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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Epiphanias, 06.01.2008

Predigt zu 2. Korinther 4:3-6, verfasst von Manfred Wussow

Lied vor der Predigt: EG 71,1-3

Glanz der Sehnsucht

Der 6. Januar ist ein besonderer Tag. An ihm feiern wir die Erscheinung Christi. Der Tag heißt: Epiphanias. Das griechische Wort betont, dass Jesus nicht einfach kommt - er erscheint, er wird in seiner Herrlichkeit und Größe sichtbar, in seinem Glanz wird die Welt hell. Obwohl und weil es die Geschichte eines Kindes ist. Die Geschichte einer Geburt, der Geburt Jesu.

Landläufig heißt dieser Tag auch: Heilige drei Könige. Matthäus erzählt in seinem Evangelium, wie die Weisen, von einem Stern geleitet, den neugeborenen König suchen und finden. Sie, die die Klugheit Babyloniens mit den großen Hoffnungen Israels verbinden, bringen den Geschmack und den Duft der Welt mit: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Schätze, Träume, Sehnsüchte. Sie machen sich auf einen langen und beschwerlichen Weg, nur um „anzubeten". Sonst - nichts! Als sie aufstehen und zurückkehren, sind sie, ja, ist die Welt anders. Der neue Stern, der ihnen am Horizont erscheint, hat die Herrlichkeit Gottes auf ein Kind gelegt. Und in ihr Leben.

Kein Wunder, dass dem König Herodes schlecht dabei wird - als Kindsmörder geht er in die Geschichte ein und offenbart das hässliche Gesicht von Macht und Machtmissbrauch. Überraschend ist diese Offenbarung nicht. Wir könnten die Geschichten unschuldiger Kinder (und Erwachsener) in einer fast schon endlosen Reihe dazu legen. Hat sich die Finsternis die Welt zurückgeholt? Ist Gottes Herrlichkeit verblutet? Die Bitte, Gott selbst möge kommen und in seiner Herrlichkeit erscheinen, macht Epiphanias zu einem Fest der Sehnsucht.

Leuchtende Erkenntnis

Eine Sehnsucht zu spüren, tut gut. Dann sind wir offen und warten noch - ohne alles sicher zu verstauen, zu verklären, in Mogelpackungen zu verkaufen. Aber kommen Sie doch mit - wir besuchen heute Korinth. Ein Ort, ganz anders als Bethlehem ...

In Korinth, einer bedeutenden antiken Hafen- und Handelsstatt, Umschlagplatz vieler kostbarer Waren und aufregender Gedanken, war eine kleine christliche Gemeinde entstanden. Dass die Leute aufgeweckt waren, merkten alle ganz schnell. Dass sie gerne diskutierten (und auch stritten) mochte man ihnen nicht zum Vorwurf machen, aber dass sie Grenzen zogen, Lager bildeten und sich ein Urteil darüber zutrauten, wer Gott richtig versteht, ja, auf seiner Seite ist, brachte die Gemeinde an den Rand des Ruins. Und Paulus steht wie ein Depp da: er sieht nicht gut aus, seine Stimme trägt nicht und was er sagt, ist glanzlos. In Korinth ist man Größeres und Besseres gewohnt. Und kann das jeden Tag haben.

Wenn es nur um diese Animositäten ginge - wir könnten diese Geschichte abhaken. Aber in Wirklichkeit stand nichts Geringes auf dem Spiel, als das Evangelium, dass Paulus verkündigte, eben auch in Korinth.

Aber hören wir in den Brief hinein, den Paulus den Korinthern geschrieben hat:

Ist nun aber unser Evangelium verdeckt, so ist's denen verdeckt, die verloren werden, den Ungläubigen, denen der Gott dieser Welt den Sinn verblendet hat, dass sie nicht sehen das helle Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi, welcher ist das Ebenbild Gottes. Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, dass er der Herr ist, wir aber eure Knechte um Jesu willen. Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.

