierten für sich und abgesondert den anschließenden Abendmahlsgottesdienst.

Damals war klar geregelt und gesichert, dass nur die Christen das Abendmahl mitfeierten, die wirklich „würdig“ – das heißt: Getauft und konfirmiert waren.

 

In unserer St. Petri-Kirchengemeinde in Buxtehude haben wir vor Jahren das Wandelabendmahl eingeführt. Das hat dazu geführt, dass alle Gottesdienstbesucher (was für eine unpassende Bezeichnung!) mit sehr wenigen Ausnahmen das Abendmahl mitfeiern und Brot und Wein / Traubensaft entgegen nehmen. Wer alles kommt zum Altar und isst und trinkt?

 

Im ältesten Abendmahlsbericht im 1. Korintherbrief warnt Paulus vor einer „unwürdigen“ Teilnahme am Abendmahl: „Denn wer davon isst und trinkt, ohne zu bedenken, dass es der Leib des Herrn isst, der zieht sich das Gericht zu, indem er isst und trinkt.“

  1. Korinther 11,27-29

Aber ist es meine Aufgabe als Pastor, darüber zu entscheiden, wer nun „unwürdig“ zum Tisch des Herrn kommt und wer nicht? Das mag jede/r für sich selbst entscheiden oder beurteilen.

Und was ist mit mir selbst? Bin ich – um mit den Worten des Apostels Paulus zu denken: Bin ich selbst „würdig“, das Abendmahl zu empfangen? Oder sollte ich nicht vorher selbst einiges ins Reine bringen, bevor ich mit und in der Gemeinde das Herrenmahl feiere?

Ich mache mir diese Gedanken nicht, oder besser: Ich mache mir diese Gedanken höchst selten.

Und dann verlasse ich das Markus-Evangelium und verlasse mich darauf, was der Evangelist Matthäus ergänzt und schreibt: „Und Jesus nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.“

Die Vergebung der Sünden ist verbunden mit der Feier des Abendmahls, der Eucharistie. Die Vergebung all dessen, was ich gegenüber Gott und den Menschen falsch gemacht habe, die Überbrückung meiner Gottesferne – das wird mir unausgesprochen im Abendmahl zugesprochen.

Auch das ist ein Grund, weshalb ich gern dieses Herrenmahl feiere. Weil ich weiß, weil ich glaube, weil ich darauf vertraue: Jetzt ist Jesus Christus ganz nahe bei mir und bei allen, die mit mir Brot und Wein – Leib und Blut Christi empfangen.

Jetzt hat Christus meine Gottesferne überbrückt und den Graben zwischen mir und Gott mit seiner Brücke der Liebe und der Vergebung überspannt.

Brot und Wein sind die Elemente, die mir immer wieder die Gewissheit geben:

Gott ist mir ganz nahe – Gott ist um mich herum und Gott ist in mir – in aller Zeit und Ewigkeit! Amen

 

 



Pastor Hans-Otto Gade
Buxtehude
E-Mail: hans-otto.gade@ewetel.net

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