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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Epiphanias, 06.01.2008

Predigt zu 2. Korinther 4:3-6, verfasst von Stefan Strohm

Ist unser Evangelium gleichfalls verhüllt, so ist es verhüllt in denen, die zugrundegehen. In den Ungläubigen hat der Gott dieser Welt das Fassungsvermögen verblendet, so daß sie nicht gewahren können, wie herrlich das Evangelium aufstrahlt von Christus, der das Ebenbild Gottes ist. Wir verkünden schließlich nicht uns selbst, sondern daß Jesus Christus der Herr ist, wobei wir nur eure Diener sind um Jesu willen. Denn Gott, der gesagt hat: Aus Finsternis strahle Licht auf, er hat es in unsern Herzen aufstrahlen lassen, so daß die Erkenntnis der göttlichen Herrlichkeit in der Person Christi aufleuchte.

 

1.

Liebe Gemeinde

Die Sonnenuhren, so steht auf manchen zu lesen, zeigen nur die hellen, die glücklichen, die sonnigen Stunden. Nacht darf es nicht sein, es darf nicht wolkig drohen, es darf nicht regnen.

Gott aber, so steht in der Bergpredigt (Mt 5,45) zu lesen, läßt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute, mehr noch, er läßt regnen über Gerechte und Ungerechte. Und dies alles um der Saat und der Ernte willen, und mehr noch, um der Liebe willen (Mt 5,44): Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, damit ihr vollkommen seid, wie euer Vater im Himmel, denn er läßt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute.

Die Sonnenuhr zeigt nur die glücklichen Stunden, das Licht aber scheint in die Fin­sternis. Kauf und Verkauf ist ein Tauschgeschäft, Lohn und Arbeit sind Tauschge­schäfte, sind gleichrangig und gleichbewertet. Die Liebe aber ist verschwenderisch, verschwenderisch wie das Licht, das in die Finsternis leuchtet. Die Finsternis jedoch kann nicht in das Licht hineindunkeln.

Finsternis kann nur erhellt werden, nicht selbst etwas tun. Und Liebe macht, wie das Licht hell macht, Geliebte, oder hellsichtig für der Liebe Bedürftige. Sie gibt wie das Licht, ihr kann nicht genommen werden, wie dem Licht nicht genommen werden kann.

Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, daß das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag (Gn 1,3-4). Das erste aller Werke Gottes ist das Licht, nicht die Erschaffung der Sonne oder sonst eines der Himmelsgeschöpfes, woraus das Licht leuchten soll, sondern das erste aller Werke ist das Hervorrufen des Lichts, einfach nur des Lichts. In dem erstgeschaffenen, dem Licht wird die ganze Schöpfung erstrahlen und gut sein, sehr gut sein.

Im Licht schauen wir alles, was hell ist und sich nicht irgendwie im Finstern hält oder verbirgt. Im Licht sehen wir sogar den kühlen Schatten. Wir können und sollen nicht sehen in einen dunklen und finsteren Grund oder Abgrund.

Darum schlafen wir auch nachts, wenn anders wir schlafen können, damit wir nicht herumtappen in unseren Gedanken. Wir brauchen einfach das Licht. So träumen wir dem neuen Tag entgegen. Und damit wird auch an uns und in uns die Finsternis mit jedem Morgen besiegt, wenn denn die Sonne uns nicht furchtbar aufgeht.

Ins Licht dunkelt keine Nacht hinein, wenigstens nicht in die Sonne und wenigstens nicht in unsere Lichter und Lampen. Doch in manchen Morgen scheint es doch hinein-zudunkeln aus der Nacht, nicht in den Morgen, wie er aufgeht, sondern in den Morgen, wie er uns, dem einen oder andern von uns, manchmal aufzugehen droht oder gar uns aufgeht. Der Morgen, der aufgeht, das Dunkel der Nacht zu vertreiben, ist nicht jedem an jedem Morgen Eingang in einen lichten Tag.

Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Lichte sehen wir das Licht (Ps 36,10), betet der Psalmist, damit ihm das Licht aufgehe, damit ihm nicht die Finsternis das Licht verderbe, etwas, das die Finsternis draußen nie wirken kann, aber drinnen im Herzen, so fürchtet der Psalmist, sehr wohl droht tun zu können.

Licht so sagt es der Psalmist ist nicht einfach Tageshelle, es ist das Licht, das die Tageshelle zur Quelle des Lebens und der Liebe macht. Sogar der Frevler braucht das

Licht zum Vollführen seiner Untaten, auf die er in der Nacht gewartet und finster gesonnen hat. Er braucht nicht gerade das Tageslicht, aber ein Licht zum Vollführen der Untat muß er in seiner Finsternis anzünden, kein klares und helles Licht wird er anzünden, vielmehr ein abgedecktes, seiner Finsternis dienliches Lichtlein, das doch Licht vom uranfänglichen Licht ist.

Seltsam! Vom Licht können wir nicht sprechen, ohne immer tiefer in die Nacht zu sinken, in die Nacht unseres sorgenden, tiefer, unseres mit der Finsternis paktierenden Sinnens. Wir können nur um das Licht bitten, das schöpferische, das sich wie die Liebe verschwendende, damit wir nicht den Tag zur Nacht, das helle Licht zur Finsternis machen, damit nicht doch, was in der Natur nicht möglich ist, in unserem Herzen geschieht, daß das Licht von der Finsternis verschlungen wird.

2.

Liebe Gemeinde

Hiob klagt (Hiob 3,3-5):

Ausgelöscht sei der Tag, an dem ich geboren bin, und die Nacht, da man sprach: Ein Knabe kam zur Welt! Jener Tag soll finster sein, und Gott droben frage nicht nach ihm! Kein Glanz soll über ihm scheinen! Finsternis und Dunkel sollen ihn überwältigen und düstere Wolken über ihm bleiben, und Verfinsterung am Tage mache ihn schrecklich!

Hiob wünscht, lieber nicht geboren zu sein, als in der Welt zu leben, in der er leben muß. Und Hiob wünscht, lieber gar nicht da zu sein, als der zu sein, der er ist oder sein muß.

In seiner Welt sieht er nichts als Ungerechtigkeit. Er, der aufrichtig und menschen­freundlich gelebt hat, wird von finsterer Not und schwarzem Elend betroffen, seiner Kinder, seines Besitzes beraubt und in Krankheit sich durch Schmerz und Ekel selbst zutiefst entfremdet.

Und er selbst ist sich nicht nur selbst entfremdet, sondern fühlt sich als Zielscheibe eines willkürlich ihn zum Spott seiner selbst und seiner Freunde erwählenden Gottes.

Was kann und was soll er anderes tun, als das Licht des Tages zu verfluchen, an dem er das Licht der Welt erblickt hat. Was kann er anderes wünschen, als zutiefst in weniger noch als Finsternis und in ungewordener Nacht verborgen zu sein.

Ihm, dem alles ins Gegenteil verkehrt ist, ihm wäre lieber, daß er gänzlich im Dunkel verborgen wäre, daß jedes Licht ihm erlösche. Es ist ein Wunsch, ein verständlicher, verständlich für jemand, der Hiobs Klage versteht. Es bleibt ein Wunsch, unerfüllbar, unmöglich, so wahr Gott seine Schöpfung nicht zurücknimmt.

Der 139. betet (Ps 139,11-16):

Spräche ich: Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich sein, so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir, und die Nacht leuchtete wie der Tag. Finsternis ist wie das Licht. Denn du hast meine Nieren bereitet und hast mich gebildet im Mutterlei­be. Ich danke dir dafür, daß ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele. Es war dir mein Gebein nicht verborgen, als ich im Verborge­nen gemacht wurde, als ich gebildet wurde unten in der Erde. Deine Augen sahen mich, als ich noch nicht bereitet war, und alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten und von denen keiner da war.

