Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostersonntag , 16.04.2017

Fürchtet euch nicht. Christus ist auferstanden und geht mit euch!
Predigt zu Matthäus 28:1-10, verfasst von Jochen Cornelius-Bundschuh

„Als aber der Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria von Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen.

Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn der Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Seine Gestalt war wie der Blitz und sein Gewand weiß wie der Schnee. Die Wachen aber erschraken aus Furcht vor ihm und wurden, als wären sie tot.

Zu den Frauen aber sprach der Engel: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht. Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht die Stätte, wo er gelegen hat; und geht eilends hin und sagt seinen Jüngern, dass er auferstanden ist von den Toten. Und siehe, er wird vor euch hingehen nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt.

Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen.

Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid gegrüßt! Und sie traten zu ihm und umfassten seine Füße und fielen vor ihm nieder. Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, dass sie nach Galiläa gehen; dort werden sie mich sehen.“

 

Liebe Gemeinde,

Ostern beginnt mit einer einprägsamen Szene: Zwei Frauen kommen zum Grab, die Erde bebt, ein Engel sitzt auf dem Stein, die Wächter fallen in Ohnmacht. Furcht breitet sich aus, aber auch große Freude. Das Grab ist leer. Das Leben ist stärker als der Tod.

Woher kommt diese Furcht? Weil Gott den Mächten in den Arm fällt, die sonst das Sagen haben. Weil Gott dem Unrecht, der Gewalt und dem Tod nicht das letzte Wort lässt, sondern den Gerechten ins Recht setzt. Aus der Furcht vor dem Tod wird die Ehrfurcht vor Gott.

Zugleich stellt sich eine große Freude ein: Jesus lebt. An Ostern öffnet sich die Tür in Gottes neuen Himmel und neue Erde. Wir sind eingeladen. Wer krank ist und Hilfe und Trost braucht, bleibt nicht allein. Wer Schuld auf sich geladen hat; Christus hilft sie zu tragen. Wer fremd ist und auf der Flucht, ist willkommen. Feinde versöhnen sich, die Hungrigen werden satt. Die gute Nachricht breitet sich aus: „Fürchtet euch nicht!“

I

Die beiden Frauen, Maria von Magdala und die andere Maria, machen sich am Ostermorgen auf zum Grab. Bis zum Schluss hatten sie am Karfreitag unter dem Kreuz ausgehalten. Sie hatten mit angesehen, wie Jesus starb. Auf vielen Altären und Bildern sind ihre Tränen und ihre Verzweiflung festgehalten.

Nun wollen sie Abschied nehmen von Jesus. Sie bereiten sich auf eine intime Szene vor: sie wollen für den Verstorbenen sorgen, sie wollen um ihn trauern, für ihn beten und sich gemeinsam an die Zeit mit ihm erinnern. Die beiden wollen tun, was man für einen Menschen tut, den man liebt, wenn er gestorben ist.

Doch aus der ruhigen und traurigen Abschiedsszene wird nichts. Vielleicht stehen Ihnen Osterbilder vor Augen, etwa vom Isenheimer Altar aus Colmar: Die Erde bebt, es blitzt, im grellen Licht drehen sich die Verhältnisse um. Der schwere Stein, der das Grab versperrt, rollt wie von selbst zur Seite. Die mächtigen, gut gepanzerten Soldaten fallen vor Schreck in Ohnmacht. Die Himmelstür ist aufgetan. Christus lässt sich nicht einsperren: nicht durch dicke Steine, nicht durch gut bewaffnete Wächter. Das Grab ist leer. Christus ist auferstanden.

II

Vor den Augen der Frauen findet ein Machtwechsel statt. Hatte vorher der Tod das letzte Wort, so wird er nun von Gott entmachtet. Die Szene fährt in die Knochen. Die Frauen fürchten sich. Aber es ist nicht mehr die Furcht vor dem Tod. Es ist die Ehrfurcht vor Gott. Es ist das Erschrecken, dass Gott alles auf den Kopf stellen und noch den Tod überwinden kann.

Bisher bedroht der Tod unseren Verstand, unseren Körper und unser Herz; aber er gibt uns doch auch eine letzte Gewissheit. Wir rufen ihn auf, wenn wir nicht mehr ein noch aus wissen: „Ich bring mich um.“ „Ich schlag ihn tot.“ Worauf ist noch Verlass, wenn selbst der Tod nicht mehr gewiss ist?

Furcht zieht aber auch in die Szene ein, weil neu nach Gerechtigkeit gefragt wird. Mit dem Tod ist eben nicht einfach alles aus und vergessen. Die Wächter stürzen um und sind wie tot. Ostern setzt das Opfer ins Recht gegen die Täter, gegen diejenigen, die sich mit ihrer Macht und Gewalt über Recht und Gerechtigkeit hinwegsetzen, die andere umbringen, weil sie ihren Überzeugungen im Wege stehen. Wenn der Tod nicht mehr das Letzte ist, haben die Täter sich vor dem Richterstuhl Gottes zu verantworten. Und die Opfer bekommen neuen Mut, ihre Menschenrechte einzuklagen.

Christus hat die Tendenz seiner Urteile schon zu seinen Lebzeiten deutlich gezeigt: freundlich und auf Versöhnung bedacht hat er gehandelt, zugleich aber mit einem klaren Widerspruch gegen die Ungerechtigkeit und die Gewalttäter. Dabei zeigen die biblischen Geschichten: ungerecht sind nicht nur die Anderen, die da oben, die Mächtigen. Ungerecht ist auch die Herzenshärte, mit der wir einander begegnen, ist auch das, was wir einander antun und was in unserem Namen und zu unseren Gunsten geschieht. Jesus hat die Opfer seliggepriesen, die geistlich und sozial Armen, diejenigen, die Frieden stiften, die Barmherzigen. Wer von uns kann da bestehen?

