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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostermontag, 17.04.2017

Predigt zu Lukas 24:36-45 (46-48), verfasst von Christian Anders Winter

Gnade sei mit euch von dem, der da war und der da ist und der da kommt. Amen.

Liebe Gemeinde,

manche Predigttexte machen es einem nicht ganz leicht, sind aus sich selbst heraus nicht wirklich verständlich. So jedenfalls geht es mir mit dem für den heutigen Ostermontag vorgesehenen Versen aus dem Lukasevangelium. Dort heißt es:

36 Als die Jünger aber noch von ihm redeten, trat er selbst, Jesus, mitten unter sie und sprach zu ihnen: „Friede sei mit euch!“ 37 Sie erschraken aber und fürchteten sich und meinten, sie sähen einen Geist. 38 Und er sprach zu ihnen: „Was seid ihr so erschrocken, und warum kommen solche Gedanken in euer Herz? 39 Seht meine Hände und meine Füße, ich bin's selber. Faßt mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen, wie ihr seht, daß ich sie habe.“ 40 Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und Füße. 41 Als sie aber noch nicht glaubten vor Freude und sich verwunderten, sprach er zu ihnen: „Habt ihr hier etwas zu essen?“ 42 Und sie legten ihm ein Stück gebratenen Fisch vor. 43 Und er nahm's und aß vor ihnen. 44 Er sprach aber zu ihnen: „Das sind meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muß alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose, in den Propheten und in den Psalmen.“ 45 Da öffnete er ihnen das Ver­ständnis, so daß sie die Schrift verstanden [46 und sprach zu ihnen: So steht’s geschrieben, daß Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten ; 47 und daß gepredigt wird in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern. Fangt an in Jerusalem 48 und seid dafür Zeugen. ]. Lukas 24, 36-45       [ergänzt: Vv. 46-48]

Man kann sich da schon die Frage stellen: was soll das, worum geht das hier eigentlich. Schauen wir darum zuerst auf den Kontext, auf den vorausgehenden und nachfolgenden Text – ich denke, dann wird schon manches klarer. Diese Verse nehmen uns mitten hinein in die Tage nach Ostern. Gerade hatten die Jünger den Schrecken des Karfreitag, den Tod Jesu am Kreuz, miterleben und erleiden müssen, da kommen ihnen, drei Tage später nur, ebenso verstörende Nachrichten zu Ohren. Das Grab, in das der Leichnam Jesu gelegt worden war, war leer; den Frauen, die den Leichnam mit wohlriechenden Ölen salben wollten, fanden den Stein vom Grab weggewälzt, bekamen gesagt Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden. Und auch Petrus – in den Augen der anderen Jünger sicherlich ein verläßlicherer Zeuge als die Frauen – fand nur das leere Grab und die Leintücher, in die Jesus gewickelt gewesen war, vor. Und dann die rätselhafte Begegnung auf dem Weg nach Emmaus, als plötzlich ein Fremder Kleopas und seinem Begleiter begegnete, jemand, den sie nicht erkannten und der so gar nichts von den Geschehnissen in Jerusalem zu wissen schien – bis er ihnen dann die Schrift auf alles hin auslegte, was dort über das Sterben Jesu zu lesen war. Und erst, als sie gemeinsam zu Abend aßen und er das Brot für sie brach, wurde ihnen deutlich, wer er war… So schnell sie konnten, kehrten sie nach Jerusalem zurück, um den anderen von ihrer Begegnung zu erzählen. Und hier nun setzt unser Predigttext ein.

Und plötzlich ist Jesus selbst mitten unter den Jüngern, spricht ihnen zu: Fürchtet euch nicht! Aber genau das taten sie – sie fürchteten sich. Denn wer oder was anderes als ein Geist, der Geist eines Toten, könnte denn wohl der sein, der mitten unter ihnen erschienen war. Und Jesus? Wie schon in der Erzählung vom ungläubigen Thomas bietet er ihnen an: Seht meine Hände und meine Füße, ich bin's selber. Faßt mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen, wie ihr seht, daß ich sie habe. Wenn ihr euren eigenen Augen nicht traut, dann faßt mich doch an, fühlt, seht selbst – ich bin real, kein Geist, kein Zerrbild eurer Fantasie. Aber noch hat er sie nicht überzeugt – zu unglaublich, zu unwahrscheinlich ist, was sich da vor den Augen der Jünger und der anderen ereignet hat. Ein Mensch, der auferweckt wird, der tot war und wieder lebendig ist – kaum können sie fassen, was da geschehen ist. Und nun, wie um es ihnen ganz deutlich zu machen, das wirklich wahr ist, was so unglaublich, so unmöglich erscheint, ißt Jesus von dem Fisch, den sie ihm vorlegen. Ein Geist, ein Schemen, eine Illusion, der kann nicht essen, das vermag nur ein wirklicher Mensch zu tun – was für einen besseren Beweis kann es doch geben!