Wir sehen eine Gestalt wie Hiob vor uns. Wie er wünscht der Beter des Psalms, in Dunkel und Nacht zu vergehen.

Nur, ihm wendet sich, noch während er betet, der Wunsch: Nacht kann bei Gott nicht Nacht sein, die Finsternis kann das Licht nicht auslöschen. Das erhellt den Blick des Beters auf sich selbst: Was ihm verborgen ist, seine dunkle Erschaffung, ist Gott selbst von jeher klar; und was ihm verborgen bleiben wird, seine dunkle Zukunft, ist Gott schon klar. Es ist geradezu gut, daß dem Beter seine frühste Vergangenheit und seine letzte Zukunft verborgen bleibt, ist sie doch Gott selbst offenbar, ist es doch sein Licht, das ins Verborgene hineinleuchtet. Gerade darum kann der Beter es vor sich selbst unerforscht und verborgen sein lassen.

Jesus lehrt (Mt 6,6):

Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten.

Nicht nur unsere Tage, unser Hineintreten in die Welt und unsere Zukunft in ihr, sind uns verborgen, gnädig verborgen. Wir selbst sind uns verborgen, gnädig verborgen, in der tiefsten Regung unseres Herzens und Sinnes.

Wir können dies verborgen sein lassen, müssen uns nicht ergrübein in unseren Be­weggründen, wenn anders Gott das Licht ist, das ins Verborgene scheint, es erhellt und der Finsternis vertreibt, gerade auch die finstere Macht unsere Pläne und Absichten.

Wir sind uns verborgen, damit in uns nicht unsere Finsternis herrsche, sondern Gott selbst Licht sei. Ohne in dies Licht selbst sehen zu können, strahlt es wider, wohin wir blicken, wenn anders wir sehen, wo Dunkel ist, die durch das in uns verborgene Licht erhellt werden kann. Ein liebender Blick läßt sich rufen durch den Schatten auf den Mienen eines andern. So geweckt tritt das göttlich verborgene Licht hervor.

3.

Liebe Gemeinde

Wir haben vom Licht gesprochen, das leuchtet über Gute und Böse, von der Unumkehr­barkeit des Lichtes, das wie die Liebe sich verschwendet und nicht von der Finsternis verdunkelt werden kann.

Dabei mußten wir einräumen, daß, was in der Natur nicht möglich ist, das Licht, das von der Finsternis verschlungen wird, in und an uns sehr wohl wirklich werden kann, daß nämlich wir das Licht scheuen in unseren Sorgen, mehr noch in unseren Taten das Licht mißbrauchen. Wir hatten von der Lichtverschmutzung zu reden, die von außen in uns eindringt und die aus uns herauskommt.

Wir mußten aber nun auch bemerken, daß nicht nur wir das Licht verschmutzen, sondern Gott es selbst verbergen kann, vor Hiob so sehr, daß er den Tag seiner Geburt hinwegwünscht, vor einem Psalmisten so sorgfältig, daß er lieber auf Gott hofft, als selbst alles zu betrachten, wie es war und kommen wird, im Herzen des Frommen so tief, daß er sich selbst nicht ergründen kann und schon gar nicht will, sondern Gott selbst sein Licht und Leben sein läßt.

Wir haben damit eine Bewegung beschrieben, die aus der Höhe kommt und in die Tiefe geht, aus dem Licht und in die Finsternis sinkt, aber in ihr nicht versinkt, sondern die Finsternis als Verborgenheit Gottes, als rätselhafte, als fürsorgende, als erhellende Finsternis begreift.

Wir hätten das nicht tun dürfen und uns nicht getrauen und nicht wagen dürfen, weder von der Natur des Lichtes her, noch von der Weise unserer Einsichten aus, wenn es eben nicht der Weg wäre, den Gott gegangen ist, mit uns gegangen ist, indem er in Christus Fleisch und Blut, Leib und Seele geworden ist.

