Gnade sei mit euch und Friede von Gott, dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
biblische Texte haben eine Geschichte.
Das heißt: sie wurden nicht ein für allemal aufgeschrieben,
sondern zunächst mündlich weiter erzählt,
und wuchsen dann nach und nach zu der Form,
die wir aus unseren heutigen Bibeln kennen.
Wir können also an einem Text
Ausgrabungsarbeiten vornehmen,
wie an einer archäologischen Fundstätte.
Wenn so gebuddelt wird,
finden wir in einem Text
verschiedene Erinnerungsschichten.
In der Bibel sind das verschiedene Fassungen.
Je nach dem an welche Zuhörern man sich richtete,
wurde mit dem Text
auf verschiedene Fragestellungen geantwortet.
Aktualisierungen gab es, und Akzente wurden verschoben.
Und ganz unten am Boden trifft man dann vielleicht auf die Worte, die Jesus selbst einmal gesprochen hat.
Ich möchte Sie heute einmal mitnehmen auf so eine biblische Ausgrabungsstätte.
Der Text,
den wir als Lesung gehört haben,
der vom königlichen Hochzeitsmahl,
lädt dazu ein:
Jesus sitzt auf der schattigen Seite eines Platzes in einer kleinen Stadt.
Die Leute,
die Zeit haben,
bleiben stehen um ihn zu hören.
Andere drängen weiter,
verärgert über die Leute, die ihnen den Weg verstellen,
so ähnlich wie bei uns in Stade,
wenn vor dem Rathaus, Hochzeitsgäste Fotos machen
und man nicht weiter kommt.
Hausfrauen,
Geschäftleute,
Bettler,
Arbeitslose,
Kinder, Straßenmusikanten, Rollstuhlfahrer,
das ganze Programm
und Jesus erzählt:
Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann,
der ein großes Abendessen gab und dazu viele einlud.
Und er sandte seinen Knecht aus, die Geladenen zu bitten;
doch sie wollten nicht kommen.
Sie achteten nicht auf die Einladung,
sondern gingen weg,
einer auf seinen Acker, der andere an sein Geschäft.
„Boh“,
bemerkt da ein Mann mit einem zerschlissenen Rucksack,
„wenn mich mal einer einladen würde,
ich würde hingehen,
mal auf so einen Empfang
mit Lachsbrötchen und Hummerschwänzen, das wär‘s doch...“.
„Halt die Klappe“,
brummt sein Nachbar, hör lieber mal.“
Jesus erzählt weiter:
Der Knecht kam zurück und erzählte es seinem Herrn.
Der ärgerte sich und sagte zu seinem Knecht:
Geh hinaus auf die Straßen und ladet zur Feier ein, wen du triffst:
Böse und Gute; Arme, Blinde und Lahme.
„Siehste, das is‘ es“,
meldet sich wieder der Rucksackträger.
„Da hat mal einer ein Herz für unsereins.
Mit Hartz IV wirste sonst zu keinem Fest eingeladen.“
Aber auch andere nicken nachdenklich.
Leute schubsen und drängeln vorbei:
Der ewige Stress,
das Leben könnte so schön sein,
aber keiner hat mehr Zeit dafür -
alles andere ist wichtiger.
Ein Mann im Rollstuhl sagt, wie zu sich selbst:
„Erst seit dem meine Beine nicht mehr wollen,
weiß ich, zu wie viel Blödsinn ich früher gelaufen bin.
Das Wichtigste,
das Leben selber,
bleibt auf der Strecke.“
Jesus lächelt ihm zu.
Jetzt machen wir einen Sprung in der Zeit.
Kreuzigung Jesu.
Auferstehung,
Ostern,
Pfingsten.
Der Heilige Geist hat die ersten Gemeinden gegründet.
Das Christentum entsteht innerhalb der Jüdischen Welt und die Frage kommt auf:
„Warum werden denn nicht alle Juden Christen?“
Jeder,
der sich ein bisschen für Religion interessierte,
wird so gefragt haben.
Gott hat sich in der Vergangenheit so um das Volk Israel bemüht.
Die Profeten hat er gesandt, die Geschichte Gottes mit seinem Volk wurde aufgezeichnet.
Von einer großen Freude am Ende aller Zeit, hatte man gehört
und nun war doch mit Jesus dieses Himmelreich angebrochen
– was war los?
Man begann das Gleichnis, das Jesus von jenem Mann, der zu einem großen Festessen, einlädt, mit anderen Ohren zu hören.
War jener Mann nicht ein König gewesen?
und damit ein Bild für Gott?
und jenes Festessen,
war nicht damit die Hochzeit seines Sohnes gemeint?
Also,
es geht doch um Jesus selbst
und darum, wie wir zu ihm stehen.
Die Knechte,
das sind die Profeten,
die Gott seinem Volk sendet um es zu sich zu rufen -
und so erzählte man
das „Gleichnis von der königliche Hochzeit“.
Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem König,
der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete.
