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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Kantate, 14.05.2017

Was du tust, das tu von Herzen!
Predigt zu Matthäus 21:14-17, verfasst von Marion Werner

Gnade sei mit Euch und Frieden von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus

Liebe Gemeinde,

dass Gott sich darüber freut, wenn wir ihm singen, davon bin ich fest überzeugt. Im AT heißt es sogar: Gott wohnt im Lobpreis seines Volkes. Da wo er gelobt wird, da ist er zuhause, da ist er gegenwärtig, da rührt er die Menschen an.

In der heutigen Epistel (Kolosser 3, 12 - 17) haben wir die Aufforderung gehört: „Singt Gott dankbar in euren Herzen“. Wir sind aufgerufen Gott in unseren Herzen zu singen, also eine Art inneren Lobpreis abzuhalten. Und überhaupt ist das Herz das wichtigste Organ beim Lobpreis. Gott ist viel mehr daran interessiert, dass wir ihn ehrlich loben, dass unser Dank, unsere Hinwendung zu ihm wirklich echt sind, dass sie von Herzen kommt, als daran, dass unsere Lieder nach menschlichen Maßstäben schön und rein klingen. Gott kommt es darauf an, dass wir ihn von Herzen loben, fröhlich und ihm dafür unsere Stimme zur Verfügung stellen – so gut oder weniger gut sie nun einmal ist. Das gilt im übertragenen Sinne auch für alle anderen Dienste der Gemeinde. Natürlich ist Qualität ein wichtiges Ziel – auch in der Kirche und auch was unser Glaubensleben anbelangt. Und natürlich sollen wir unser Bestes für Gott geben. Ich wäre nie auf die Idee gekommen in meiner letzten Gemeinde z.B. dem Leiter des Oratorienchores zu sagen: Lasst das Üben, Hauptsache die Herzenshaltung stimmt. Sondern wir haben uns getroffen, haben zusammen geübt, daran gearbeitet, dass ein möglichst gutes Ergebnis heraus kommt. Ganz klar. Aber wir sollen uns auch nicht von überzogenen Ansprüchen blockieren lassen. Wir sollen Gott fröhlich und von Herzen dienen mit dem was wir können und uns nicht von dem Gefühl entmutigen lassen: "Ach ich bin nicht gut genug, ich bin nichts und kann nichts." Denn Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig. Es ist eine der wichtigsten Berufungen der christlichen Gemeinde, Gottesdienste zu feiern und Gott zu loben – von ganzem Herzen. Dass ist nicht nur eine alte Sitte, die man genauso gut auch abschaffen könnte. Nein, sondern es ist unsere Aufgabe und Berufung Gott zu loben! Auch im alten Israel hat es Gottesdienste gegeben. Es gab eine große Organisation von Priestern und von Leviten, das waren die Vorläufer der Kirchenmusiker, und alles diente nur dem einen Zweck: Gott dafür zu loben und zu preisen, dass er gütig ist und seine Güte ewiglich währt. Der Tempelbezirk zurzeit Jesu in Jerusalem war ein imposantes Bauwerk, das sogar die Heiden bestaunten. Der Tempel selbst war dabei relativ klein. Aber dort hatten ohnehin nur die Priester Zutritt. Aber um den eigentlichen Tempel herum im großen Tempelbezirk mit all seinen Hallen und Höfen, da war viel Platz. Und dort herrschte gewöhnlich auch gewaltiger Betrieb. Aus aller Herren Länder kamen Pilger an, um das Bauwerk zu bestaunen und um Gott anzubeten. Das Beten konnte allerdings etwas schwierig werden, denn es herrschte nicht gerade besinnliche Ruhe in dem Heiligtum. Es war mehr eine Art Jahrmarktsatmosphäre. Da gab es z.B. Geldwechsler. Jeder musste eine Tempelsteuer bezahlen –und natürlich durfte man dafür nicht irgendwelche heidnische Währungen benutzen, auf denen wohlmöglich noch Götterbilder zu sehen waren. Also musste man sein Geld eintauschen – gegen eine saftige Bearbeitungsgebühr, versteht sich. Dann wurden Opfertiere verkauft. Für die Pilger war es nämlich sehr unpraktisch, ihre Tiere selbst mit zubringen.

