Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2.Sonntag nach Trinitatis, 25.06.2017

Predigt zu Lukas 14:16-24(dänische Perikopenordnung), verfasst von Marianne Frank Larsen

Elin nimmt den Hörer ab. Ihre adrette, rechthaberische Mutter steht in der Küche und ist im vollen Gange mit dem Vorbereiten des Abendessens, und Elin selbst ist dabei, im Speisezimmer den Tisch zu decken in der ebenso feinen Villa in einem nördlichen Vorort von Aarhus. Das ist eine der am meisten herzzerreißenden Szenen in dem Film Baum der Erkenntnis vom Regisseur Malmros. Die hübsche und aufgeweckte Elin, die sonst sowohl bei den Mädchen und den Jungen in der Klasse populär war, ist plötzlich isoliert – wegen all der undurchschaubaren Spiele um Sympathie, Ablehnung, macht und Neid, die immer zwischen Menschen stattfinden, die aber zwischen Kindern ganz offen stattfinden. Einsam wie sie ist, werden auch ihre Leistungen in der Schule schlechter, und die Eltern versuchen, die Lage zu verbessern, indem sie sie dazu veranlassen, die Freunde zu einem Fest einzuladen. Man muss ja auch selber etwas tun, wie sie sagen. Und der Tag kommt, und der Tisch ist gedeckt, die Küche duftet, alles ist bereit, und dann beginnt das Telefon zu klingeln – mit einer Absage nach der anderen. Der eine nach dem anderen und dem dritten hatte es gerade vergessen, dass sie am selben Abend zu einem Fest bei Mona eingeladen waren. Wohlgemerkt ohne Eltern, und ohne Elin. Und schließlich muss Elin den schweren Gang in die Küche antreten und ihrer Mutter erzählen, dass das Fest nicht stattfindet. Das ist ganz unerträglich.

Denn eine Einladung ist ja eine ausgestreckte Hand. Ein Angebot, das der Empfänger annehmen oder ablehnen kann. So gesehen gibt man sich eine Blöße, wenn man eine Einladung ausschickt, man gibt ja zu erkennen, dass man gerne den sehen will, den man einlädt – dass er oder sie etwas für einen bedeutet. So viel, dass man eben sein oder ihr Gesicht vor Augen hat, als man das Fest plante und die Einladungen verschickte. So sehr, dass er oder sie an der Freude teilhaben soll, für die man feiert. So sehr, dass das Fest nur ganz vollkommen wird, wenn er oder sie dabei sind. Mit der Einladung macht man sich verwundbar, denn man offenbart seine Hoffnung, dass er oder sie einen Tag oder einen Abend ihrer Zeit dazu verwenden will, die Freude zu teilen. Aber wenn die Einladungen erst einmal im Briefkasten liegen, kann man nichts mehr tun. Man kann nur warten. Und jeder, der jemals Einladungen ausgeschickt hat, weiß, wie sehnlich man die Antworten erwartet! Wie gespannt man ist, was die Eingeladenen sagen, wenn man sie zum ersten Mal trifft. Wie unbegreiflich man es findet, wenn die Eingeladenen erst am allerletzten Tag reagieren. Ganz zu schweigen davon, wie enttäuscht man ist, wenn überhaupt keine Antwort kommt. Oder wenn eine Absage kommt von denen, die ein unverzichtbarer Teil des Festes sind. Und man kann nichts machen. Man kann nicht darüber bestimmen, was die Leute antworten, oder wann sie antworten.

