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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Epiphanias, 06.01.2008

Predigt zu Matthäus 2:1-12, verfasst von Ulla Morre Bistrup

Versucht einmal, euch den Bericht über die drei Weisen oder Könige in der Vogelperspektive vorzustellen, ein wenig von oben, als kleine Punkte da unten in der dunklen Landschaft. Seht, wie sie durch die Wüste eilen auf ihren vornehmen, schwer beladenen Kamelen. Seht, wie sie nur kurz Halt machen, um etwas Wasser zu trinken und um den phantastisch leuchtenden Stern zu betrachten, dem sie folgen. Um dann gleich weiter zu eilen. Einer dieser Aufenthalte dauert vielleicht etwas länger. Weil sie verwirrt sein mögen, ob denn der Stern auch wirklich über Jerusalem steht, wo der Palast der Königs liegt und wo sie deshalb erwarten, den neugeborenen Königssohn finden zu können, dem sie huldigen wollen. Schließlich werden sie sich einig, dass er dort zu finden sein muss, und sie nehmen direkt Kurs auf eines der Tore Jerusalems. In der Stadt sehen wir dann, wie sie von ihren Kamelen steigen und in dem mächtigen Palast des Herodes verschwinden. Aber nur wenige Minuten später kommen sie fast im Laufschritt wieder heraus, steigen eiligst wieder auf ihre Kamele und reiten direkt nach Bethlehem, wo sie schließlich ihre Geschwindigkeit drosseln, um ganz genau auszumachen, über welchem Gebäude in dem kleinen Ort der Stern denn nun steht. Es ist ein Stall. Die kleine, aber kostbare Last der Kamele wird losgebunden, und die Könige tragen sie feierlich in das kleine Gebäude. Aber nur für einen ganz kurzen Besuch, dann lassen sie die kleine Familie in Ruhe, reiten auf ihren Kamelen ein kleines Stück weg und ruhen sich eine Zeitlang aus. Lange genug jedoch, um einen Traum zu haben, der ihnen erzählt, dass sie nicht - wie versprochen - auf demselben Weg zurückreiten und dem machthungrigen und blutrünstigen Herodes Bericht erstatten sollten, wo der Königssohn zu finden wäre. Also begeben sie sich, während die ersten Strahlen der Sonne auf die Landschaft fallen, wieder auf den Heimweg nach Osten, indem sie nun einen etwas anderen Strich im Wüstensand hinterlassen.

 

Bewegung. Immerzu Bewegung. Denn die Könige haben beständig ein Ziel, nach dem sie streben.

Und doch gibt es auf dieser eiligen Reise eine Station, an der wir sie gleichsam immer zum Stehen bringen und sie uns nicht als unterwegs befindlich vorstellen. Nämlich in dem Tableau im Stall, wie wir es in der ganzen Weihnachtszeit in so vielen Krippenspielen gesehen haben - hier in der Kirche z.B. - in der Gestalt von äußerst lebendigen, verkleideten Kindergartenkindern oder von wohl etwas ruhiger dastehenden Kindern aus Ton, Keramik oder vielleicht Wachs.

In London, wo ich vor wenigen Jahren im Dezember einige Tage gewesen bin, hatte man nämlich auch ein solches Krippenspiel gemacht, und zwar im Wachskabinett der Madame Tossaut, das Krippenspiel, von dem, wie ich behaupten möchte, in dem Jahr am meisten die Rede war. Unter anderem hatte man für Josef und Maria Englands damals hottestes Paar, Herrn und Frau Beckham, Modell stehen lassen - ohne dass ich jemals die Pointe darin begriffen hätte. Die Pointe mit den Heiligen Drei Königen war dafür nicht so schwer zu verstehen. Sie treten nämlich in der Gestalt von nichts Geringerem als drei bedeutungsvollen "P" auf: Präsident, Premierminister und Prinz. Präsident Bush, Premierminister Tony Blair und Prinz Philip.

Mächtige, bedeutende und unternehmungslustige Männer. Männer mit Zielen. Ununterbrochen unterwegs, und doch stehen sie ganz ganz still. Plötzlich sind sie nicht die unternehmungslustigen Akteure, sondern Zuschauer. Zuschauer bei einem Ereignis, das größer ist als all das, was sie auf den Weg zu bringen oder zu bewerkstelligen vermögen oder was sie auf bedeutungsvollen Konferenzen und bei Händeschütteln allerorten in der Welt vertreten können.

Und auf diese Weise sind sie ein phantastisches Bild dafür, was Weihnachten an den meisten von uns bewirken kann - zu einem Zeitpunkt, wo wir einmal nicht unterwegs sind, sondern für kürzere oder längere Zeit mittendrin ganz ganz still stehen. Und dort erleben, dass wir Zuschauer bei oder richtiger Empfänger von etwas sind, was weitaus größer ist als all unser Unternehmungsgeist und unsere bedeutenden Konferenzen in den Zusammenhängen, in denen wir nun herumlaufen und König spielen oder vielleicht Präsident, Premierminister oder Prinz in unserem eigenen Leben.