(2. Kor. 4,3-6)

Sie haben die polemische Spitze gehört? Aber der „Gott dieser Welt", der die Sinne verblendet, verdient es nicht, dass ihm zuviel Ehre angetan wird. Mal abgesehen davon, dass die Gefahr unendlich groß ist, immer die anderen als „verblendet" zu diffamieren. Wir müssten das Lied, das davon singt, nicht einmal neu schreiben. Nein, lasst uns dem nachgehen, was Paulus - über den Tag hinaus - geschrieben hat: dass Gott, der am  1. Tag der Schöpfung das Licht hervorgebracht hat, unsere Herzen hell macht. Um anderen Menschen Licht zu schenken. Das hört sich bei Paulus, anders als die kleinkarierte Beurteilung, die ihm in Korinth zuteil wurde, einfach schön an: dass die Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi erkannt wird. Paulus meint zwar zunächst, dass das seine Aufgabe ist („dass durch uns entstünde die Erleuchtung"), aber schneller als erwartet sind wir in dem Kreis drin. Kaum zu glauben: dass durch uns Erleuchtung entsteht...

Vertriebene Gespenster

Manchmal sehen wir Gespenster. Manchmal schicken wir die Gespenster auch durch die Gemeinde. Sie heißen: Angst. Verzagtheit. Selbstgenügsamkeit. Ob die verwöhnten Ohren in Korinth davon hörten? Hören wollten? Ich weiß nicht. Aber ich sehe unter uns, an unserem Ort, die Angst umgehen, als Kirche nicht mehr anerkannt zu werden, immer mehr an Bedeutung zu verlieren und nur noch als Minderheit bestehen zu können. Aber ich nehme auch die Verzagtheit wahr, in dieser Situation überhaupt noch Glauben zu bekennen, für das Evangelium ein gutes Wort zu haben und mit Menschen eine Hoffnung zu teilen. Bei mir selbst entdecke ich manchmal, wie ich mich mit der Binnenstruktur unserer Gemeinde - wir könnten sie auch Ghetto nennen - zufrieden gebe. Aber dann werden draußen die Hoffnungsgeschichten nicht mehr erzählt, die Geschichten, die verschlossene Biographien öffnen und teilbar machen. Die Geschichten, in denen Menschen sich zur Sprache bringen, aber offen werden für das gute Wort, das sie sich selbst nicht sagen können. Wann das fehlt, womöglich nicht einmal vermisst wird, feiern die Gespenster ein Fest. Sagen wir es ruhig mit Paulus: sie kommen von dem „Gott dieser Welt", der die Sinne verblendet. Man muss sie zwar ernst nehmen, die Gespenster, aber sie haben etwas Flüchtiges: Benennt man sie mit Namen, lösen sie sich auf.

Rainer Maria Rilke hat in dem Zyklus: Mir zur Feier (1909) einmal geschrieben:

Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen
von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.
 
Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.

Sich viele Blüten schenken lassen ... Leise aus den Haaren lösen ... Seine Hände hinhalten...  

Ich wünsche mir, mit nicht verwöhnten Ohren,  im Evangelium, wie es Paulus verkündet, eine klare, helle, freundliche Perspektive zu finden. Sie beginnt mit der Schöpfung, mit dem ersten Tag. Es werde Licht! Und siehe: es ward Licht! Kein Zweifel. Gewissheit. Vertrauen. Ich lebe von diesem ersten Tag. Er wird mir immer neu. Mit jedem Morgen, mit jedem Sonnenaufgang. Der, der das schafft und grenzenlos verteilt, macht mich hell. Mein Herz. Meine Gedanken. Mein Leben.

Paulus spricht von dem hellen Schein, den Gott in unsere Herzen gegeben hat. Paulus legt auch die Spuren: der helle Schein ist das Evangelium selbst, die Liebe Gottes, seine Treue. Herzen, die um die dunklen Seiten am besten wissen, die auch die Ecken schützen, die das Licht scheuen, werden verwandelt, neu gemacht, befreit. Trotz der vielen Worte, die umschreiben können: am Ende ist es immer nur das eine Wort, das mich für das Leben fit macht: Ich liebe dich.

