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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostermontag, 17.04.2017

Predigt zu Lukas 24:13-35 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Peter Fischer Møller

Die Auferstehung Jesu ist ein Mysterium.

So unbegreiflich wie das Leben selbst.

Es ist ein Mysterium jedes Mal, wenn ein Kind auf die Welt kommt.

Ganz gleich wie wir mit Hilfe der Wissenschaft Befruchtung und Entwicklung des Embryos erklären können, so ist das Leben in sich selbst viel größer als wir begreifen können. Dass so ein kleines Menschenkind von Geburt an nicht nur ein Produkt seiner Eltern ist, sondern ganz und gar ein Selbst von Anfang an, dass du ein Du bist und ich ein Ich – das ist ein Mysterium, und wir hören nie auf, uns darüber zu wundern.

Nur denken wir nicht immer daran, nicht immer betrachten und behandeln wir das Leben und andere Menschen als die Mysterien, die sie also sind.

Deshalb sind wir heute in der Kirche. Deshalb brauchen wir den Gottesdienst hin und wieder – um uns gemeinsam über das Mysterium des Lebens zu wundern.

Und deshalb passt es gut, dass die erste Geschichte, die wir in der Kirche nach dem Bericht des Ostertages von dem Wunder der Auferstehung hören, die Geschichte von einem Gottesdienst ist, die Geschichte vom ersten christlichen Gottesdienst.

Der Gottesdienst, der für die beiden Männer stattfand, als sie am Ostertag auf dem Wege von Jerusalem nach Emmaus waren.

Zunächst können wir sehen, dass die Geschichte sich hier gerade an unserem gewöhnlichen Gottesdiensttag abspielt, dem Sonntag.

Am Freitag war Jesus gekreuzigt worden, am Sonnabend hatten die Menschen, die Jesus gefolgt waren – sie waren ja Juden – den Ruhetag eingehalten, den Sabbat. Am nächsten Tag, dem Sonntag, dem ersten Tag der Woche, gingen die Frauen, die zusammen mit Jesus nach Jerusalem gezogen waren und ihm nach seinem Tod am Kreuz zum Grabe gefolgt waren, früh am Morgen zu seinem Grab. Sie fanden die Grabhöhle leer, und als sie da draußen hörten, dass Jesus von den Toten auferstanden war, bekamen sie zuerst nur die Angst und waren verwirrt und flüchteten und sagten niemanden etwas. Im Laufe des Morgens kehrten sie dennoch zurück in die Stadt, um den anderen zu erzählen, was sie gesehen und gehört hatten. Die Erzählung der Frauen wurde jedoch nicht ohne weiteres für bare Münze genommen. Teils hatte man i er damaligen Zeit und Kultur eine gewisse Skepsis gegenüber der Glaubwürdigkeit von Frauen. Teils war es nur merkwürdig. Sie hatten ihn ja alle Karfreitag sterben sehen, und ein Toter konnte doch nicht lebendig werden!? Der Bericht der Frauen muss jedoch einen gewissen Eindruck gemacht haben, denn etwas später gingen einige der Jünger hinaus zum Grabe und stellten fest, dass das Grab wirklich leer war.

Aber es war noch immer zu merkwürdig, auch für die beiden anderen Jünger, die später am selben Tag in das Dorf Emmaus wanderten.

Die beiden Männer gingen nun und redeten miteinander über das, was in der vergangenen Woche und am Morgen geschehen war.

Sie sind wie wir auf dem Wege zum Gottesdienst.

Wir treffen andere aus der Stadt oder der Familie auf dem Weg zur Kirche und wechseln einige Worte, ehe wir uns zusammen auf die Bänke setzen.

So sollte es jedenfalls gerne sein.

Es kann gut sein, die Kirche als einen Raum der Stille zu benutzen, als einen Ort, wo man Zuflucht nehmen kann und Frieden finden kann vor dem Lärm und der Arbeit des Alltags und vielleicht ein Licht anzünden kann. Aber der Gottesdienst ist mehr als eine Stunde Ruhe und Frieden in einem Raum ohne Telefon und Waschmaschine. Das Christentum hat auch mit Gemeinschaft zu tun. Wenn es für uns etwas bedeuten soll, wenn es ein lebendiger Teil unseres Alltags sein soll, dann bedarf es des Gesprächs, dass wir mit anderen über unser gemeinsames Leben sprechen und über die Gedanken, die wir uns darüber machen. Wir kommen in die Kirche mit dem, was uns im Laufe der Woche beschäftigt hat, den Hoffnungen und Träumen, die wir mit uns tragen, den Freuden, die wir gehabt haben, den Enttäuschungen und Niederlagen, die wir erfahren haben. Wir kommen in die Kirche, um irgendwie mit dem Dasein zurechtzukommen, so wie es uns im Alltag begegnet und wie wir darüber durch andere und durch die Medien hören.

Das nächste, das dann in Emmaus geschieht, ist dies, dass ein Fremder sich den beiden anschließt. Sie erkennen ihn nicht wieder, aber hören ihm zunächst zu, und danach weist er sie zurecht und beginnt die Schrift für sie auszulegen.

Das Gespräch gestaltet sich als eine Auslegung der Schrift. Für die beiden Jünger auf dem Wege nach Emmaus war die Schrift das Alte Testament – das Neue Testament wurde ja erst nach dem Ereignis von Ostern und dem Osterglauben geschrieben, der dem leeren Gran und der Wanderung nach Emmaus entsprang, den wir gerade verfolgen.