Gott selbst ist diesen Weg in die Finsternis gegangen, hinabgegangen, aber nicht indem er sich sorgte vor einem Morgen, denn der sorgt für sich, nicht indem er gewacht hat auf den Morgen, um Übles zu tun, sondern von den Übeltätern verurteilt zu werden und Übel zu leiden. Damit hat er uns unsere Finsternis offenbart und sichtbar gemacht, damit ist das Licht in die Finsternis gekommen, ganz und gar und radikal, damit hat sich die Finsternis übernommen, nun mußte sie einem andern Morgen weichen, dem Licht des anbrechenden Ostertages.

So gesehen werden wir den Weg aus dem Licht hinab ins Dunkel nocheinmal gehen, nicht als unseren Weg in die Sorge und in den Frevel, sondern als Weg an Christi Seite, so daß es nunmehr auch unser Weg wird, und wir zu sehen beginnen, wie die Finsternis dem Licht, dem neugeschaffenen Licht, dem in uns noch verborgenen, weichen muß.

Dazu hören wir nochmals gegen die uns bedrohende Finsternis der Sorge aus der Bergpredigt (Mt 6,26):

Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?

Das spricht uns natürlicherweise an, weil es einfach so ist. Und es spricht uns in der Seele, tief verborgen an, weil Christus es sagt, der sein Leben hingab, um es zu nehmen, der starb um aufzuerstehen.

Nicht zu sorgen kann sehr wohl heißen, freizugeben, weil wir wissen, daß wir mit jedem Stück Selbstentfremdung für einen andern keineswegs unser Leben mindern,

sondern mehren, indem wir am sich schenkenden ewigen Leben, seinem Licht und seiner Liebe aktiv teilnehmen.

Und wir hören gegen die aus uns herausdrohende Finsternis ebenso aus der Bergpredigt (Mt 5,38-39):

Ihr habt gehört, daß gesagt ist: «Auge um Auge, Zahn um Zahn.» Ich aber sage euch, daß ihr nicht widerstreben sollt dem Übel.

Das widerspricht uns in unserer Natur. Und es spricht uns gleichwohl oder eben darum in der Tiefe und Verborgenheit unserer Seele an, weil es der spricht, der uns unendlich geliebt hat.

In der Feindesliebe treten wir über uns hinaus in ein neues Leben, in die Teilhabe an der Liebe, die sich verströmt und das kann, ohne daß sie eingeholt und aufgehoben wür­de. Die mit dem Feind daherkommende Einladung zur Feindschaft kann nicht stärker sein als Mitmenschlichkeit, so wahr die Finsternis nicht das Licht besiegen kann.

So gesehen ist an der Seite Christi unser Hinabsteigen in die Tiefe und Verborgenheit zugleich ein Aufsteigen in die Herrlichkeit Gottes, wie sie an uns offenbar werden soll, wohl auch um unseretwillen, aber mehr noch zur Erleuchtung der Welt um uns, der es aufleuchten soll. So richtig verborgen ist es nämlich nur uns in seinem Grund, offenbar aber allen in der Wirkung:

Denn Gott, der gesagt hat: Aus Finsternis strahle Licht auf, er hat es in unsern Herzen aufstrahlen lassen, so daß die Erkenntnis der göttlichen Herrlichkeit in der Person Christi aufleuchte.

Amen.

IM.   Literatur

Philipp Melanchthon, Annotationes... in posteriorem Epistolam Pauli ad Co-rinthios. Ed. Marin Luther. Nürnberg 1522. (Studienausgabe Bd. 4. Gütersloh 1963).

Johannes Calvin, Commentarii in Secundam Pauli Epistolam ad Corinthios. Genf 1548. (In Novi Testamenti Epistolas. Ed. A. Tholuk. Berlin 1834).

Rudolf Bultmann, Der zweite Brief an die Korinther. Erklärt. Ed. Erich Dinkler. (KEK Sonderband.) Göttingen 1976.



Dr. Stefan Strohm
Stuttgart
E-Mail: St.Strohm@t-online.de

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