Paulus hat das auf seine Weise ausgelegt, betont, herausgestellt: Ich verkündige nicht mich selbst - ich verkündige Christus. Seinen Gegnern, die sich immer wieder nur neu in Positur brachten, war der Wind aus den Segeln genommen.  Wer Christi Gesicht sieht, seine Worte hört - trifft auf das Ebenbild Gottes, findet die Herrlichkeit Gottes. Eine Herrlichkeit, die sich in Liebe verwandelt.

Die, die nur als Schatten leben können, treten ins Licht hinaus, werden gesehen, angenommen, geliebt.
Und die, die über alles Schatten legen, Freiheit unterdrücken und Angst machen, verlieren den Schutz der Dunkelheit.
Kaum zu glauben: Durch mich kann Erleuchtung geschehen.

Paulus hat auch unser Geheimnis eindrücklich in Worte gekleidet:
Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.

Die Gespenster - Angst, Verzagtheit und Selbstgenügsamkeit - werden sich nicht mehr an unseren Tisch sitzen, sich nicht mehr zu uns ins Bett legen, uns nicht den klaren Blick - verblenden. Denn der „Gott dieser Welt", der die Sinne verblendet, muss sich verziehen, wenn die Herrlichkeit Gottes aufgeht. Darauf haben die Menschen lange gewartet. Ich auch ...

Aber da habe ich Korinth auch schon wieder verlassen.  Den Umschlagplatz mit den großen Ideen, Reden und Wortfetzen.

Anziehende Schönheit

Der 6. Januar ist ein besonderer Tag. An ihm feiern wir die Erscheinung Christi. Seine Herrlichkeit. Für die orthodoxen Christen ist der 6. Januar seit alters her das Weihnachtsfest. In der abendländischen Welt hat sich der 24. Dezember als Tag der Weihnacht durchgesetzt. Nicht, dass Jesus am 24.12. geboren wäre, aber seine Geburt heiligte die Sonnenwende. Ein alter, wichtiger Tag im Leben der Menschen durfte jetzt den neuen Anfang verkünden, der mit der Geburt Jesu geschenkt war. Die Geschichten aber, die an diesem Tag gelesen wurden, erzählten von der Niedrigkeit, von der Niedrigkeit Marias, von der Niedrigkeit Jesu, von der Niedrigkeit Gottes. Man hörte und spürte, man feierte und besang - wie Gott in die Nacht kommt. Heute, am 6. Januar aber, hat  der Ton einen neuen Klang bekommen. Der, der sich klein gemacht hat, der sich den Kleinen zuwandte, der das Geringe annahm - ist in seiner Herrlichkeit und Schönheit sichtbar.

In seinem Glanz werden Menschen hell, werden Gesichter leuchtend, werden (Lebens)Geschichten klar. Menschen treten aus dem Schatten heraus, von ihnen geht Hoffnung aus, an ihrem Freimut beißt sich das Finstere die Zähne aus.

Ich denke an die Weisen aus dem Morgenland.
Ich mag sie sehr.
Ich nenne sie heute sogar: Heilig.


Martin Behm hat 1606 die Bitte formuliert:

Du wollst in mir entzünden, dein Wort, den schönen Stern,
dass falsche Lehr und Sünden sein meinem Herzen fern.
Hilf, dass ich dich erkenne und mit der Christenheit
dich meinen König nenne jetzt und in Ewigkeit.

Und der Friede Gottes,
der einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben hat,
bewahre unsere Sinne
in Christus, unserem Herrn

Lied nach der Predigt: EG 71,4-6


(Nachweis Gedicht: Rainer Maria Rilke, Die Gedichte, itb2246, Frankfurt und Leipzig 1998, S. 147)

 



Manfred Wussow
Aachen
E-Mail: M.Wussow@gmx.de

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