Das kann man erleben, wenn wir in der Kirche an einem Heiligen Abend oder Weihnachtsmorgen die Texte zu Weihnachten hören, die davon handeln, dass Gott Mensch wurde, wir können es erleben bei den Worten in den Weihnachtsliedern, die wir kennen und lieben. Wir können es erleben angesichts der angezündeten Kerzen und bei dem wohlbekannten Duft von Tannenzweigen. Wir können es erleben im Zusammensein mit den Menschen, mit denen wir am liebsten zusammensind und zusammengehören. Dass der Sinn und die Richtung unseres Lebens in Wirklichkeit nicht in erster Linie etwas ist, was wir verfolgen sollen, wie wir gern glauben möchten, sondern dass es genau hier und jetzt ist, wenn wir ganz ganz still stehen. Und empfangen.

Epiphanias ist traditionell die Gelegenheit, wo man endgültig von Weihnachten Abschied nimmt. Man trägt den Weihnachtsbaum aus dem Haus und packt den letzten Weihnachtsschmuck ein - auch die Krippe. Und die große Frage muss dann sein, wie wir etwas von der demütigen Empfangsbereitschaft bewahren können, die uns stillstehen lässt wie die drei Könige oder die drei "P" in dem Stall, in dem Erlebnis, dass das Leben weitaus größer und schöner ist als das, was wir in unserer zielbewussten Unternehmungsgeist daraus machen.

Und was wird jetzt aus dem weihnachtlichen Frieden - lässt er sich überhaupt mit hinausnehmen in den Alltag, der jetzt kommt mit seinen Störungen, Sorgen und Streitigkeiten, die ja auch zum Menschenleben gehören, auch wenn sie glücklicherweise nicht immer von höchster Dramatik sind?

Es sind Fragen, auf die Grundtvig uns eine Antwort zu geben versucht in seinem phantastischen Lied von 1810, das er "Die Heiligen Drei Könige. Ein Kinderlied" genannt hat. Wir nennen es "Herrlich ist der Himmel blau", und in seiner ungekürzten Ausgabe lässt es keinen Zweifel zu, dass es auch wirklich ein Kinderlied ist: "Kommt ihr Kleinen und hört zu!", und dann bekommen wir im übrigen eine gewaltige Geschichte, in der Grundtvig pädagogisch geschickt sowohl einen sternguckenden Weisen als auch einen König aus dem Morgenland als einen der drei auftreten lässt, so dass sowohl die Bezeichnung "die Drei Weisen" als auch "die Heiligen Drei Könige" zur ihrem Recht kommt. Und bis Vers 13 einschließlich handelt das Lied - in freier Nachdichtung - eben davon, was in dem Bericht von den Heiligen Drei Königen geschieht. In Vers 13 aber verlässt Grundtvig die Könige, als sie endlich an ihr Ziel gekommen sind und im Krippenspiel ganz ganz still stehen, "mit güldnen Schalen und Weihrauch süßen Dufts".

Und in den letzten sechs Versen wendet er sich dann an uns: "Wollt ihr Kleinen nicht auch gern den hellen, milden Stern sehn, vor dem König euch tief verneigen, der Gottes Reich besitzt und euch darin will wohnen lassen?" Ja, das wollen wir, genau das. Und im letzten Vers erfahren wir dann, worin der Leitstern für uns besteht. Nämlich in "seinem klaren Gotteswort, das er für uns offenbaren ließ, damit es leuchte vor unserm Fuß".

Sein Gotteswort ist auch heute und hier gegenwärtig, auch wenn wir das Krippenspiel eingepackt und heute Abend die Lichter des Weihnachtsbaums zum letzten Mal ausgelöscht haben. Das Wort oder das Evangelium, das frohe Botschaft bedeutet, die frohe Botschaft von Gott, der in der Weihnachtsnacht in der Gestalt seines Sohnes zu uns gekommen ist. Und seither herangewachsen und ein erwachsener Mann geworden ist, der mit dem, was er gesagt und getan hat, und mit der Weise, wie er Menschen begegnet ist, uns einen Leitstern gegeben hat. Worauf er Karfreitag am Kreuz starb für all die Schuld, die wir dennoch begehen in unserm betriebsamen Spiel, Präsident oder Premierminister oder Prinz in der Welt zu sein. Und zuletzt, am Ostersonntag ist er auferstanden aus dem Grab und hat uns sehen lassen, dass nichts - auch nicht der Tod und der Verlust - stärker ist als seine Liebe zu uns.

Das Wort wird weiterhin das ganze Jahr zu hören sein und uns auch in den Alltag begleiten - zu Freude, Trost, Erleuchtung und Leitung - auch wenn es von heute an nicht mehr Weihnachten ist.

 

Amen



Lektor Ulla Morre Bistrup
Molsvej 8B
DK-8410 Rønde
tel..: ++ 45 – 86 37 02 50

E-Mail: umb@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier
Matthäus 2,1-12 (dänische Perikopenordnung)


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