So ist es ja auch, wenn wir Gottesdienst halten, wir hören jeden Sonntag und Festtag einige bestimmte Stücke aus der Bibel, die vorgelesen werden und die wir neben unsere eigenen Lebensgeschichten stellen, neben unsere eigenen Lebensfragen. Und dann kann es geschehen, dass sich einige Perspektiven und einige Zusammenhänge auftun, dass wir einige Muster ahnen können, die uns helfen, unser eigenes Leben zu verstehen, und uns eine Form von Weisung für heute und morgen geben. Das sind keine Rezepte. Da ist nicht die endgültige und absolute Wahrheit über die Bedeutung der biblischen Texte, sondern eben eine Auslegung, eine von vielen, eine Auslegung, die vielleicht gerade heute ein evangelisches Licht über die Probleme wirft, die wir gerade haben.

Das nächste Glied im Gottesdienst für die beiden auf dem Weg nach Emmaus ist, dass sie den Fremden zum Abendessen einladen. Und während sie zu Tische sitzen und er das Brot nimmt, bricht und es ihnen gibt, erkennen sie ihn wieder. Da wird ihnen klar, wer der Fremde ist, es ist der Auferstandene selbst.

So ist es, wenn wir zum Abendmahl gehen. Manchmal wird das Evangelium erst hier für uns lebendig.

So geht es mir manchmal selbst.

Der Gottesdienst kann manchmal fast in Worten ertrinken, Worte, die wir zu verstehen suchen mit unserem Verstand, die aber nicht richtig weiterführen. So ist es manchmal mit den Worten, dass die nicht genügen, dass sie uns nicht richtig erreichen. Aber wenn wir zum Abendmahl kommen, dann ist es, als würde der Gottesdienst einfacher.

Hier sind wir bei der zentralen Geschichte von Jesus, dass er mit jedem zu Tische sitzen will, selbst mit den zweifelnden und wankelmütigen Jüngern, dass er sein Leben gab für die Menschen. Es geht um die grenzenlose Liebe des Gottes, den Jesus der Welt gezeigt hatte und der sich nun in dem, was seine endgültige Niederlage zu sein schien, als mächtiger als alles andere erwies. Nichts kann ihn von seiner Liebe abbringen, selbst am Kreuz verdammte er niemanden, sondern betete für seine Verfolger, und Ostermoren siegte diese Liebe endgültig.

Du bist geliebt und akzeptiert, so wie du bist, trotz allem, was du so in deinem Leben tust. Mit diesem Evangelium war er den Menschen begegnet, als er lebte. Dieses Evangelium wird nun durch das Brot und den Wein jedem weitergereicht, nicht nur in Worten, sondern als etwas, das wir riechen und schmecken können, so dass wir merken können, dass es uns betrifft.

Als er das Brot brach, erkannten sie ihn, aber dann wurde er wieder unsichtbar für sie. So ist es wohl auch oft bei uns. Das Evangelium, das Licht, das wir erleben, wie es über uns im Gottesdienst geworfen wird, ist kein Besitz, nicht etwas, was wir festhalten und aufsparen können für ein anderes Mal. Es ist etwas, was uns als ein Leuchten hier und jetzt erreicht.

Wenn wir um den Altar knien und das Brot und den Wein empfangen, so ist dies ein Zeichen der Liebe von Gott: Du bist erkannt und doch geliebt, durschaut und akzeptiert.

Dass Jesus mit am Tisch sitzt, kann ja geschehen, auch ohne dass dies etwas mit Gebeten und Liedern zu tun hat, ja ohne dass wir es selbst bemerken. Davon hat er einmal erzählt: Wenn er wiederkommt am Ende der Zeiten, da wird man ihn fragen: Wann haben wir dich hungrig gesehen und gaben dir zu essen, oder durstig und gaben dir etwas zu trinken - und da wird er sagen: Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, habt ihr mir getan. Wir begegnen Jesus also nicht notwendigerweise im besonders religiösen oder festlichen Zusammenhang, es kann auch genauso gut ein Ort mitten in unserem Alltag sein, in der Begegnung mit dem Mitmenschen, der hier und jetzt deine Hilfe braucht.

Und schließlich: Die beiden Jünger blieben nicht dort in Emmaus und freuten sich an dem, was sie nun gesehen und gehört hatten. Sie kehrten zurück nach Jerusalem und erzählten den anderen davon. So soll der Gottesdienst, den wir in der Kirche feiern, auch nicht eine kleine religiöse Käseglocke sein, wo wir sitzen und uns an unserem eigenen Glauben und unseren Gedanken erbauen können. Nein, wir sollen das nicht für uns selbst behalten, sondern miteinander teilen. So ist es zu uns gekommen, und so sollen wir es anderen weitergeben: Die Botschaft von ihm, der die Liebe Gottes mitten in unserer Welt ist. Die Botschaft von ihm, der auch an einem sauren Tag mit Wirren und Missmut uns in einem Glanz unser Leben und das der anderen als ein Wunder sehen und glauben, dass es durch seine Auferstehung gesegnet ist. Amen.

 



Bischof Peter Fischer Møller
DK 4000 Roskilde
E-Mail: pfm(at)km.dk

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