Und er sandte seine Knechte, die Profeten aus,
die Gäste, die Menschen seines Volkes zur Hochzeit zu laden;
doch sie wollten nicht kommen.
Abermals sandte er andere Knechte aus und sprach:
„Sagt den Gästen:
Siehe, meine Mahlzeit habe ich bereitet,
meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet,
und alles ist bereit; kommt zur Hochzeit!
Aber sie verachteten das und gingen weg,
einer auf seinen Acker,
der andere an sein Geschäft.
Einige aber ergriffen seine Knechte, verhöhnten und töteten sie.
„Ja, so schlimm wird es kommen“,
dachten einige,
„das Gleichnis sieht es vorher:
die Profeten,
die das Kommen Jesu vorhersagten,
wurden getötet
und die Christen, die sich um die Juden bemühen
werden nun auch schon verhöhnt.
Fassungslos hörten die ersten christlichen Gemeinden diese Worte
und sahen in ihnen ihre eigenen Fragen beantwortet.
Die,
die einen Vorsprung im Glauben hatten,
die Frommen der Bücher Moses und der Profeten
ziehen nun nicht mehr mit
– das ist bitter.
So bitter und unverständlich,
wie es heute Christen in Südamerika, Asien und Afrika erscheint,
dass die Kirchen,
die ihnen einst das Christentum brachten, jetzt oft nicht mehr mitziehen,
wenn es darum geht,
ernst zu machen mit der Botschaft Jesu,
der Arme und Hilfesuchende zu sich rief.
Wo sind die alten, europäischen Christen?
Europa verschließt sich in seiner Wohlstandsburg
und Jesus findet seine Zuhörer vor den verschlossenen Toren
und vor den neu errichteten Zäunen aus Stacheldraht, und auf Booten in Seenot.
Die ersten Christen fanden Trost darin
und es schien ihnen eine Erklärung,
dass Jesus dies alles in seinem Gleichnis vorhergesehen hatte.
Als dann im Jahre 70 nach unserer Zeitrechnung der Tempel und große Teile Jerusalems von den Römern zerstört wurden, da meinten nicht wenige,
das sei nun die Strafe Gottes dafür, dass man sich nicht zu Jesus bekannt hatte.
Und damals fügten sie dem Gleichnis noch einen wichtigen Vers hinzu:
Da wurde der König zornig,
schickte seine Heere aus
und ließ diese Mörder umbringen und ihre Stadt anzünden.
Wir heutigen Leser zögern da.
Die Weltgeschichte ist zu sehr mit menschlicher Schuld und menschlichem Versagen durchzogen,
als dass wir in ihr so unbefangen Gottes Wirken,
besonders sein Strafen
entdecken könnten.
Nachdenklich,
suchend,
tastend
sehen wir uns nach Gottes Spuren in unserer Umwelt und Zeit um.
Aber zurück in die Entstehungszeit unseres Gleichnisses.
Die ersten christlichen Gemeinden gehen dazu über auch den Nichtjuden,
allen Völkern,
nicht nur Israel,
das Evangelium zu bringen und
es schien eine Erfolgsgeschichte zu werden,
die sich im Gleichnis wiederspiegelt:
Der König,
nachdem er merkt,
dass die zunächst geladenen Gäste,
das Volk Israel,
auf seine Einladung nicht reagieren,
befielt seinen Knechten:
Die Hochzeit ist zwar bereitet aber die Gäste waren es nicht wert.
Darum geht hinaus auf die Straßen in alle Welt und ladet zur Hochzeit ein, wen ihr trefft. Und die Knechte gingen auf die Straßen hinaus und holten zusammen, wen sie trafen,
Böse und Gute;
und die Tische wurden voll.
… und die Tische wurden alle voll.
Hier scheint das Gleichnis
und die Geschichte der Glaubensausbreitung
an ihr Ende gelangt zu sein.
Überall in der Welt entstehen christliche Gemeinden.
Viel Arbeit gibt es da für die Gemeindeleiter.
Plötzlich ist es modern
ist es „in“ Christ zu sein.
Das „C“ im Namen zu tragen kam gut,
war einfach
und kostete nichts.
Hatte Jesus nicht alle herbei gerufen?
Später wird sich das ganze Abendland „christlich“ nennen
und von seiner Leitkultur sprechen.
Matthäus, einer der Gemeindeleiter im ersten nachchristlichen Jahrhundert
ist empört:
„Es ist unerträglich, wie sich manche Leute verhalten“ , denkt er.
„Christ sein das bedeutet doch etwas,
das muss sich doch zeigen,
Jesus hat uns eindeutig an die Ränder unserer Gesellschaft gewiesen,
dort beginnt das Himmelreich,
dort,
wo man zuerst
und oft ausschließlich auf Gott vertraut.“
Matthäus ist überzeugt,
es gibt auch ein Verhalten,
dass einem Christen unwürdig ist
und man kann nicht alles christlich begründen.
In seiner Gemeinde gibt es Leute,
die,