Da war nichts mit Stille oder mit Lobpreis – im Vorhof des Tempels ging es zu wie auf einem Bazar. Als Jesus in den Tempel kam, passierte Folgendes (Ich lese aus Matthäus 21, 12 - 17) Jesus tritt im Tempel ganz selbstverständlich als der Hausherr auf. Er ist nicht bereit, den religiösen Betrieb so zu akzeptieren, wie er nun mal ist, sondern er wirft diejenigen hinaus, die nur an ihre Geschäfte denken und er lädt diejenigen ein, die eigentlich nicht dazu kommen durften, die Behinderten, die Blinden und die Lahmen, die allgemein als von Gott Bestrafte angesehen wurden und deshalb keinen Zutritt im Tempel hatten. Er lässt sich das Lob der Kinder gefallen, fertigt die Prominenz mit kurzen Worten ab und lässt sie stehen. Es gibt nichts mehr zu sagen, es ist genug diskutiert worden. Mir ist diese Geschichte zum Gleichnis geworden – der Tempel als Bild für unseren inneren Menschen, als Bild für unsere Seele, für unser Herz. Eigentlich sollte dort Lobpreis herrschen. "Singt und spielt Gott in euren Herzen", haben wir heute in der Epistel gehört. Ich weiß nicht, wie es Ihnen damit geht, aber ich spüre oft, dass in meinem Herzen und auch in meinen Gedanken eine solche Betriebsamkeit herrscht, soviel Geschäftigkeit, so viele Dinge, die noch zu erledigen sind… Das merke ich besonders dann, wenn ich versuche zur Ruhe zu kommen. Gerade dann fallen mir ganz viele Dinge ein, die ich noch bedenken und tun muss, worum ich mich kümmern muss. Gefühlsmässig ist hier eher Bazar Stimmung als die Ruhe des Lobpreises da.

Und Jesus kommt und wirft den ganzen Kram raus. Wie schön! Wie schön, dass er uns Ruhe schenkt. Jesus reinigt diesen Tempel. All eure Sorgen werft auf ihn, heißt es. In seiner Gegenwart verändern sich die Maßstäbe. Plötzlich wird das was uns bedroht und umgetrieben hat, überschaubar. Und dann heilt Jesus die Blinden und Lahmen – was sind wir oft blind, blind für die Wunder Gottes, blind für die Nöte unserer Nächsten, blind für die Weisheiten der Bibel. Und was sind wir oft lahm – kommen nicht in die Gänge, wenn wir beten sollten oder wenn unser Einsatz in der Gemeinde gefragt ist oder wenn wir zu anderen Menschen hingehen sollten, um ihnen zu helfen oder von Gott zu erzählen. Jesus heilt das Lahme und Blinde! Und diese Heilung, diese Befreiung setzt Lobpreis frei. Das Kind in uns fängt an zu singen und zu tanzen: "Hosianna dem Sohne Davids". Ein befreiendes Gefühl die Freude an Gott einfach mal rauszulassen!

Aber da gibt es in jedem von uns dann auch diese Tempelwärter, die Hohepriester und Schriftgelehrten, die das ganze doch sehr befremdlich finden. Das sind die Vernünftigen, die Hüter des Anstandes, die Stimmen in uns, die danach fragen, was wohl andere über uns denken könnten, es sind ernste und nachdenkliche Stimmen, die gerne über Problemen brüten und die es dann doch zu einfach finden, sich wie ein Kind von Herzen an Gott zu freuen. "Diese Kinder verstehen doch gar nicht, was sie da singen", kritisieren sie und haben auf ihre Art recht damit. Aber Jesus freut sich dran. Für ihn haben Kinder eine besondere Bedeutung. Nicht die ernsten Schriftgelehrten sind für ihn das Vorbild, so beeindruckend sie auch sind mit ihrem Bibelwissen, mit den vielen Stunden, die sie dafür aufwenden, das Wort Gottes immer besser verstehen zu können. Stattdessen verweist Jesus auf die Kinder. Auf fröhliche, spielende Kinder. Unbekümmerte Kinder. Kinder, die völlig abhängig sind von ihren Eltern und nichts Schlimmes daran finden können. Und er sagt: So sollt ihr sein! Abhängig von Gott, unbekümmert, fröhlich. Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, dann könnt ihr nicht ins Reich Gottes hinein. Und damit sind wir wieder beim Anfangsgedanken: das Herz ist entscheidend, nicht die äußere Form. Ein einfaches Glaubenslied, das einer mit dankbarem Herzen vor sich hin singt ist bei Gott unendlich wertvoll, ebenso wie jeder Dienst, den wir ihm und den Menschen von Herzen tun, unser Bestes geben, auch, wenn es nicht perfekt ist. Es ist ihm wertvoll – weil es von Herzen kommt. Amen

 

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne, in Christus Jesus unserm Herrn.



Pfarrerin Dr. Marion Werner
Zürich
E-Mail: mmueller_ro@yahoo.de>

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