Es ist überaus erbaulich, dass Jesus in dem heutigen Evangelium eben dieses Bild für das Reich Gottes verwendet, er vergleicht es mit einer großen Festmahlzeit. Dass es das ist, was Gott von uns will. Keine Verdammung, keine Zurechtweisung, keine Begrenzung, nicht einmal Belehrung – sondern ein Fest! Mit all den glücklichen Assoziationen, die dieses Wort in uns weckt: Freude, Gemeinschaft, Nähe, Wärme, Gesang, Musik, Schönheit, Tanz, Genuss, Feierlichkeit, Lachen, Sorglosigkeit. Schöne Tische und blanke Gläser, herrliche Gerichte, feine Kleider und schöne Blumen. Das ist erfreulich, dass dies der innerste Grund dafür ist, dass Gott seine Hand nach uns ausstreckt: Dass wir an seiner Güte und Freude teilhaben sollen. Die Festmahlzeit ist ein vornehmes Bild für das ewige Leben. Für das Leben, auf das wir nach dem Tod hoffen dürfen, im Saal ist gedeckt für jeden. Aber das ist wohlgemerkt nicht nur ein Fest, das einmal beginnt, wenn wir tot und nicht mehr da sind. Das ist in erster Linie eine Freude, die beginnt, während wir leben, weil wir schon hier und jetzt zu seiner Hoffnung und Vergebung und neuen Möglichkeiten eingeladen sind. Trotz all dem, was wir verspielt und verloren haben, trotz all dem, was schwer ist und uns belastet, bietet uns der gute Gott eine Freude über das wunderbare Leben an, in dem wir stehen. Über die geliebten Gesichter, die wir viele Jahre gesehen haben – und die kleinen neuen Gesichter, die wir sehen werden. Über die seidenen Gerstenhaare, die Strahlen Sonne und den Geschmack der Erdbeeren. Das Fest hat sozusagen begonnen. Wir sind mitten in ihm drin.

Gott hat seinen Sohn in die Welt gesandt, um uns das zu erzählen. Das erfahren wir immer, wenn wir in die Kirche kommen und hören, was er sagt: Dass sein Vater ein Fest feiert, und dass wir eingeladen sind. Kommt, es ist alles bereit, sagt er, und wenn wir gut hinhören, hören wir auch das Wunder, dass dort keine Bedingungen gestellt werden, die wir erst erfüllen müssen. Dass wir eingeladen sind, wo wir gehen und stehen, als die unvollkommenen Menschen, die wir sind, bildlich gesprochen arm, behindert, blind und lahm - mit den Niederlagen und der Schuld, die wir alle mit uns tragen. Nicht weil wir so gut sind, sondern weil der gute Gott sich um jeden einzelnen Menschen kümmert, den er geschaffen hat. So sehr liebt er uns, dass er eben unsere Gesichter vor sich gesehen hat, als er sein Fest plante und die Einladungen verschickte. Und er scheut keine Mittel, um uns mit dabei zu haben. Auch nicht als sein Sohn sein Leben geben musste, um uns zu erreichen, wenn wir in der Finsternis und dem Schatten des Todes sind, selbst dann weicht er nicht zurück. Der Sohn bezahlt den Preis dafür, uns zu erreichen – dort wo wir sind, ganz gleich wie weit wir vom Wege abgekommen sind. Und deshalb ist das ein Angebot, das umsonst ist und unbedingt gilt. In der Einladung steht nichts davon, dass wir erst sehen müssen, bessere Menschen zu werden. Er, den Gott ausgesandt hat, uns einzuladen, sagt nur: Es würde meinen Vater freuen, dich zu sehen. Du sollst mit bei seinem Fest sein und seine Freude teilen.