Ja, der eindeutige Beweis von Jesu Auferstehung von den Toten, den würden wir uns wohl alle auch wünschen. Denn die Frage, ob das denn auch wirklich alles so geschehen ist, we es die Bibel berichtet, ob das Grab wirklich leer war, ob sich der Auferstandene seine Jüngern gezeigt hat – die bewegt Menschen wohl schon, seit es überhaupt das Christentum gibt. Immer wieder sind im Vorlauf der Ostertage in den Medien Artikel darüber zu lesen, wie man die Geschehnisse denn vielleicht auch anders deuten könnte. Da ist dann davon die Rede, daß vielleicht der Leichnam gestohlen wurde, daß Jesus die Kreuzigung überlebt hat, usw. usw. Und wie sehr würden wir Christen uns doch auch einen handfesten Beweis für die Auferstehung wünschen. Wieviel einfacher wäre dann doch unser Glaube, wenn wir nur die Sicherheit hätten: ja, genauso war’s. Wir alle kennen das aus anderen Zusammenhängen. „Zeig mir, wie sehr Du mich liebst“ – und zeig mir das durch einen Kuß, eine Umarmung, ein Geschenk oder auch dadurch, daß Du etwas tust (oder eben auch nicht). Manchmal brauchen wir eben etwas Greifbares, etwas, woran wir uns festhalten können, weil einfache Worte vielleicht nicht mehr reichen, unsere Unsicherheit, unseren Zweifel zu stillen. Bei unserem Glauben ist es oft ganz ähnlich. Mag der Volksmund auch etwas flapsig sagen „Glauben heißt nicht wissen“ – manchmal genügt uns das einfach nicht, da sehnen wir uns nach mehr, nach einer Gewißheit, die mehr ist als nur Glaube.

Und genau an dieser Stelle haben wir dann ein Problem, denn diese scheinbar letzte Sicherheit wird uns immer fehlen. Wir haben keinen letztendlichen Beweis für das, was Ostern geschah und was uns Christen die tiefste Hoffnung gibt, wir haben „nur“ unseren Glauben. Keiner von uns wird wohl wissentlich direkt dem Auferstandenen begegnet sein – zumindest kann ich das so für mich sagen. Ist damit unser Glaube, mein Glaube also wertlos, ohne festen Grund? Da würde ich – wiederum erst einmal für mich ganz persönlich gesprochen – sagen: Nein! Ich möchte das mit einer modernen Legende umschreiben. Ein Mann träumte davon, daß ihm Gott erschienen sei und ihm gesagt habe: „Bereite Dich vor, morgen will ich Dich besuchen kommen.“ Und so machte er sich am nächsten Morgen daran, alles für den bevorstehenden Besuch vorzubereiten. Er putzte sein Zimmer, kochte eine gute Suppe und setzte Tee auf. Und als alles vorbereitet war, setzte er sich hin und wartete. Es klingelte an der Tür, er öffnete – aber es war nur die Nachbarin, die etwas Zucker ausborgen wollte. „Nein, heute paßt es nicht, Gott kommt, komm morgen wieder,“ sagte er und schloß die Tür. Ein wenig später klingelte es noch einmal, ein Obdachloser stand vor der Tür und bat um etwas zu essen. „Geh weg, das Essen ist für Gott, der will heute kommen, für Dich habe ich nichts,“ fertigte der Mann ihn harsch ab. Und noch ein drittes Mal klingelte es an der Tür, ein kleines Mädchen stand da, wollte sein Spielzeug repariert haben. Aber auch dafür hatte der Mann keine Zeit, denn schließlich erwartete er ja wichtigen Besuch. Und so verstrich der Tag, verstrich der Abend, und nichts geschah. Da legte der Mann sich wieder schlafen, bitter enttäuscht, daß Gott nicht wie versprochen zu ihm gekommen war. Und wieder träumte er von Gott – und beschwerte sich bitterlich. „Alles habe ich für Dich vorbereitet, habe mein Zimmer geputzt, eine Suppe und Tee für Dich gekocht, und Du bist nicht gekommen!“ Aber Gott antwortete: „Dreimal war ich bei Dir, als Deine Nachbarin, als der Obdachlose und als das kleine Mädchen, aber Du hast mich nicht zu Dir hineingebeten …“

Drei Gelegenheiten, Gott zu begegnen – und zugleich drei verpaßte Chancen. Auch wir können Gott, können Christus begegnen und es dabei vielleicht gar nicht merken. Wir können ihm begegnen in der Gemeinschaft des Gottesdienstes und des Abendmahls, da, wo wir mit anderen Christen zusammen sind. Wir können ihm aber auch in unserem Alltag begegnen, in Menschen, die unser Leben berühren oder verändern, in Menschen, deren Leben wir selber ein Stück heller werden lassen. Vielleicht ist es uns im ersten Moment überhaupt nicht klar, was uns dort geschieht, vielleicht braucht es ein ganzes Leben, bis wir verstehen, was uns geschehen ist – aber Gott, Jesus, Christus ist uns näher als wir es vielleicht selber wahrhaben wollen oder können. Und darum ist unser Glaube, unser Vertrauen, unsere Hoffnung auf das, was uns verheißen ist, auch nicht vergeblich. Auch wenn uns der letzte Beweis vielleicht fehlen mag, es gibt ihn, den Gott, der in Jesus Christus Mensch unter Menschen geworden ist – auch für uns. Amen.



Pfarrer Dr. Christian Anders Winter
Niebüll
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