Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2.Sonntag nach Trinitatis, 25.06.2017

Eingeladen werden: das ist der Himmel!
Predigt zu Matthäus 22:1-14, verfasst von Kira Busch-Wagner

Liebe Gemeinde,

das Himmelreich gleich einem menschlichen König, der seinem Sohn eine Hochzeit ausrichtet. Und Boten sendet, Gäste zur Hochzeit zu rufen.

 

Auf ganz großem Fuß kommt es daher, das Himmelreich.

Eine unglaubliche Einladung. Die Gäste dürfen dabei sein. Beim Freudenfest. Beim Familienfest. Bei einem der Höhepunkte im Leben dieses Vaters.

Bei einem der Höhepunkte im Leben des Sohnes, des geliebten Kindes des Vaters. Da mit dabei zu sein, eingeladen werden: Das ist Himmel. Das ist Wolke sieben.

Das Himmelreich gleicht: dass ein König einlädt zum Fest seines Kindes.

 

Jesus erzählt im Matthäusevangelium das Gleichnis. Und wir hören die Einladung als eine Einladung an die Völker der Welt. Die Völker der Welt – in der Sprache der Lutherbibel: die Heiden – sind eingeladen zu Jesus. Und wir als ein Teil von ihnen.

Das stimmt. Es stimmt deshalb, weil Jesus zu den Kindern Gottes gehört, zum Volk seines Eigentums. Zu seinem geliebten Kind und Sohn und Augapfel Israel.

 

Es ist Himmel, Wolke sieben, dass – so unterstreicht es uns der Evangelist Matthäus – fremde Gäste, nicht Familie, sondern Gäste von außerhalb, eingeladen werden zum König der Welt, zum Vater des Kindes Israel. Das Himmelreich gleicht einem menschlichen König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtet UND Gäste einlädt. Gottes Reich: Da ist Freude der Gäste bei und mit Gottes Kind. Das ist der Himmel.

 

Jetzt macht Jesus im Matthäusevangelium uns aufmerksam:

Gott macht Wahnsinnserfahrungen mit seiner Wahnsinnseinladung. Mit der Einladung, dass die Völker der Welt sich mit Gottes Kindern freuen.

 

Welche Erfahrung macht Gott? Welche Erfahrung macht sein Kind Israel?

 

Zum ersten: Die Völker der Welt haben besseres zu tun als zu kommen. Sie haben keine Lust, sich auf dieses Fest einzulassen. Noch mehr: sei greifen statt dessen zu Mord und Totschlag. Wahnsinn! Doch die Gemeinde, der Matthäus predigt und schreibt, hat solchen Wahnsinn, hat solches Morden noch gut vor Augen und in den Ohren, jedenfalls die Älteren. Keine 40 Jahre ist es her für die Matthäusleute, dass Rom mit seinen Soldaten aus aller Herren Länder Zion überrannt hat, den Tempel zerstört, Jerusalem geplündert, Israel versklavt, den Glauben an den Gott der Schrift zutiefst erschüttert, Synagogen, Schulen, die ganze Infrastruktur religiösen Lebens und Glaubens vernichtet.

Wenn sich die Eingeladenen so verhalten – liegt es einem Menschenkönig nicht nahe, zurück zu schlagen? Liegt ihm nicht nahe, mit solchen Gästen kurzen Prozess zu machen?

 

Eine andere Erfahrung: Menschenkönige setzen auf Masse. Man nimmt was man kriegt. Eine Wahnsinnsquote. Den Saal voller Gästen. Alles drängelt sich. Böse und Gute. Hauptsache viele. So handeln Könige der Welt. So handeln zum Beispiel Wirtschaftskönige. Es kommt nicht auf Qualität an. Nicht auf Moral. Hauptsache, die Quote stimmt. Hauptsache der Absatz stimmt. Hauptsache viel. Wir kennen das. Umsatz, egal womit. Fernsehen, das vor allem verkaufbare Werbefläche darstellt. Elektronische Dienstleistung, deren Sinn letztlich aber darin besteht, uns mehr verkaufen zu können.

Wer dann nach Qualität ruft, steht doch auf verlorenem Posten.

Im 24. Psalm hatte es mal geheißen:

„Wer darf auf des Herrn Berg gehen,

wer darf stehen an seiner heiligen Stätte?

Wer unschuldige Hände hat, reinen Herzens ist,

nicht bedacht auf Lug und Trug, nicht falsche Eide schwört.“

Doch um Masse zu bekommen, sind solche Spielregeln nur lästig.

Wenn‘s um Masse geht, kommt man ohne moralische Qualität, ohne Vorbereitung, ohne Gebote aus.

Bis vielleicht doch die Stimmung kippt. Plötzlich der Ruf nach strengen Gesetzen. Nach Strafen. Plötzlich findet man Schuldige. Plötzlich heißt einer, der grade noch der Gewinnmaximierung seiner Firma diente, ein Gierschlund.

Wen es dann erwischt, wehe dem. Finsternis mit Heulen und Zähneklappern!

Wahrnehmung des Matthäus: Menschenkönige setzen auf Masse. Aber man weiß nie genau, wie lange.

 

Und Gott? Was macht Gott, der einlädt? Zu einem Fest mit Israel. Zu einem Fest mit Söhnen und Töchtern. Zu einem Fest mit seinem Sohn Jesus.

Was macht Gott, der statt Mitfreude und Dank Mord und Totschlag erlebt. An Jesus. An Israel. Der einer Menschheit gegenüber steht, die seinen Ruf, seine Gebote, die Mühe damit, alle Vorbereitung auf die Begegnung mit ihm weitgehend in den Wind schlägt? Danach fragt Matthäus.

Und was ist seitdem geschehen?

Gottes Erfahrungen mit den Eingeladenen, mit den Völkern der Welt bleiben so furchtbar gleich. Ja, werden sogar schlimmer und schlimmer. Es kommt ja zu immer neuen Schüben von Tod und Verderben. Die Reformation – nicht ohne Judenhass. Das 19., das 20. Jahrhundert – wozu sind Gottes Gäste nicht fähig. Es gipfelt in der Shoa. Die Erfahrung, die Erinnerung des Matthäus um Vielfaches getoppt. Statt Freude mit Gottes Kindern: immer neue Schübe von Gewalt. Statt reiner Hände, statt Wahrheit, statt Ehrfucht vor seinem Gebot Mord, Verleumdung und Lüge.

Das ist die Erfahrung Gottes.

Eigentlich ist es doch naheliegend, dass Gott sich fragt: Was mache ich mit solchen Gästen? Was mache ich mit meiner Einladung? Unter solchen Umständen! Eigentlich ist die Antwort klar.

Doch Gottes Reich bleibt ein Himmel. Ein Fest. Immer noch lädt Gott ein. Wieder und wieder erreicht uns die Einladung.

Es ist unglaublich. Der reine Wahnsinn. Gottes Einladung nach soviel schlechter Erfahrung. Es ist reine Gnade.

Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtet. Und er sendet seine Boten aus, Gäste zu rufen.

Das ist Gott. Das ist der Himmel.

 

Und der Friede Gottes, höher als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne. Amen.

 

 

 

Vorschlag zur Schriftlesung:

Neben Eph 2, 17-22 auch Jesaja 2, 2-4

 

 

 

 

 



Pfarrerin Kira Busch-Wagner
Karlsruhe
E-Mail: Kira.Busch-Wagner@kbz.ekiba.de

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