Und dann liegt es an uns. Der gute Gott hat seine Hand ausgestreckt. Die Frage ist, wie wir antworten. Im Gleichnis haben die Eingeladenen alle möglichen Entschuldigungen, nicht zu kommen. Schlechte Entschuldigungen, denken wir, denn das Feld könnte ja bis morgen warten, dass könnten die Ochsen auch, und wenn die frisch Verheirateten nicht warten können, könnte der Mann ja seine Frau mitnehmen. In dem Gleichnis spiegeln sich die die vielen, die ihn ablehnten, den Gott gesandt hatte mit seine Einladung. Die ihm dem Rücken zukehrten und ihm einen langen Marschen bliesen, weil da gerade so viel anderes wichtig war. Damals wie heute. Kinder, Alte, Arbeit, Sitzungen, Examina, Verabredungen, Deadlines, Zeitfristen, Einkaufskisten, Ferienpläne, Wunschträume, Begierde, Bedürfnisse, Forderungen von allen Seien. Es fällt schwer, Zeit zu finden zur Stille, eine andere Stimme zu hören und darüber nachzudenken, was der Sinn mit all dem ist. Aber das Problem ist: Wenn wir uns immer entschuldigen und nie Zeit haben, laufen wir Gefahr, das Fest zu verpassen, das allem zugrunde liegt. Immer wenn die Glocken der Kirche läuten, ist das eine Einladung zu kommen, einzuhalten und Zeit und Ruhe zu gewinnen, eine Perspektive für den Alltag zu gewinnen. Für die vielen Anforderungen, Enttäuschungen und Freuden, die unsere Köpfe und unsere Tage füllen. Und welch eine Perspektive! Dass man sein Leben im Lichte eines göttlichen Festes sehen darf. Sich selbst als einen Menschen sehen, der geliebt ist, eingeladen und gewünscht vom Schöpfer selbst.

Zuhause bei Elin gab es kein Fest. Das würde es auch bei uns nicht geben, wenn die Eingeladenen nein sagten. Dann würden wir wohl bestimmt unsere Fühler zurückziehen. Zumachen und schließen und uns nie mehr vorwagen. Anders in dem Gleichnis. Der Wirt, von dem Jesus erzählt, macht sich verwundbar, als er einlädt. Aber er verschanzt sich nicht, als seine Einladung abgelehnt wird. Er hält an seiner Einladung fest. Er will sein Fest um jeden Preis haben. Also müssen die Knechte wieder los, nicht nur einmal, sondern zweimal, hinaus an alle Ecken, auch alle Wege, um Menschen zu nötigen, zum Fest zu kommen, damit mein Haus voll werde, sagt der Wirt. Das ist sein Ziel. Dass der Festsaal und die Stuben und das ganze Haus mit frohen Stimmen und lächelnden Gesichtern gefüllt werden. Und das Wunderbare ist: Jeder wird eingeladen. So leicht und elegant beseitigt Gott alle die Gräben, die wir zwischen denen die drinnen sind graben, und denen die draußen sind. Der Graben dessen Opfer Elin in dem Film wurde. Der Graben zwischen den Richtigen und den Verkehrten. Den gibt es nicht in den Augen Gottes. Geht hinaus auf Straßen und Gassen, auf Wegen und Straßen, nötigt die Menschen zu kommen.

Uns in dieser Weise ist das Gleichnis ein Memento für uns, wenn wir uns allzu sicher sind, dass wir selbst mit dabei sind. Wenn wir so gerne einen Graben graben zwischen denen, die draußen sind, und denen, die dabei sind, und keine Sekunde daran zweifeln, dass wir selbst auf der richtigen Seite stehen. So sieht es der liebe Gott nicht. Unsere Gräben sind nicht seine. Er reicht die Hand aus auch zu all denen, die wir ausgeschlossen haben, und alle die, die wir nicht mögen. Wir werden ihnen vielleicht im Reich Gottes begegnen. Aber das Gleichnis ist vor allem ein Evangelium, eine frohe Botschaft an uns. Wenn wir wie Elin mit dem Telefon stehen und eine Absage nach der anderen bekommen, Zurückweisung und Ablehnung, außerhalb der Gemeinschaft, der Freude. Da können wir darauf vertrauen, dass er aus seinem Himmel kommt um uns zu finden, weil seine Freude nicht vollkommen ist, ehe wir dabei sind. So wertvoll sind wir für ihn. Auch wenn wir nicht meinen, dass wir etwas für jemanden bedeuten, jeder von uns ist von Gott geliebt, eingeladen und willkommen vom Schöpfer selbst. Amen.

 



Pastorin Marianne Frank Larsen
DK 8000 Aarhus C
E-Mail: mfl(at)km.dk

(zurück zum Seitenanfang)