III

Der Engel liest den Schrecken und die (Ehr-) Furcht in den Herzen der Frauen. Sie fragen sich: „Was wird das werden? Wer kann da bestehen?“ Da spricht der Engel das entscheidende Osterwort: „Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus den Gekreuzigten sucht. Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat! Er geht mit euch! Er ist da, auch wenn ihr ihn nicht mehr seht!“

Aus dem Türspalt, den Christus in den neuen Himmel und die neue Erde geöffnet hat, kommt Jesus selbst uns entgegen. Er geht mit uns gemeinsam hinein in unsere Welt und gibt ihr ein neues Gesicht. Er tröstet uns und macht uns Mut zu einem selbstbewussten aufrechten Gang. Wir brauchen keine Angst zu haben, dass jetzt alles durcheinander kommt, nachdem der Tod besiegt ist; Jesus geht mit uns.

Zugleich verbindet der Engel den ermutigenden Zuruf „Fürchtet euch nicht!“ mit einem großen Zutrauen gegenüber den beiden Frauen und einem Auftrag an sie. Sie sollen zu den anderen gehen, die Jesus gefolgt sind, und ihnen berichten: „Christus ist auferstanden.“ Das zeichnet den Osterglauben aus: Er ist Zuspruch und Vergewisserung und zugleich traut er uns etwas zu. Er richtet uns auf und mutet uns zu aufrecht zu gehen, um andere aufzurichten. Begabung und Berufung gehören zusammen: „Macht euch auf, sagt es weiter, richtet andere auf.“

IV

Die beiden Frauen machen sich auf mit Furcht und Freude, mit großer Freude. „Er ist nicht hier; er ist auferstanden!“ Sie machen sich auf den Weg, um die Botschaft anderen weiterzugeben, damit auch die sich freuen.

Schon auf dem Weg begegnen sie dem lebendigen Jesus. Sie fallen vor ihm nieder. Erneut hören sie von ihm die Osterbotschaft, die ihnen schon der Engel gesagt hatte: „Fürchtet euch nicht!“

Gestärkt und voller Vertrauen, dass Jesus mit ihnen geht, ziehen sie weiter und richten die Osterbotschaft an andere aus. So werden die Frauen, die damals gar nicht als vollwertige Zeuginnen galten, zu Vorbildern für unsere Kirche. Es geht nicht darum, das Grab Jesu zu pflegen. Es geht nicht darum, eine Erinnerung mühevoll mitzuschleppen in und durch unseren Alltag. Ostern heißt: Christus ist auferstanden. Er ist heute gegenwärtig und geht heute mit uns.

Dabei schottet der Osterglaube nicht ab. Er redet nicht über das Leid hinweg. Nicht über unsere persönlichen, familiären Sorgen, auch nicht über die großen politischen Nöte. Wenn ich an die Anschläge der letzten Wochen denke, an die Toten im Palmsonntagsgottesdienst in Alexandria und Tanta, an die Giftgasopfer in Syrien, dann scheint es manchmal, als würde der große Stein langsam wieder vor das Grab rollen. Da wachsen die Zweifel: Ist Jesus doch tot? Müssen wir uns nicht doch zuerst vor denen fürchten, die töten, die das Leben nehmen können?

V

Trotzig klingt die gute Nachricht von Ostern: „Fürchtet Euch nicht, ich bin bei euch!“ Aber genau das ist ihre Zusage. Der schwere Stein rollt leicht zur Seite, die Erde bebt, es wird hell: Der Tod kann sich nicht halten, die Gewalt siegt nicht über die Gerechtigkeit. Gott setzt das Leben ins Recht. Christus geht mit uns auf einen neuen Himmel und eine neue Erde zu. Er stärkt uns und weist uns den Weg. Meist nicht mit Erdbeben und Blitzen, manchmal vielleicht nur leise, aber doch immer so, dass wir ihn hören können:

Wenn ein Mensch von den anderen klein gemacht wird, tritt Christus daneben und sagt: „Heute will ich bei dir zu Gast sein.“

Wenn uns die Angst verschlingen will, weil ein Mensch erkrankt oder gar stirbt, den wir lieben, tritt Christus an unsere Seite, hält unsere Hand, schickt uns Menschen, die da sind und uns sagen: „Fürchte dich nicht! Weder Tod noch Mächte noch Gewalten können diesen Menschen aus der Hand Gottes reißen.“

Wenn Menschen sich auf Kosten anderer durchsetzen, wenn sie behaupten, die da sind weniger wert als wir, dann tritt Christus in den Weg und sagt: „Fürchtet euch nicht! Habt Mut! Widersprecht den schlechten Worten, die Unfrieden säen und böses Blut machen. Mischt euch ein, wenn Unrecht geschieht. Kümmert euch um die Not der Fremden und Schwachen. Nehmt sie auf und teilt mit ihnen, als würdet ihr mit mir teilen.“

 

„Fürchtet euch nicht! Christus ist auferstanden.“ Er lebt. Er geht mit euch. Das ist die Osterbotschaft der Frauen. Wir hören sie mit Ehrfurcht und großer Freude – und tragen sie in unsere Welt.



Bischof Prof.Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh
Karlsruhe
E-Mail: Jochen.cornelius-Bundschuh@ekiba.de

(zurück zum Seitenanfang)